Hohenbrunn:Zwischen den Stühlen

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Der Hohenbrunner Bürgermeister Stefan Straßmair hat in zehn Jahren im Amt viel erreicht, aber auch viele Menschen gegen sich aufgebracht. Selbst seine CSU geht auf Distanz

Von Christina Hertel, Hohenbrunn

Mittwochnachmittag, Seniorenfeier im Pfarramt. Bürgermeister Stefan Straßmair von der CSU sitzt da in Trachtenjanker und rot-weiß-kariertem Hemd. "Ich komm gleich wieder und dann trink mer noch a Glaserl Punsch", sagt er zu einer Dame mit weißem Haar. Sie lächelt. Solche Termine liegen ihm.

Eine Woche zuvor. Gemeinderatssitzung im Feuerwehrhaus. "Gibt es Wortmeldungen vor Eintritt in die Tagesordnung?" Ja, gibt es. Partizia Haucke steht auf. Sie wohnt in der Luitpoldsiedlung - so wie Straßmair übrigens auch. "Wir sind alle gute Steuerzahler und möchten wissen, was mit unserem Geld passiert." Sie klingt gereizt, aufgebracht, Straßmair guckt ein bisschen verdutzt. Das Problem ist Folgendes: Auf einmal lagen auf der Spielwiese in Hauckes Straße Steine. Die Straße ist eng, Parkplätze gibt es wenige. Bei einem Fest haben die Leute auf der Wiese geparkt, genauso wie der Paketdienst oder der Rettungswagen. Geht jetzt nicht mehr und Patrizia Haucke will wissen, wie viel diese - sie nennt es Gängelei - gekostet hat. "Es sieht aus wie Stonehenge."

Lustig kann er, wenn er denn will: Stefan Straßmair (CSU), seit zehn Jahren Bürgermeister der Gemeinde. (Foto: Claus Schunk)

Was passiert hier? Alltägliche Szenen aus der Kommunalpolitik? Straßmair ist inzwischen zehn Jahre im Amt. Vieles ist gut gelaufen in dieser Zeit. Das ehemalige Munitionsdepot wurde gekauft, es gibt genug Betreuungsplätze für Kinder - anders als in anderen Gemeinden, wo Familien auf Wartelisten stehen. Andererseits hört man auch immer wieder, dass sich Bürger nicht gehört fühlen. Und sie machen ihrem Ärger Luft, wie Patrizia Haucke.

Oktober 2016. Spatenstich für die neue Mittelschule in Riemerling. Mit Schaufel in der Hand, zupackend, mit einem breiten Lachen schaut Straßmair in die Kameras der Fotografen. Ein paar Tage später ist es mit der guten Laune vorbei. Es kommt heraus, dass niemand der Anwohner, nicht einmal der Gemeinderat, von diesem Termin wusste. "Offenbar wollte man das klammheimlich über die Bühne bringen", sagt Wolfgang Stolte. Er wohnt in der Nähe der Schule. Voraussichtlich die nächsten fünf Jahre hat er eine Baustelle vor der Haustür. Vielleicht wäre es sinnvoll gewesen, ihn einzuladen. Vielleicht wollte Straßmair aber auch verhindern, dass vor der versammelten Presse die Diskussion wieder losgeht - über den Standort der Schule etwa.

Mit Sack und Pack in Höhenkirchen unterwegs. (Foto: Angelika Bardehle)

Die neue Carl-Steinmeier-Mittelschule wird dort gebaut, wo sich jetzt die Sportplätze befinden. So kann der Schulbetrieb in dem alten Gebäude aufrechterhalten werden, bis das neue steht, und die Schüler müssen nicht in Container ausweichen. Andererseits dauert der Bau so länger - erst ist die Baustelle auf der einen, dann auf der anderen Seite des Grundstücks. Alte Bäume werden gefällt, ziemlich eng wird es auf dem Areal auch werden. Ärger gab es um die Standortsuche viel, obwohl eigentlich eindeutige Tatsachen hätten geschaffen werden sollen - mit einem Bürgerentscheid. Nur waren die Voraussetzungen für beide Seiten nicht die gleichen. Die Befürworter eines Schulneubaus am alten Standort hielten sich an die Regeln und plakatierten nicht. Die CSU und der Schulzweckverband erhielten von der Gemeindeveraltung eine Sondergenehmigung für die Plakatierung. Außerdem sicherte sich Thomas Wien, Hohenbrunns Geschäftsleiter, online gleich zwei Domains: www.hohenbrunn-sagt-nein.de und www.hohenbrunn-sagt-ja.de. Ist das fair? Das Landratsamt rügte das Rathaus und den Schulzweckverband, Methoden angewandt zu haben, die gegen die Regeln verstießen. Passiert ist dennoch nichts. Aus Sicht des Landratsamts hatte all das keine Auswirkungen auf das Ergebnis, dieses sei mit 60 zu 40 Prozent eindeutig gewesen. Wolfgang Stolte hält das Ganze immer noch für eine Unverschämtheit. Auch das Bürgerforum schreibt, dass die Maßnahmen rechtswidrig gewesen seien, das Vorgehen nicht transparent. Und Straßmair? Er sagt, er habe sich damals bewusst rausgehalten. Was bei den Leuten ankommt, steht allerdings auf einem anderen Blatt.

CSU-Bürgermeister Straßmair präsentiert seine roten Socken. (Foto: Claus Schunk)

Straßmairs Büro. Ein Kruzifix hängt an der Wand und Hohenbrunn als Winterbild. Wer Lust hat, kann sich seit einiger Zeit das Zimmer im Internet anschauen. Die Gemeinde bietet eine virtuelle Führung durch das Rathaus an - "um den Leuten die Scheu zu nehmen, hier hereinzuschauen", wie Straßmair sagt. Das Rathaus sei so offen, so serviceorientiert wie nie zuvor. Warum schimpfen einige Bürger trotzdem lieber öffentlich im Gemeinderat als hier? "Es gibt immer Menschen, die ihrem Ärger Luft machen wollen", sagt Straßmair. "Bürger, die sofort zu schimpfen beginnen, wenn man sich nicht gleich um ihr Problem kümmert." Er müsse aber die Interessen der ganzen Gemeinde im Blick haben.

Manfred Haucke, der Mann von der Frau mit dem Steinproblem, sieht das anders. Er sagt: "Wir waren alle arrangierte Bürger, jetzt werden wir engagierte Bürger." Weil sie sehen würden, dass Dinge in eine Richtung laufen, die ihnen nicht gefalle. Etwa, dass Höhenkirchen-Siegertsbrunn die Unterführung an der Luitpold-straße ausbauen möchte - dann könnten auch Lastwagen durchfahren. Haucke und einige weitere Anwohner, Hohenbrunner Bürger, befürchten mehr Lärm. Sie wollen deshalb, dass ein Tunnel gebaut wird. Eigentlich hatte die Gemeinde die Idee verworfen, weil sie zu teuer ist. Doch Haucke glaubt nicht, dass alles ausreichend geprüft worden ist. Er sagt, bei den Bürgern wachse das Misstrauen gegen Straßmair.

Es hapert offenbar an der Kommunikation in der Gemeinde, das kann man an vielen Ecken spüren. Gemeinderat Rüdiger Weber von der SPD erzählt, dass die Absprachen mit der Verwaltung schlecht liefen. "Wenn man etwas will, muss man lange warten. Man bekommt keine Auskunft." Martina Kreder-Strugalla von den Grünen sagt über den Bürgermeister: "Er verweigert Auskünfte und lässt die Geschäftsleitung das Akteneinsichtsrecht von Gemeinderäten behindern." Auch mangelnden Willen zur Gestaltung attestiert sie ihm: Straßmair formuliere keine ambitionierten Ziele, sondern agiere, wenn der Druck von Problemen oder Interessensgruppen ihn dazu zwinge. Bei den Gemeinderatssitzungen ist der Ton oft rau. Und Straßmairs eigene Fraktion, die CSU? Zumindest verteidigt sie ihn nicht öffentlich. Und das scheint Straßmair auch zu merken. Er sagt: "Sie sollen ja auch nicht der Rückenstärker des Bürgermeisters sein." Er sei froh, dass er eigenständige Leute habe. Und überhaupt: "Als Bürgermeister bin ich für alle Fraktionen da."

© SZ vom 11.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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