Installation:Das große Knarzen

Lesezeit: 2 min

Die Nürnberger Künstlerin Meide Büdel hat eine ihrer Skulpturen in der Ottobrunner Michaelskirche aufgehängt: fünf mächtige Stahlkuben, die sich aneinander reiben und in jedem Raum andere Geräusche erzeugen

Von Angela Boschert, Ottobrunn

Eine gespannte Stille liegt über der Ottobrunner Michaelskirche. Fünf mächtige Stahlkuben schweben vor dem Alter und bewegen sich leicht hin und her. Sie berühren einander und wirken wie ein schwerer, vier Meter breiter Block. Als die Bildhauerin Meide Büdel ihre Installation in eine größere Bewegung versetzt, entwickelt sich ein Geräusch, das einem Stöhnen ähnlich abwärts gleitet. Selbst die Künstlerin schaut beeindruckt auf.

Das Geräusch, erklärt sie später, sei in jedem Raum ein anderes. Es entsteht, weil ein massiver Metallbügel quer durch die fünf Stahlblechkuben gespannt ist und dort, wo sich die Kuben berühren, wie eine Nase heraussteht. Die Kästen reiben aneinander und wirken dadurch wie Resonanzräume. Dass solch ein Geräusch entsteht, habe sie überrascht festgestellt, als sie das Objekt im Jahr 2002 bei der Eon-Deutschlandzentrale in München installiert hatte, sagt Büdel.

Meide Büdel mit ihrer Skulptur "Die große Schwebe" in der Ottobrunner Michaelskirche. (Foto: Angelika Bardehle)

Der Ton wird intensiver. Er beginnt bei der Gegenbewegung einen Halbton höher. Büdel selbst lauscht intensiv. Ein neues Geräusch mischt sich ein. Die langen Stahlseile knarzen in ihren Ösen. "Das hatte ich noch nie, dass man die Seile hört", sagt sie. Aber in einem so hohen Raum wie dem der Michaelskirche hing die Installation bislang nicht. Büdel hängt einen der Kästen einen Hauch höher und nickt. So können sie sich die nächsten Wochen zwischen Altar und Taufstein hin und her bewegen. Der Ton hat sich geändert. Wie wird er beim Abbau klingen?

Die 58-jährige Büdel aus Nürnberg hat nach ihrer klassischen Ausbildung zur Holzbildhauerin an der Akademie der Künste in Nürnberg Bildhauerei bei Wilhelm Uhlig studiert. Schon während ihres Studiums gewann sie erste Preise bei Wettbewerben (1984) und wandte sich der Kunst für den öffentlichen Raum zu. Damals wie heute interessiert sie die gegenseitige Reaktion von Raum und Kunstobjekt. Sie will "die Idee auf die absolute Essenz konzentrieren". Im Fall der "großen Schwere" sei diese ebenso in der Form und dem Material wie auch in dessen Oberfläche zu finden. Ist es der Rost selbst oder das abstrakte Muster, das er auf den Stahlkästen gebildet hat?

"Ich arbeite viel aus dem Bauch heraus", sagt Büdel und schaut auf ihr Werk: "Das Verhältnis der Dicke der Seile zu der Dicke der Kästen ist jetzt genau richtig! Die Seile wirken leicht und filigran. Sie verstärken die Schwere des Materials." Dabei wiegt jeder der Kästen nur etwa 48 Kilogramm. Doch ist für Büdel entscheidend, wie ein Objekt auf den Betrachter wirkt. "Hänge ich in einen hohen Raum eine Plastik von der Decke herab, erfasst der Betrachter den Raum plötzlich dreidimensional", sagt sie. Raumkunst in Sakralräumen macht Büdel schon seit langem.

Dabei sind diese Arbeiten nicht unumstritten. Massive Proteste löste 2006 etwa ihr schwebender Altar in der Nürnberger Christuskirche aus. Sie hatte eine zwei Tonnen schwere Stahlplatte als Altar an die Kirchendecke gehängt. Die Proteste legten sich und sie erhielt auch für diese künstlerische Lösung 2008 den Kunstpreis der Evangelischen Landeskirche Bayern. Diese hat letztes Jahr auch ihre "große Schwebe" gekauft. So konnte Dekan Mathis Steinbauer diese faszinierende Arbeit leicht als Installation und damit Hauptattraktion zum Prodekanatsjubiläum für die Michaelskirche erhalten. Der Kirchenvorstand war einstimmig dafür, Vertrauensfrau und Grundschulleiterin Gesine Clotz hat mit Brigitte Kroll extra ein Konzept für Grundschulklassen erstellt.

© SZ vom 27.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: