Internationaler Frauentag:# Hier auch

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Sexuelle Belästigung kommt auch in Behörden und Firmen im Landkreis vor. Doch Hilfs- und Beratungsangebote werden nur eingeschränkt genutzt, wie die Erfahrung von Gleichstellungsbeauftragten zum Weltfrauentag zeigt

Von Claudia Wessel

Me too - unter diesem Stichwort wird seit einiger Zeit über sexuelle Belästigung diskutiert. Im Fokus: fast ausschließlich Prominente. Höchste Zeit, pünktlich zum Internationalen Frauentag an diesem Donnerstag zu erforschen, ob es auch in Verwaltungen oder Firmen im Landkreis München Fälle gibt.

Ortstermin bei den drei Gleichstellungsbeauftragten in Unterhaching. Gleich drei für einen Ort? Ja, und zwar Julia Mittermeier, Gemeinderätin der CSU, Evi Karbaumer, Grüne, und Waltraud Rensch, SPD. Das Treffen findet an einem Montagabend statt, wenn Sprechstunde im Rathaus ist. Sie findet im Zimmer der CSU-Fraktion statt, da Julia Mittermeier an der Reihe ist. Die Tür bleibt offen, falls jemand vorbeischauen sollte. Doch niemand taucht auf. Wann war denn die letzte Ratsuchende hier? "In den letzten knapp vier Jahren, seit ich das mache, noch niemand", sagt Mittermeier. Bei Evi Karbaumer von den Grünen? Auch noch niemand. Und bei Waltraud Rensch, SPD, die ja immerhin schon seit Mai 1990 Ansprechpartnerin in Sachen Gleichstellung ist? Nun ja, ein- oder zweimal habe es schon einen Fall gegeben, dabei sei es um häusliche Gewalt gegangen. Und irgendwann in den Neunzigerjahren sogar mal um Mobbing im Rathaus. Ein Mann habe mehrere Frauen gemobbt. Durch sexuelle Belästigung? Das könnte eine Rolle gespielt haben, wurde aber seinerzeit nicht explizit gesagt, so Rensch. Genaueres über den Fall kann sie ohnehin nicht verraten - Datenschutz.

Ortstermin in Garching. Hier sind Cornelia Otto und Christopher Redl seit mehr als einem Jahr Gleichstellungsbeauftragte - neben ihren Tätigkeiten im Fachbereich Bildung und Soziales der Stadt. "Wir hatten bisher keine Einzelberatungen", sagt Otto. Was aber nicht heißen muss, dass wirklich nichts vorfällt, betont Redl. "Man muss ja sehen, dass auch in allen anderen bekannten Fällen jahrzehntelang geschwiegen wurde." Zuständig sind die beiden Mitarbeiter des Rathauses auf jeden Fall für jeden, der einen Vorfall zu beklagen hat, ob in der Verwaltung oder in einer Garchinger Firma.

"Wir würden auf jeden Fall die Erstberatung machen", versichern Otto und Redl. Dann würde man sehen, wie es weitergehen könnte. Ob eine Anzeige in Betracht komme oder ob man ein Gespräch mit dem Beschuldigten sucht. An sozialen Einrichtungen, zu denen man Betroffene für eine weitere Beratung oder Behandlung weiterleiten könnte, mangelt es in Garching nicht. Eine Sprechstunde haben die beiden Sozialpädagogen nicht, anrufen kann man sie aber jederzeit oder eine E-Mail senden an soziales-netzwerk@garching.de.

Selbstbehauptungs- und Selbstverteidigungskurse wie hier in Ottobrunn gehören zum Programm, um Frauen vor sexuellen Angriffen von Männern zu schützen. (Foto: Angelika Bardehle)

Der Landkreis München, eine Insel der seligen Frauen, die nicht belästigt werden? Wenn man mit Teresa Howorka, der hauptamtlichen Gleichstellungsbeauftragten im Landratsamt spricht, erfährt man, dass es doch nicht ganz so ist. Sie ist seit 2015 in ihrer Position und hat in diesem Zeitraum "knapp hundert" Gespräche geführt, größtenteils mit Frauen, aber auch mit einigen Männern, die sich an sie gewandt haben. 30 Prozent davon am Telefon, schätzt Howorka, 70 Prozent in persönlichen Gesprächen in ihrem Büro in der Frankenthaler Straße. Nicht alle hundert Personen hatten ein Problem mit sexueller Belästigung am Arbeitsplatz. Manche fühlten sich bei der Stellenvergabe aufgrund ihres Geschlechts benachteiligt, andere wollten sich einfach mal nach ihren Karrierechancen erkundigen. Doch unter den rund 1300 Mitarbeitern des Landkreises gab es auch "Me-too-Vorfälle", sagt Howorka. "Sexuelle Belästigung als solches kommt vor. Das häufigste Thema sind verbale Angriffe." Männer empfänden ihre Äußerungen oft als Komplimente, Frauen als Belästigung. Auch handgreifliche Übergriffe gebe es, jedoch in geringerem Maße, berichtet Howorka. "Ich höre mir die Mitarbeiterinnen und ihr Anliegen an und nehme sie ernst", sagt die Gleichstellungsbeauftragte. In schweren Fällen sei auch der Personalrat zuständig. Abgesehen von dieser "Symptombehandlung" findet Teresa Howorka die Prävention sehr wichtig und um diese kümmert sie sich intensiv.

So zum Beispiel bekommen alle Auszubildenden im Landratsamt - weibliche und männliche - zum Arbeitsbeginn ein Sensibilisierungsseminar. Darin werden rechtliche Fragen der sexuellen Belästigung - das Strafrecht wurde ja erst kürzlich verschärft - geklärt, auch die Polizei gibt Informationen und für die Frauen wird ein Wendo-Kurs, also Selbstbehauptung und Selbstverteidigung, angeboten. Die männlichen Azubis erhalten gleichzeitig einen Kurs, in dem ihre Perspektive behandelt wird.

Sensibilisierungs-Workshops gibt es auch für die rund 120 Führungskräfte und für alle weiteren Personalverantwortlichen im Landratsamt. Sie lernen darin, so Howorka, dass es sich bei sexueller Belästigung immer um eine "individuelle Grenzüberschreitung" handele, dass sie also die Gefühle ihrer Mitarbeiterinnen ernst nehmen sollten. "Sie müssen sich ihrer Verantwortung bewusst sein", so Howorka. Dieser Workshop werde zweimal im Jahr angeboten und sei immer sehr gut besucht.

Teresa Howorka ist seit 2015 hauptamtliche Gleichstellungsbeauftragte des Landratsamtes. (Foto: Privat)

Doch zurück zu den Gleichstellungsbeauftragten in den Landkreisgemeinden. Laut Bayerischem Gleichstellungsgesetz, das seit 1996 existiert, muss jede Verwaltung, die mehr als hundert Mitarbeiter hat, jemanden für das Thema Gleichstellung abstellen. Diese Beauftragten haben laut Gesetz die Aufgabe, "Initiative zu ergreifen", so Howorka. Das heißt, sie müssen das Thema bekannt machen und Aktionen dazu in die Gemeinden bringen. Die Gleichstellungsbeauftragten in den Gemeinden seien nicht tatenlos, betont Howorka, auch wenn sie nicht hauptamtlich sind wie sie selbst und somit natürlich neben ihren sonstigen Aufgaben weniger Zeit haben.

So seien die Gleichstellungsbeauftragten in den Gemeinden sehr wichtig für gemeinsame Projekte. Beispielsweise wurde 2017 das zehnjährige Bestehen des Runden Tischs gegen häusliche Gewalt im Landkreis dank der guten Vernetzung in zahlreichen Gemeinden bekannt und gefeiert. "Das hat nur funktioniert, weil alle vor Ort gearbeitet haben", sagt Howorka.

Damit die Kontakte untereinander und die berühmte "Vernetzung" gut funktionieren, hat Howorka im Mai 2017 ein Treffen der mit dem Thema Gleichstellung befassten Personen aus dem Landkreis organisiert. Es kamen 20 Personen. Im Herbst ist ein weiteres Treffen geplant.

Initiative ergreift Howorka auch am heutigen Frauentag wieder. Alle Mitarbeiterinnen bekommen eine Einladung zu einem Vortrag. Am Internationalen Männertag am 19. November vergisst sie übrigens auch die männlichen Mitarbeiter nicht. 2017 bekamen von ihr alle ein "Gesundheitspäckchen".

© SZ vom 08.03.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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