Höhenkirchen-Siegertsbrunn:Zu satt

Lesezeit: 2 min

Anton Stürzer ist Kreisobmann der Bauern. Er kritisiert die fehlende Wertschätzung der Deutschen, was Lebensmittel angeht. (Foto: Claus Schunk)

Die fehlende Wertschätzung für ihre Produkte macht den Bauern zu schaffen

Von Antonia Hofmann, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Es ist ein Jammer. Mit der Landwirtschaft im Allgemeinen und für die Kleinbauern im Landkreis im Speziellen. Das haben Münchens Landwirte am Mittwochabend bei der Mitgliederversammlung des Bayerischen Bauernverbands (BBV) im Gebiet Brunnthal bis Unterhaching deutlich gemacht. "Ich habe keine guten Nachrichten für euch heute Abend." Kreisobmann Anton Stürzer hat seinen Kollegen im Gasthof Inselkammer wenig Positives zu berichten.

Das größte Problem sieht Stürzer in der fehlenden Wertschätzung für landwirtschaftlich erzeugte Produkte innerhalb der Gesellschaft. 1950 noch, da hätten die Deutschen 44 Prozent ihrer Ausgaben auf Milch, Fleisch, Eier und Getreide verwendet. Gut 60 Jahre später liege dieser Wert nur noch bei 13 Prozent. Von einem für Nahrungsmittel ausgegebenen Euro, so zeigt es Stürzer anhand einer Grafik, landen nur 23,3 Prozent beim Erzeuger. Am stärksten sind Getreideerzeugnisse betroffen, keine fünf Cent bekommt der Landwirt.

613 landwirtschaftliche Betriebe gibt es heute noch in Raum München, davon 512 im Landkreis. Die meisten, so Stürzer, seien bäuerliche Familienbetriebe, also kleine Höfe mit geringer Wettbewerbsfähigkeit. So zum Beispiel auch der Hof von Hans Minsinger, der Milchbauer führt mit seiner Frau einen kleinen Betrieb mit 22 Kühen auf 22 Hektar in Siegertsbrunn. Auf einem kleinen Hof könne weniger effizient gearbeitet werden, "der Arbeitsaufwand pro Tier ist viel größer als bei einem Betrieb mit 60 bis 80 Kühen", sagt er.

Zur Milchwirtschaft gibt Martin Stadler, stellvertretender Kreisobmann, einen Ausblick: Die Russland-Sanktionen, ein schwacher chinesischer Markt oder die Überversorgung auf dem Markt - all das werde sich wohl auch im neuen Jahr nicht ändern. Ein kleiner Lichtblick: Bio-Milch. Denn bei ökologisch produzierter Milch besteht momentan noch keine Überversorgung, der Staat fördert die Umstellung auf Öko-Landwirtschaft zudem. Für Kleinbetriebe wie den von Minsinger ist ein solcher Wandel jedoch gar nicht möglich. Sein Hof liegt zwischen zwei Kreisstraßen, er hat keine Möglichkeit, seine Fläche zu erweitern. Die Biorichtlinien forderten aber einen immer größeren Auslauf für die Tiere, vor allem die Höfe im Ortsinneren könnten das nicht mehr erfüllen.

Auch Ausgleichsflächen fressen Äcker. Für Eingriffe in die Natur zum Beispiel durch den Bau einer Bahn-Strecke oder eines Radwegs muss ein Ausgleich geschaffen werden - auf Kosten landwirtschaftlicher Flächen. Laut Franz Sedlmeier von der BBV-Hauptgeschäftsstelle Oberbayern gilt hier aber seit September 2014: Qualität vor Quantität. Es gehe nun in erster Linie darum, eine Fläche als Ersatz möglichst qualitativ aufzuwerten, dem Landwirt bleibt mehr Land. Die Versiegelung sei, so erklärt es Stürzer, aber gerade in Bayern ein Problem, da es immer mehr Menschen in den Süden ziehe. In Bayern würden täglich 18,1 Hektar versiegelt.

Es geht an diesem Abend noch um viele andere Themen, immer mehr Regelungen und Auflagen und nicht zuletzt die Bürokratie erschweren den Bauern ihr Wirtschaften. Stürzer fordert seine Kollegen zu Solidarität und Aktion auf. Minsinger zum Beispiel engagiert sich. Auch er sieht das größte Problem der Landwirtschaft in ihrem geringen Stellenwert. "Das liegt an der Sattheit", so nennt der Milchbauer den Umstand, dass sich heute in Deutschland keiner mehr Gedanken um Ernährung machen müsse.

Der 64-Jährige hat bereits Rad-Touren durch seine Fluren angeboten, er empfängt Schulklassen und Kindergärten auf seinem Hof, um dem Nachwuchs die Milchwirtschaft näher zu bringen. Denn Bildung und Aufklärung, so sagt er, sei in diesem Zusammenhang wichtig. Nicht zuletzt, "damit die Kinder sehen, dass eine Kuh nicht lila ist."

© SZ vom 29.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: