Höhenkirchen-Siegertsbrunn:Was vom Regenbogen bleibt

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Regenbogen haben sie ihren Wohltätigkeitsverein genannt, als Regenbogenfrauen kennt sie jeder am Ort. (Foto: Angelika Bardehle)

25 Jahre haben Frauen in der Gemeinde Spenden für schwerkranke und behinderte Kinder gesammelt. Jetzt fehlt ihnen die Kraft dazu. Doch sie bleiben einander verbunden.

Von Sabine Oberpriller, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Wie viele Spenden sie gemeinsam gesammelt haben? Ein ruhiger Moment entsteht, der für die Runde eher untypisch ist. Der harte Kern der Gruppe besteht aus zehn Frauen, fünf haben für das Gespräch Zeit. Sie schauen sich nachdenklich an. Zwischen ihnen dampft Tee und Kaffee auf dem Ecktisch in Rosemarie Heinzls Haus, die Adventskerze gibt einen dünnen Rauchfaden ab. Sie wissen es nicht. Aber es sind Zigtausende Euro.

2015 ist das erste Jahr, in dem sie kein Geld gesammelt haben. Ein komisches Gefühl. Irmi Pauli kam damit nicht gut zurecht, dass der Alltag sofort alle eingefangen hat und sie voneinander zu entfernen drohte. Sie wollte nicht, dass die Freundschaften ihr entgleiten. Sie drängte darauf, einen Stammtisch einzuführen. Bald treffen sie sich. "Es war gut, dass du das so vorangetrieben hast", sagt Christine Langner an sie gewandt. Regenbogen haben sie ihren Wohltätigkeitsverein genannt, als Regenbogenfrauen kennt sie jeder am Ort.

Sie waren die Gruppe Mütter, die die Sonne anknipsten, wenn es schon lange geregnet hat, die für viele Kinder das Leben wieder ein Stück bunter gemacht haben. Und nicht nur für die Kinder: 25 Jahre lang haben sich ihre Spendensammlungen hauptsächlich auf zwei Aktionen im Jahr verteilt: den Flohmarkt und den Weihnachtsstand, fast ein Vierteljahrhundert fester Bestandteil im Kalender von Höhenkirchen-Siegertsbrunn, von den Bürgern erwartet, besucht und viel besprochen. Sie drängen sich in dicken Alben und Dankesfotobüchern im Regal in Heinzls Wohnstube.

Alles fing mit den Staubfängern im Keller an

Es klingt seltsam, wenn eine Spendenorganisation plötzlich einfach aufhört, wenn ein Verein sich auflöst, dessen einziger Zweck die Wohltätigkeit war. Aber eigentlich war diese Institution nur offizielles Gerüst für eine Gruppe, die das Nützliche mit dem Hilfreichen verbunden hat. Platz im Haus gegen Kinderlachen. Eine Win-Win-Situation, würde ein Wirtschaftler sagen. Alles begann damit, dass ein Haufen junger Frauen "Staubfänger aus dem Keller heraushaben wollte", wie Rosemarie Heinzl es ausdrückt. "Das ist das Schicksal sämtlicher Mitglieder von Ortsvereinen und noch mehr deren Frauen", sagt sie. "Irgendwann stehen zu Hause diese ganzen Sachpreise herum."

Die Gründerinnen vor 25 Jahren. (Foto: Angelika Bardehle)

Heinzls Kinder hatten gerade das Harlachinger Krankenhaus besucht, von ihnen wusste sie von einer Organisation, die dort Spenden brauchen konnte. Es folgten Ferienfreizeiten für behinderte Kinder, Bastelstunden, Sprachcomputer - oder die Erfüllung letzter Wünsche. Das Regenbogengeld kam ausschließlich schwerkranken oder behinderten Kindern zugute.

Umziehen kam nicht in Frage

So fand sich die vielleicht größte Freundinnenclique im Münchner Kreis. "Wir waren alle im gleichen Alter", sagt Christine Langner. "Fast alle hatten kleine Kinder. Ich bin neu hergezogen. Das hat alles gepasst. Ich war froh, Anschluss zu finden." Und Adelheid Däumling erzählt: "Irgendwann kam die Frage auf, ob wir wieder an den Bodensee ziehen. Aber dann hätte ich ja meine Mädels nicht mehr gehabt."

Zu sehen, was sie Gutes taten, das brauchten sie gar nicht. "Eine von uns war immer zu den Übergaben bei den Hilfsorganisationen", sagen sie. Das schon. Von den Organisationen kamen immer Karten, Bilder, Fotobücher, als Dank und Beweis, dass das Geld Freude brachte. Aber die wenigen Situationen, die haben sie vor allem mit Dankbarkeit erfüllt. "Einmal haben wir das Geld einem Clown gegeben, der im Schwabinger Krankenhaus für die Kinder zauberte", sagt Adelheid Däumling. Da war ein kleiner Bub in diesen roten Gummistiefeln, ohne Haare, hinter ihm stand der mobile Tropf. Er war ganz gebannt. "Jetzt habe ich den Trick verstanden", rief er. "Als ich heim kam, stritten meine beiden grade, aber genau darüber war ich froh, über unser Glück und unsere Gesundheit", sagt Däumling.

In kürzester Zeit hat sich der Flohmarkt zum Großevent entwickelt. "Wir haben den Leuten gesagt, dass sie ihre alten Sachen spenden können", erzählt Theresia Neumann. Das wurde zum Selbstläufer. Die Freigiebigkeit der Höhenkirchener und Siegertsbrunner sind mindestens so bekannt wie die Regenbogenfrauen. Haushaltsauflösungen, Entrümpelungsaktionen, Menschen, die fragten, ob sie auch dieses und jenes bringen könnten - ungefragt vor der Haustür abgestellte Kartons voll Gerümpel. Wochenlang trafen sich die Frauen spätabends, wenn die Kinder endlich im Bett waren, und sortierten.

300 Badeschwämme und ein Brustmassagegerät

Noch jetzt kichern die fünf, wenn sie erzählen: "Einmal mussten wir 300 Badeschwämme loswerden", sagt Langner, "überall hingen sie am Ende des Tages." - "Das Brustmassagegerät", fällt Neumann ein und alle platzen heraus. Es wurde verkauft. Musikgruppen spielten, es gab einen Sektausschank. Bis aus der Oberpfalz reisten die Verwandten an, um zu helfen, brachten Kuchen. "Wir hatten über 100 Kuchen an unserem Büffet", sagt Langner nicht ohne Stolz. "Das war schon legendär. Leute kamen und holten sich Kistenweise Kuchen für zu Hause."

Das ist jetzt vorbei. Den Flohmarkt gibt es schon seit Jahren nicht mehr. Und dieses Jahr auch keinen Weihnachtsmarktstand. Leicht fällt es ihnen nicht. "Als wir angefangen haben, waren zwei berufstätig und acht zu Hause, jetzt ist es anders herum", sagt Neumann. Es klingt wie eine Spurensuche nach Gründen. "Wir sind alle lädiert. Wir haben nicht mehr die Kraft, die Kisten zu wuchten", sagt Langner. "Die Kinder sind erwachsen, teils weggezogen, berufstätig, haben selbst Kinder." Keiner ist nachgerückt. Da gibt es einfach diese Clique von Freundinnen, die so lange geholfen haben, wie sie eben konnten.

© SZ vom 15.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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