Im SZ-Gespräch:"Das war eine Kabarettnummer"

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"Ich wurde auch heftig kritisiert": Martin Zöbeley, der Pfarrer der Pullacher Jakobuskirche, über seine Rede beim Neujahrsempfang. (Foto: Claus Schunk)

Pullachs evangelischer Pfarrer Martin Zöbeley fühlt sich nach der Kritik an seiner Rede beim Neujahrsempfang missverstanden. Die Begriffe "Öko-Diktatur" und "Öko-Faschisten" seien satirisch gemeint gewesen

Interview von Michael Morosow, Pullach

Im Anfang war ein Schlagwort und das lautet: Öko-Faschisten. Martin Zöbeley, Pfarrer der evangelisch-lutherischen Jakobuskirche, hat dieses in seiner umstrittenen Rede beim Neujahrsempfang der Gemeinde Pullach am Freitag vor einer Woche in den Mund genommen und damit einige Zuhörer verschreckt, wie auch einige Seitenhiebe auf CSU-Politiker, insbesondere auf Bundesverkehrsminister Andres Scheuer, nicht an allen Stehtischen im Festsaal des Bürgerhauses goutiert wurden. Darf ein Kirchenmann in einer solcher Schärfe politisch werden? Ist dem Geistlichen der Kampf engagierter Klimaaktivisten tatsächlich ein Dorn im Auge? In einem Gespräch mit der SZ hat sich Zöbeley diesen und weiteren Fragen gestellt.

SZ: Herr Zöbeley, wenige Tage nach Ihrer Rede im Bürgerhaus ist das Wort Klimahysterie zum Unwort des Jahres gewählt worden. Der von Ihnen gebrauchte Terminus "Öko-Faschisten" ist davon nicht weit entfernt. Wie stark ist der Gegenwind, der Ihnen seit Ihrer Rede ins Gesicht weht?

Martin Zöbeley: Viele Menschen, denen der Sprachwitz in meiner Rede gefallen hat, haben mir gratuliert, aber ich wurde durchaus auch heftig kritisiert. Ich hätte zum wiederholten Male politische Überzeugungen raushängen lassen, hieß es etwa. Von katholischer Seite gab es starke Einwände. Es wurde moniert, dass die Rede als Neujahrsansprache keine konstruktiven Vorschläge enthalten habe. Mein Dekan dagegen hat die Kraft Gottes angesprochen.

Bereuen Sie inzwischen manches, was Sie gesagt haben, insbesondere den Öko-Faschisten?

Ich wollte von Anfang an eine Wachheit beim Publikum bewirken. Dabei war klar: Das wird eine Kabarettnummer, in der es um unsere Haltung zum Klimawandel geht. Der Begriff Öko-Faschisten ist ein Zerrbild, aber nicht etwa um zu provozieren oder gar zu hetzen, sondern vielmehr um ein Denkmuster zu ironisieren, das Verbote als politisches Mittel infrage stellt. Der Klimawandel wirft viele Fragen auf, die sich allein mit Vernunft und Verzicht nicht lösen lassen. Doch die Ablehnung von Verboten ist ebenso fahrlässig wie der Verweis auf künftige Technologien.

Den kabarettistischen Ansatz Ihrer Rede haben dann wohl manche nicht verstanden.

Ironie passt für viele nicht ins Bild eines Pfarrers; Spott und Sarkasmus gehen gar nicht. Doch zu meinem Selbstbild als Pfarrer gehört einfach dazu, dass der öffentliche Raum eben nicht von der Kirche getrennt ist. Satire kann sehr viel mehr bewirken, gerade dann, wenn sie wehtut. Es ist paradox: Die Bibel ist voller prophetischer Anklage, das Markusevangelium lese ich als einen in Teilen satirischen Text. Jesus verspottet da offen seine Jünger, auch wenn's der Kirche nicht gefällt. Als Pfarrer soll ich mir keine böse Satire erlauben, während umgekehrt beim Starkbieranstich auf dem Nockherberg Kabarettisten in Mönchsgewänder schlüpfen? Die Wahrheit anzusprechen, kann ganz anders aussehen, als Recht zu haben.

Aber Spott und Ironie gegen Menschen, die sich für den Erhalt der Schöpfung einsetzen, was ja durchaus im christlichen Sinne ist?

Spott und Ironie relativieren. Aber auf diesem Ohr sind manche nicht ansprechbar. Die eigentliche Frage ist doch: Wie gehen wir mit der Angst um? Und ich habe den Eindruck, dass da sehr viel Verdrängung stattfindet, nicht nur aus Überdruss vor den traditionellen apokalyptischen Szenarien. Es wäre an der Zeit, zuzugeben, wie machtlos wir wirklich sind. Für mich ist das die Kernfrage meines Glaubens. Ich bin der Meinung, dass die entscheidenden Weichen nicht mehr wir Menschen stellen können, sondern dass das die Natur macht. Und ich fürchte, dass Verbote nicht greifen, solange es daneben keine globalen Anstrengungen gibt. Meines Wissens hatte bei der Rede niemand den Eindruck, dass ich Klimaaktivisten infrage stelle. Nicht einmal den Aktivismus, der nichts anderes ist als ein Verdrängungsmechanismus. Als Pfarrer kann ich nicht zu allem Ja und Amen sagen. Gerade dann, wenn es um existenzielle Fragen geht. Eine Kirche muss auch widerständig sein.

In Ihrer Rede sagten Sie auch: "Einer der prominenteren Pullacher warnt seit längerem vor einer Öko-Diktatur." Im Publikum gab es wohl nur sehr wenige, die wissen, wen Sie damit gemeint haben.

Jan Fleischhauer vom Focus. Ich hatte eine von ihm verfasste pointierte Kolumne gelesen. Seine Warnung vor einer Öko-Diktatur habe ich mit dem Wort Öko-Faschist aufgespießt.

Haben Sie das Wort "Öko-Faschisten" jetzt aus Ihrem Sprachschatz gestrichen?

Ich würde es bei einer solchen Gelegenheit nicht noch einmal verwenden. Natürlich sind die Wörter allein noch nicht diskriminierend. Die Öko-Diktatur ist als Begriff längst etabliert. Ich gebe zu, dass ich diese neue hysterische Angst vor diffamierenden Begriffen oder auch der furchtbaren Sprache des Internets nicht teile. An Luther hat man immer gerühmt, dass er dem Volk aufs Maul geschaut hat.

© SZ vom 18.01.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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