Jodelkurs:Ruf der Berge

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Schon am frühen Morgen stimmt Jodellehrer Erich Sepp - nicht weit von Alp- und Zugspitze - das erste Lied an. (Foto: Frederick Mersi)

Erich Sepp aus Siegertsbrunn begeistert Menschen auf Wanderungen fürs Jodeln. Dabei geht es längst nicht so trocken zu wie bei Loriot.

Von Frederick Mersi, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Hollywood-Schauspieler Brad Pitt tut es, Torwartlegende Sepp Maier hat es mit Florian Silbereisen getan und Moderator Markus Lanz es zumindest versucht: das Jodeln. Beim gebürtigen Mannheimer Karl-Heinz Wehe dagegen fiel eine erste Reaktion ziemlich verhalten aus: "Hä? Ich gehe doch jetzt nicht wandern und rumjodeln!"

Seine Frau hatte in ihrem Yogakurs von der Jodelwanderung des Siegertsbrunners Erich Sepp gehört und gefragt, ob er nicht auch teilnehmen wolle. Wehe wohnt seit einiger Zeit im Münchner Stadtteil Neuhausen und hat mit dem Jodeln, so erzählt er, gar nichts am Hut. Doch ein sonniger Sonntagvormittag in Garmisch-Partenkirchen soll daran einiges ändern.

Bereits um 9 Uhr morgens treffen sich die Teilnehmer der Gruppe auf einem Parkplatz mit Sicht auf Alp- und Zugspitze. "In der Früh ist's doch am schönsten. Da ist die Natur noch unverbraucht", merkt Franziska Gern an, eine echte Jodelveteranin, die schon im vergangenen Jahr mit mehr als 70 anderen Interessierten an einer von Sepps Wanderungen teilgenommen hat. Dieses Mal sind wegen der recht kurzfristigen Terminplanung nur knapp 40 Interessierte dem Angebot des ehemaligen Heimatpflegers des Landkreises München gefolgt, in der Mehrheit Frauen. "Da sieht man mal, wie bequem die Männer sind", sagt Franziska Gern und lacht.

Sepp singt vor, die Gruppe singt nach

Als sich der Tross in Bewegung setzt, geht es zunächst nur ein paar Meter weit bis zu einem Kneippbecken. Dort wird auch schon das erste Jodellied angestimmt: "Lustig sans, d'Wiesmahdleut" aus dem nahegelegenen Mittenwald. "Es geht in dem Text darum, in der Früh mit der Sense das frische Gras zu mähen", erläutert Erich Sepp. Anders als in Loriots Jodelschule wird hier nicht gefragt, in welcher Reihenfolge die Silben gesungen werden müssen. Sepp singt vor, die Gruppe singt nach.

Drei Strophen hat das erste Jodellied und die Wanderer schlagen sich beachtlich. "Das war schon ganz gut, aber noch viel zu schnell", merkt Sepp in ruhigem Ton an. "98 Prozent" aller Jodellieder seien, entgegen der "landläufigen Meinung", getragen und ruhig, erklärt Jodelwanderführer Sepp später. Im zweiten Versuch am Kneippbecken klappt es dann auch schon mit Ober- und Unterstimme sehr ordentlich. Viele Wanderer haben im inzwischen äußerst beliebten Jodelkurs des Siegertsbrunners an der Volkshochschule in München ihr Jodelhandwerk erlernt.

Jodellehrer Erich Sepp singt "Lustig sans, d'Wiesmahdleut". (Foto: privat)

Hatten die Organisatoren die maximale Teilnehmerzahl ursprünglich auf 16 festgesetzt, liegt sie nun bei stolzen 40. Am Anmeldetag ist der Kurs meist schon ausgebucht. Daher musste die Gruppe in einen Werkraum umziehen, wo die Akustik alles andere als ideal ist und es kaum Sitzmöglichkeiten gibt. Das hält die Sänger jedoch nicht ab. Wird das Jodeln gerade wiederentdeckt?

"Man darf keine Komplexe haben. Jodeln Sie einfach drauf los"

Auf die Frage, ob er Ratschläge für die Jodelanfänger in der Gruppe habe, antwortet Sepp nur: "Man darf keine Komplexe haben. Jodeln Sie einfach drauf los." Seine Frau Ingrid betont, dass es genau diese Einfachheit sei, die das Jodeln ausmache: "Das Schöne ist, dass man keinen Text braucht. Ich mache das einfach so, wie es mir passt." Wenn man in einer Gruppe jodle, sei es natürlich dennoch wichtig, dass alle die gleichen Silben benutzten. Daher hat Erich Sepp auch Liedblätter als Hilfestellung für Anfänger dabei, deren Zeilen sich teilweise wiederum wie bei Loriot lesen: "Hul je ei jo i ri ei je ei jo i ri".

Allerdings fällt das Singen der Silben schnell leichter als das Lesen. Die meisten Anfänger verlieren bald ihre Zurückhaltung, stimmen selbstbewusst in die Lieder aus der Steiermark, aus Mittenwald und aus Tirol ein. Das Jodeln passt im wahrsten Sinne des Wortes auch perfekt ins Bild: Vom Wanderweg aus bieten sich tolle Ausblicke auf die Stadt Garmisch-Patenkirchen, die Alp- und die Zugspitze sowie die Wettersteinwand. Wer sich hier nicht zum Jodeln durchringen kann, wird es im Münchner Flachland sicher nicht einfacher haben. "Das ist eine total entspannte Stimmung hier", zeigt sich Teilnehmerin Barbara Lenzen begeistert. Erich Sepp sei "wirklich ein toller Jodellehrer".

Die Teilnehmer sind begeistert und der Bayerische Rundfunk filmt. (Foto: privat)

Davon ist kurz vor der Einkehr am Berggasthof Pflegersee auch Jörg Brigge überzeugt. Der Aufnahmeleiter und sein Team filmen die Wandergruppe für "Bayern Feiern", eine Sendung des Bayerischen Rundfunks. Vor der Kulisse des Pflegersees muss er Erich Sepp sogar darum bitten, einen schwierigeren Jodler anzustimmen, "damit das nicht alles so perfekt klingt".

Fernsehauftritte ist Erich Sepp gewohnt

Sepp ist Fernsehauftritte bereits gewohnt: In Aying habe er einmal eine halbe Stunde mit einem russischen TV-Moderator vor der Kamera gejodelt, berichtet er. Dagegen wirkt der Bayerische Rundfunk reichlich unspektakulär. Routiniert erklärt Sepp vor der Kamera, wie das Jodeln als Verständigungsruf für Hirten entstanden und später zur Kunstform geworden ist. "Man muss dabei an die Grenzen seiner Stimme gehen", merkt er an.

Das funktioniert vor der Kamera hervorragend, weshalb hinterher begeisterte Juchzer ausgestoßen werden. Nach einem ausführlichen Mittagessen macht man sich auf den Rückweg. Noch zweimal wird gejodelt, dann muss Erich Sepp eine Abkürzung zum Kurpark nehmen: Dort bietet er bei der der Veranstaltung "Volksmusik im Park" zwei Jodelkurse für Besucher an. Auch dort wird gefilmt und schnell gesellen sich rund ein Dutzend Schaulustige zu den interessierten Besuchern.

Nicht nur der Kurpfälzer Karl-Heinz Wehe ist daher am Ende des Tages begeistert vom Jodeln und Wandern: "Ich finde das klasse, wenn Heimatkultur so gepflegt wird." Die Bayern hätten häufig das Image "grantlig" zu sein, aber "das habe ich so überhaupt nicht erlebt". Offenheit sei etwas Wichtiges. Und das Jodeln? "Das Jodeln verbindet einfach", freut sich Wehe. Egal, ob man auch einmal aus Versehen ein "djo" statt einem "roo" singt.

Die Filmaufnahmen werden am Freitag, 14. August, um 19.45 Uhr in der Sendung "Bayern Feiern" des Bayerischen Rundfunk ausgestrahlt.

© SZ vom 18.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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