Infektionen bei Pferden:Riskante Ansteckung im Stall

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Das Pferdeherpes-Virus EHV-1 macht Reitern, Veterinären und Hofbesitzern im Landkreis Sorgen. Für Menschen ist der Erreger ungefährlich, bei Tieren kann er tödlich verlaufen. Es gelten verschärfte Hygienevorschriften.

Von Anna-Maria Salmen, Landkreis

Es waren dramatische Bilder, die Ende Februar um die Welt gingen: Bei einem internationalen Reitsportturnier im spanischen Valencia war das equine Herpesvirus ausgebrochen, das für Pferde zur tödlichen Bedrohung werden kann. Im Internet verbreiteten sich Videos von Tieren, die mit Kränen auf den Beinen gehalten werden müssen, sobald die Halterung gelöst wird, sinken sie zusammen. Reiter trauern um die Pferde, die ihre Erkrankung nicht überstanden haben.

Auch im Landkreis München sind Pferdebesitzer und Inhaber von Reitställen beunruhigt. Denn auch hierzulande grassiert dieses Pferdeherpes-Virus EHV-1 regelmäßig. "Alle drei bis vier Jahre gibt es bei uns so eine Welle", schätzt Tierarzt Martin Waselau, der gemeinsam mit Anja Kasparek die Pferdeklinik in Aschheim leitet. Der Erreger könne nach einer Tröpfcheninfektion zunächst symptomlos in vielen Pferden schlummern, verschiedene Komponenten würden schließlich zum Ausbruch führen. Bei dem Turnier in Valencia seien viele Tiere auf engem Raum untergebracht gewesen, so hätte sich das Virus schnell ausbreiten können. "Das ist vergleichbar mit dem Corona-Ausbruch in Ischgl", sagt Waselau. Denn ähnlich wie in dem österreichischen Skiort seien in Spanien Reiter und Pferde aus allen Teilen der Welt zusammengekommen, die Tiere könnten das Virus nun in ihre Heimat tragen.

Für Menschen ist das Virus ungefährlich, bei Pferden kann es jedoch massive Schäden anrichten, wie Waselau erläutert. Während manche Tiere anfangs nur milde Atemwegssymptome zeigten, hätten viele hohes Fieber. "Das Tückische ist die neurologische Komponente im weiteren Verlauf", sagt der Tierarzt. Das Virus kann zu Blutungen im Rückenmark führen und Lähmungserscheinungen hervorrufen. "Das fängt mit Schwäche, unkoordinierten Bewegungen und leichtem Torkeln an und kann sogar so weit kommen, dass das Pferd nicht mehr aufstehen kann. Das ist natürlich für ein Fluchttier immer schwierig." Auch innere Organe wie die Blase könnten von den Lähmungen betroffen sein. "Das Virus an sich muss nicht tödlich sein. Aber wenn die Komplikationen zu schwer werden, kann man das Tier nur noch erlösen."

Der effektivste Schutz vor dem Herpesvirus ist nach Ansicht des Tierarztes eine Impfung. Diese sei jedoch in Deutschland keine Pflicht. Somit war die Nachfrage der Pferdebesitzer bisher laut Waselau gering, "das führt dazu, dass die Hersteller nicht so viel produzieren und der Impfstoff immer wieder knapp ist". Eine Pflicht könne das ändern, so der Veterinär.

Auch ohne gesetzliche Pflicht verlangt Stallbetreiber Martin Buchner von jedem Besitzer, der sein Pferd auf dem Martinshof in Brunnthal einstellen möchte, einen Nachweis, dass das Tier gegen Herpes geimpft ist. "Aktuell darf niemand die Anlage verlassen und niemand Neues ohne negativen Herpes-Abstrich zu uns kommen." Buchners Stallgemeinschaft ist stark für das Thema sensibilisiert, wie er sagt. Jeder sei aufgerufen, ein besonderes Augenmerk auf das Befinden der Tiere zu legen: Durch regelmäßiges Messen der Körpertemperatur soll beispielsweise Fieber frühzeitig erkannt werden. "Im Zweifelsfall hätten wir auch die Möglichkeit, ein Pferd in einen separaten Quarantänestall zu bringen", sagt Buchner.

Externe Dienstleister wie Hufschmiede oder Tierärzte sind dem Stallbetreiber zufolge ebenfalls informiert, denn auch Menschen könnten das Virus weitergeben, wenn sie zuvor mit infizierten Pferden in Kontakt waren. "Sie sollen sich desinfizieren und die Kleidung wechseln, wenn sie vorher in einem anderen Stall waren." Buchner erkennt angesichts der verschärften Hygienemaßnahmen eine große Analogie zur Corona-Pandemie. In Bezug auf den Schutz vor dem Coronavirus habe sich auf dem Martinshof bereits eine gewisse Routine eingestellt: Im Stall herrsche Maskenpflicht, Reiter müssten sich in einer App eintragen, damit nicht zu viele Menschen gleichzeitig die Reithalle benutzen. "Sowohl Corona als auch Herpes werden uns noch eine ganze Weile begleiten. Man muss einfach mit offenem Auge und Bedacht handeln."

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Auch Birgit Matt appelliert, angesichts der Situation nicht in Panik zu verfallen. Die Gemüter auf ihrem Matthof in Ismaning seien in Wallung geraten, "aber man muss das mit dem nötigen Sachverstand betrachten". Für jeden Stall müsse man individuell entscheiden, welche Vorkehrungen zum Schutz vor Herpes nötig seien. "Wir haben bei uns eine geringe Fluktuation. Unsere Einsteller bleiben momentan mit ihren Pferden zu Hause." Für Reitlehrer, die in mehreren Betrieben tätig sind, gelten laut Matt grundlegende Hygieneregeln: Hände waschen, neue Kleidung anziehen und Schuhe wechseln.

Eine Impfpflicht hält Matt für wenig sinnvoll. Der Impfschutz sei nicht vollständig garantiert, auch der finanzielle Aspekt sei nicht zu unterschätzen. "Man muss alle vier bis sechs Monate neu impfen lassen, weil sonst die Wirkung nachlässt. Wir haben so viele Pferde, dass wir regelmäßig mehrere tausend Euro zahlen müssten", erläutert Matt. Ihrer Ansicht nach sollte dagegen eine Meldepflicht gelten: "Dann wüsste man Bescheid, wenn in einem bestimmten Stall ein Fall auftritt und könnte entsprechende Maßnahmen treffen."

Auf Gut Spielberg bei Aying bereitet besonders eine mögliche Auswirkung des Herpesvirus dem Pferdezüchter Georg Niedermair Sorgen. Der Erreger könne vorzeitige Geburten bewirken. Nur ein paar Tage zu wenig im Mutterleib können laut Niedermair schon dazu führen, dass das Neugeborene nicht überlebt. Der Züchter erzählt von einem bekannten Springreiter, der mit seinem Pferd an dem Turnier in Valencia teilgenommen hatte. "Er kam heim zu seinen acht trächtigen Stuten. Sechs davon haben ihr Fohlen verloren." Damit das auf Gut Spielberg nicht passiert, lässt Niedermair keine neuen Pferde auf seine Anlage, bis seine zwölf Fohlen gesund auf die Welt gekommen sind. Er achtet darauf, seine Tiere vital zu halten - das Immunsystem müsse stark sein. "Wir müssen Ruhe bewahren und dafür sorgen, dass unsere Pferde in guten Verhältnissen leben."

© SZ vom 26.04.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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