Interkulturelle Freundschaft:Staunen und voneinander lernen

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Der Aufenthalt in Tansania hinterließ Eindrcuk. Damals grüßten Luwoneko Mbilinyi (li.), Lehrer Edwin Busl (rechts) und der Rektor der Secondary Schools, Vitus Mpogole (Vierter von rechts), sowie Michaela Bernhard, Nicola Lorenz (Mitte von links) und Amelie Mißbach (hinten in Rot). (Foto: privat)

Im August reiste eine Delegation aus Haar nach Tansania, jetzt sind Gäste aus Afrika zum Gegenbesuch da. Dabei vereinbaren das Ernst-Mach-Gymnasium und die Secondary Schools in Ilembula den Ausbau der Partnerschaft

Von Bernhard Lohr, Haar

Luwoneko Mbilinyi streckt seinen Arm in die Höhe und richtet seine Kamera auf die Gruppe am gegenüberliegenden Ende des großen Sitzungstischs. Das Display fängt Vitus Mpogole ein, daneben Gabriele Müller und Gabriele Langner. Hinter dem Rektor der beiden Ilembula Secondary Schools, der Haarer Bürgermeisterin und der Direktorin des Ernst-Mach-Gymnasiums drängen sich Schüler, Lehrer und Vertreter des Eine-Welt-Arbeitskreises der Jesuskirche in Haar. Alle wollen nah dran sein, in dem Moment, wenn die zwei Schulleiter im Haarer Rathaus den Vertrag unterzeichnen, der die Partnerschaft der so unterschiedlichen Schulen auf eine neue Ebene hebt.

Der 22 Jahre alte Luwoneko Mbilinyi wird außer diesem Foto viele Eindrücke mitnehmen, wenn er an diesem Freitag mit den anderen Gästen aus Ilembula in den Flieger zurück nach Daressalam steigt. Der Müll lande nicht auf der Straße, sondern in Mülleimern, sagt er, und Wertstoffe würden gesammelt. Vor allem habe ihn das Niveau des öffentlichen und kostenlosen Schulwesens fasziniert, sagt Mbilinyi; auch der offene, partnerschaftliche Umgang der Lehrer mit den Schülern. In Tansania kosteten gute, private Schulen 600 Euro im Jahr und mehr. Der Student für Health Management hat eine für ihn fremde Welt kennen gelernt, so wie eine Reihe von Schülern des Ernst-Mach-Gymnasiums auch, als sie im August in Ilembula waren. "Alles viel spontaner und entspannter", erinnert sich Nicola Lorenz aus der Q12. "Man lernt das Leben hier noch mal anders schätzen", sagt Amelie Mißbach. Und Michaela Bernhard bekommt die Erlebnisse aus Tansania nicht aus ihrem Kopf. Das Leben der Menschen dort direkt zu sehen, sei etwas besonderes.

"Das geht einem unter die Haut." Bei dem Treffen im Haarer Rathaus sind sie alle da: Leute wie Pfarrer Klaus Rückert, der mit seiner Frau vor 30 Jahren erste Kontakte knüpfte ins Hochland von Tansania. Jochen Döring leitet heute engagiert den Eine-Welt-Kreis und hat Edwin Busl für Ilembula begeistert, der als Lehrer am Gymnasium die Partnerschaftarbeit an die Schule holte, wo sie jetzt mit Hilfe des Entwicklungspolitischen Schulaustauschprogramms (Ensa) des Bundesministeriums für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (BMZ) professionalisiert und schriftlich in einen Vertrag gefasst wurde. Dank der finanziellen Unterstützung des Bundes waren zur Anbahnung dieser Schulpartnerschaft die Schüler in Ilembula. Außer Luwoneko Mbilinyi, dessen Vater den Partnerschaftsverein in Ilembula leitet, haben im Gegenzug der Rektor der Secondary Schools, Vitus Mpogole, drei Lehrer und drei Schüler Haar besucht. Weitere Besuche sind in den nächsten Jahren geplant, Projekte werden angeschoben und abgearbeitet. Festgehalten wurde das Procedere nun in einem Vertragswerk, das für die auf Dauer angelegte Partnerschaft fünf Kernbotschaften formuliert und Standards setzt. In der Präambel des Vertrags wird die unteilbare Würde des Menschen in den Mittelpunkt gestellt. Und es werden Aussagen getroffen, die gleich den Anspruch deutlich machen, dem sich alle Beteiligten nun stellen müssen: "Eine Welt ohne Armut ist möglich", heißt es dort.

Deshalb soll es nicht beim Staunen bleiben, und dabei, festzustellen, was hier und dort anders ist. Lehrer Edwin Busl sagte bei der Vertragsunterzeichnung im Haarer Rathaus, dass jetzt mit dem Vertrag ein "Schwungrad" in Gang gesetzt werde, um die bestehende "kleine globale Gemeinschaft" weiter zu beleben. Aber er zeigte sich auch demütig ob der Aufgabe. Man werde sich herantasten an die vom Ensa-Programm vorgegebenen Ziele. Ein ebenfalls schriftlich formulierter Auftrag lautet eben, über "eigene Positionen und Verhaltensweisen" sowie den jeweils eigenen "Lebenwandel vertieft nachzudenken".

Um das zu können, muss man sich kennen lernen. Die vergangenen Tage boten dazu in Haar Gelegenheiten, etwa bei einem Partnerschaftssonntag im evangelischen Gemeindezentrum, wo Pfarrer Rückert auch eine Predigt hielt, in der er pries, wie der vor 30 Jahren gesäte Samen aufgegangen sei und Früchte trage.

Vielen in Ilembula wurde geholfen, die schlecht ausgestattete öffentliche Schule von Rektor Mpogole arbeitete mittlerweile unter besseren Bedingungen. Nun soll laut Vertrag ein Fünf-Jahresplan für Haar-Ilembula aufgestellt und abgearbeitet werden. Dabei geht es um Entwicklungsarbeit in neuem Sinn - um gegenseitiges Lernen. Student Luwoneko Mbilinyi fasste sich kurz auf die Frage, was er von den Deutschen erwarte. Das wichtigste, sagte er, sei der Austausch, sei "Kommunikation".

© SZ vom 06.10.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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