Hubschrauberlärm:Grenzüberschreitung

Lesezeit: 3 min

Anwohner Timm Adamietz ist "von der Sinnhaftigkeit des Standorts Oberschleißheim nicht überzeugt". Er fragt: "Warum werden die Polizeihubschrauber nicht im Süden stationiert?" (Foto: Hartmut Pöstges)

Timm Adamietz wäre als Nachbar des Flugplatzes in Oberschleißheim durch die Stationierung der Hubschrauber der Landespolizei direkt betroffen. Er will mit Nachbarn diese Pläne vor Gericht noch abwenden oder wenigstens besseren Lärmschutz durchsetzen

Von Gudrun Passarge, Oberschleißheim

Wie auf Bestellung fliegt während des Gesprächs mit Timm Adamietz ein Hubschrauber über die Fliegersiedlung. "Der dürfte hier gar nicht fliegen", sagt Adamietz, doch ein Blick aus dem Fenster verrät, es ist gar kein Hubschrauber der in Schleißheim stationierten Bundespolizei. Die Polizeihelikopter hatten sich zuvor jedoch schon durch lautes Hovern bemerkbar gemacht. So nennt man die Phase vor dem Abflug, wenn alle Geräte noch einmal gecheckt werden. Als sehr unangenehm beschreibt der Oberschleißheimer dieses Geräusch, besonders in der Nacht.

Adamietz ist einer von sechs privaten Klägern, die sich gegen die Entscheidung wehren, jetzt auch noch die Landespolizeistaffel mit ihren Hubschraubern in Oberschleißheim anzusiedeln. Zuvor haben die Stadt München, die Gemeinde Oberschleißheim und der Bund Naturschutz sowie der Landkreis München bereits Klage eingereicht.

Der Schleißheimer wohnt seit sechs Jahren in der sogenannten Fliegersiedlung nahe dem Flugplatz, er kann von seinem Garten aus das letzte Gebäude der Flugwerft sehen. Der Familienvater schickt voraus, er finde die Polizei mache einen Super-Job und er würde den Lärm in der Nachbarschaft auch mittragen, "wenn ich von der Sinnhaftigkeit des Standortes überzeugt wäre". Genau diesen Sinn erkennt er jedoch nicht, denn, so seine Argumentation, zwei Drittel der Einsätze der Landespolizei führten in den Süden. Ein Nachbar habe mal ausgerechnet, das bedeutete 125 000 Kilometer an Umwegen. Hinzu komme der Zeitverlust. "Warum verlegt man die Staffel dann nicht in den Süden", lautet seine Frage. Außerdem seien andere Standorte wie etwa Penzing oder Oberpfaffenhofen nicht wirklich geprüft worden, teils auch, weil man Gegenwehr aus der dortigen Bevölkerung erwartete. "Und was ist mit uns?"

Anwohner fordern strengere bayerische Verordnung

Draußen rattert es schon wieder. "Das ist jetzt ein Zug", der Schall werde von einem Gebäude gebrochen und halle dann wider, sagt Adamietz. Immerhin - die Autobahn sei heute nicht zu hören, das hänge mit der Windrichtung zusammen. Da kommt einiges an Lärm zusammen. Und jetzt noch die zweite Hubschrauberstaffel. Das würde bedeuten, zu den 2500 Flügen der Bundespolizei kämen noch einmal 3500 Flüge der Landespolizei hinzu. Für Adamietz ist klar, das bedeutet mehr Lärm. Wie viel es im Detail ist, darüber wollen die privaten Kläger sich mit dem Freistaat streiten. Das Luftamt Süd hat in seiner Planfeststellung das Fluglärmgesetz zugrunde gelegt.

Die Anwohner fordern dagegen die strengere bayerische Verordnung DIN-18005. Danach gälte im reinen Wohngebiet, es dürften nachts 35 Dezibel nicht überschritten werden. Das Gutachten hat für die Nacht Werte von 40, 45 und 50 Dezibel errechnet, wobei die 40 Dezibel für allgemeine Wohngebiete gelten. Adamietz beruft sich jedoch auf den Bebauungsplan, wonach die Fliegersiedlung ein reines Wohngebiet ist. Im Beschluss wird jedoch davon ausgegangen, dass 50 Dezibel zumutbar seien. Das sei gefühlt die zweieinhalbfache Lautstärke. Würde es bei dieser Rechenart bleiben, bekäme niemand in der Siedlung irgendeine Form von Lärmschutz, würde die bayerische Verordnung angewendet, müsste die komplette Siedlung zumindest mit Lärmschutzfenstern ausgestattet werden.

Aber die Regierung habe beschlossen, die für sie günstigeren Werte zu nehmen, "das stinkt uns". Viele in Oberschleißheim haben den Eindruck, es handle sich bei der Staffelverlegung um eine politische Entscheidung. "Dann muss man es der Bevölkerung auch ehrlich und transparent sagen und bereit sein, in aktiven und gegebenenfalls passiven Schallschutz zu investieren. Dies hätte man während des Planfeststellungsverfahrens tun können", erläutert der Kläger. Aber er habe den Verdacht, "das war beschlossen, bevor es losging".

Der Landtagsabgeordnete Ernst Weidenbusch (CSU) bei der Demonstration gegen Hubschrauberlärm. (Foto: Sebastian Gabriel)

Seine Nachbarn und er haben sich zusammengeschlossen mit einer festen Zielsetzung. Nummer eins: die Verlegung verhindern. Nummer zwei: aktiven Schallschutz bekommen, also Lärmschutzwände, Flugreduzierungen, leisere Motoren. Nummer drei: passiver Schallschutz durch Lärmschutzfenster. Was sie erreichen können, ist ungewiss. Die privaten Kläger haben sich mit der Rechtsanwältin zusammengetan, die auch den Bund Naturschutz vertritt. Sie habe ihnen Hoffnung gemacht, berichtet Adamietz.

Klage wurde Anfang Oktober eingereicht

Die Klage gegen die Stationierung der Polizeihubschrauber wurde Anfang Oktober eingereicht, jetzt haben die Kläger sechs Wochen Zeit, eine detaillierte Klageschrift einzureichen. Dafür bräuchten sie auch noch einmal die Hilfe eines Lärmsachverständigen, der das Gutachten auf formale Fehler überprüft. Die Anwohner gehen Schritt für Schritt vor, auch aus finanziellen Gründen. Der direkt betroffene Anlieger Timm Adamietz rechnet mit einem vierstelligen Betrag, falls das Verfahren verloren gehen sollte. Und wenn es am Ende nur Lärmschutzfenster geben sollte? "Das ist maximal ein Trostpflaster. Denn was bringt uns das, wenn man im Garten sitzt?"

© SZ vom 29.10.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: