Höhenkirchen-Siegertsbrunn:Ungewohnte Töne

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Sozialministerin Emilia Müller lobt in Höhenkirchen den Einsatz der Ehrenamtlichen bei der Betreuung von Flüchtlingen, schwört diese aber auch auf neue Herausforderungen ein. Die Christsoziale verspricht, sich persönlich einzusetzen - sie muss aber auch Kritik einstecken.

Von Martin Mühlfenzl, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Dass Emilia Müller einmal die Kontrolle über die eigenen Gesichtszüge verliert, kommt eher selten vor. Bayerns Sozialministerin ist nicht zuletzt als Verantwortliche für die Flüchtlingspolitik der Staatsregierung Einiges gewohnt - und auch das darf gesagt werden: Sie zeigt in dieser Funktion auch ein nicht zu vernachlässigendes Maß an Härte. Doch im Saal des Gasthofs Inselkammer in Höhenkirchen-Siegertsbrunn muss sich die Christsoziale für einen Moment stark zusammenreißen; streng wird ihr Blick, hart presst sie die Lippen aufeinander - denn das eben Gehörte ist schwer zu verdauen. "Dolmetscher, Essen und die Versorgung sind doch das wichtigste für die Asylbewerber", sagt einer der Gäste - und schiebt eine Forderung nach: "Wieso dann nicht auch Prostituierte, für 8,50 Euro Stundenlohn. Männer haben doch auch Bedürfnisse."

Als die Staatsministerin nach kurzer Zeit ihre Fassung wieder gewonnen hat, tut sie das einzig Richtige: Sie schweigt zu dem Vorschlag. Denn an diesem Abend gibt es tatsächlich Wichtiges zu besprechen. Emilia Müller ist der Einladung der CSU-Landtagsabgeordneten Kerstin Schreyer-Stäblein und des Höhenkirchener Ortsverbandvorsitzenden Roland Spingler gefolgt, um einerseits über die Flüchtlingspolitik der Staatsregierung zu berichten - und sich den Sorgen, Anregungen und Fragen der Bürger im Ort zu stellen. Und die kommen natürlich; und nicht alles, was die Ministerin zu hören bekommt, erfreut sie auch. Denn Müller ist in eine Gemeinde gekommen, die zwar als vorbildhaft in Sachen Aufnahme und Betreuung von Asylbewerbern gilt, aber auch mit zahlreichen Problemen zu kämpfen hatte und immer noch hat - und diese schildern vor allem die Ehrenamtlichen, die sich im Asylhelferkreis zusammengeschlossen haben. Franz Dielmann vom Asylhelferkreis Höhenkirchen etwa berichtet von den Problemen mit den Deutschkursen für Flüchtlinge. Viele hätten in den vergangenen Wochen ausfallen müssen, da die notwendigen finanziellen Mittel nicht bereit gestellt worden seien. Emilia Müller verspricht Abhilfe: "Das zuständige Bundesamt für Migration hatte zu Beginn des Jahres Geldprobleme. Das wird nun gelöst - ich werde mich da persönlich einsetzen." Immer wieder versucht die Sozialministerin an diesem Abend den persönlichen Kontakt herzustellen, lädt etwa Höhenkirchens Bürgermeisterin Ursula Mayer (CSU) zum Gespräch in den Landtag ein, geht detailliert auf Fragen ein - und lobt immer wieder das "Höhenkirchener Modell". "Sie leisten hier Erstaunliches. Sie liegen bei der Belegung über der vorgeschriebenen Quote - das ist nicht selbstverständlich", sagt Müller. "Das geht auch nur mit diesem tollen ehrenamtlichen Engagement." Ohnehin leiste der gesamte Landkreis Herausragendes bei der Flüchtlingsbetreuung, sagt die Ministerin; München und sein Speckgürtel müssten aufgrund der überproportionalen Wirtschaftskraft mehr Flüchtlinge aufnehmen als weniger prosperierende Teile Bayerns: "Das schafft natürlich Probleme. Vor allem beim Thema Wohnraum."

Höhenkirchen-Siegertsbrunn etwa geht bei der Unterbringung von anerkannten Flüchtlingen einen außergewöhnlichen Weg. Wohnraum ist knapp, daher hat die Gemeinde ein sogenanntes Wohnwagendorf für anerkannte Flüchtlinge errichtet. Gerade für diese Menschen hat Müller eine gute Nachricht parat: "Die anerkannten Flüchtlinge können künftig auch in ihrer Gemeinschaftsunterkunft bleiben. Damit wollen wir verhindern, dass sie obdachlos werden." Ein Zwischenruf macht deutlich, wie ernst die Lage für diese Menschen ist: "Daran werden wir Sie messen."

Emilia Müller hat einen Wandel hinter sich: Die Bayerische Sozialministerin pflegt in der Flüchtlingspolitik nicht mehr die ganz scharfen Worte. (Foto: Angelika Bardehle)

Doch es sind auch die Probleme des Alltags, die die Helfer umtreiben: Fehlende Dolmetscher in den Ämtern, schlechter Service in denselben und oft auch schlechte Behandlung bei Behördengängen. Vergünstigte MVV-Karten, die aber erst ab 9 Uhr morgens gültig sind - viele Deutschkurse in der Landeshauptstadt beginnen aber schon am frühen Morgen. Müller verspricht sich einzusetzen: "Wenden Sie sich persönlich an mich, ich werde mit ihrem Landrat sprechen."

Die Ministerin schlägt mittlerweile sanfte, mitfühlende Töne an. Doch sie kann auch Härte zeigen - vor allem, wenn es um die vielen Kosovaren geht, die in den vergangenen Wochen in den Freistaat gekommen sind: "Wir müssen diesen Menschen klar sagen, ich könnt hier nicht bleiben. Es gibt für euch kein Aufenthaltsrecht." Sie schwört die Bürger aber auch auf die Herausforderungen des neuen Jahres ein: "Der Strom an Flüchtlingen wird noch einmal zunehmen. Wir haben seit Oktober, seit den Missständen in der Bayernkaserne, viel auf den Weg gebracht." Mehr als 45 000 Flüchtlinge, die vorsichtigen Schätzungen nach für dieses Jahr alleine für Bayern prognostiziert werden, machen aber noch größere Anstrengungen notwendig: "Das geht nur mit Ihnen als Helfern am Ort." Und nur mit sinnvollen Vorschlägen.

© SZ vom 06.03.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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