Höhenkirchen-Siegertsbrunn:Lieber Spaß als Frust

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Wohin mit den Kindern am schulfreien Buß- und Bettag? Viele Kirchen, Sportvereine und Firmen bieten berufstätigen Eltern ein Betreuungsprogramm

Von Patrik Stäbler, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

"Keine Ferien vor dem iPad!" Mit diesem Slogan wird der Arbeitskreis "Kind und Familie" am Dienstag an seinem Stand bei der Bürgerversammlung in Höhenkirchen-Siegertsbrunn für seine Arbeit werben. Dort wird auch Anja Kubessa stehen, die sich innerhalb dieser Gruppe von ehrenamtlich engagierten Bürgern federführend um den Bereich Ferienbetreuung kümmert. Die zweifache Mutter wird berufstätigen Eltern aus Höhenkirchen-Siegertsbrunn erläutern, wohin sie sich wenden können, wenn sie während der schulfreien Zeit eine Betreuung für ihre Kinder suchen - und diese nicht daheim vor dem Bildschirm parken wollen. Wobei Anja Kubessa genau das womöglich anderntags selbst tun wird. Denn am Mittwoch bleibt ihr Sohn alleine zu Hause. Während sie und ihr Mann in die Arbeit gehen, hat der 14-Jährige - wie alle Kinder in Bayern - wegen Buß- und Bettag schulfrei. "Und da kann es natürlich sein, dass er daheim vor dem Handy hängt", sagt die Mutter.

Seit 1995 ist der evangelische Feiertag für viele Eltern ein Frusttag. Seinerzeit wurde der Mittwoch vor dem letzten Sonntag im Kirchenjahr als gesetzlicher Feiertag gestrichen - zur Finanzierung der Pflegeversicherung. Seither ist der Buß- und Bettag nur noch in Sachsen arbeitsfrei. Bayern ist dagegen das einzige Bundesland, in dem nur die Schüler an diesem Tag weiter frei haben, was viele berufstätige Eltern in eine Zwickmühle bringt, zumal auch etliche Kitas und Horte geschlossen bleiben.

"Jedes Jahr müssen sich die Eltern irgendeine Betreuung aus den Rippen schneiden", sagt Anja Kubessa. Sie bezeichnet die Kombination aus schul-, aber nicht arbeitsfrei als "maximal unglücklich" und "nicht mehr zeitgemäß". In seiner jetzigen Form gehe der Buß- und Bettag "in neunzig Prozent der Fälle zu Lasten der arbeitenden Mutter", glaubt Kubessa. "In meinem Bekanntenkreis nehmen die meisten an diesem Tag frei." Sie selbst wird am Mittwoch arbeiten; ihr älterer Sohn bleibt derweil daheim, der jüngere, siebenjährige geht in die Kreuz-Christi-Kirche. Dort findet von 9 bis 14 Uhr ein Kinderbibeltag statt - "so weit ich weiß, ist das die einzige Betreuung bei uns im Ort", sagt Kubessa. Ähnliche Angebote gibt es an mehreren Kirchen im Landkreis, so in Garching, wo am Mittwoch von 9.30 bis 13 Uhr die ökumenische Kinderbibelwoche beginnt. Mit mehr als hundert Grundschülern rechnet Organisatorin Hilde Weidendorfer, die jedoch betont: "Unsere Kinderbibelwoche ist keine Bespaßungsveranstaltung, wo man die Kinder mal eben abgeben kann. Uns geht es hier schon darum, den christlichen Glauben zu vermitteln." In Unterhaching steht der Buß- und Bettag unterdessen für viele Kinder im Zeichen des Sports. So bietet der TSV ein Betreuungsangebot für Erst- bis Sechstklässler in der Halle am Utzweg an.

"Das ist eine geniale Gelegenheit für die Kinder, sich mal richtig auszutoben", sagt Leiterin Katharina Winkler. Der Sporttag richtet sich an Sechs- bis Zwölfjährige, die von 8 bis 17 Uhr betreut werden. Anders als bei den Angeboten der Kirchen müssen die Eltern hier jedoch in die Tasche greifen - inklusive Mittagessen liegen die Kosten bei 49 Euro. Deutlich günstiger ist da der Ausflug, den die Ferienpädagogik Kirchheim des Kreisjugendrings (KJR) München-Land zum Indoorspielplatz Erdino nach Erding unternimmt. 15 Euro zahlt hier jeder Teilnehmer; rund hundert Kinder hätten sich angemeldet, sagt Nina Dietmann. "Wir bieten seit mehreren Jahren eine Ferienbetreuung am Buß- und Bettag an, weil das von den Eltern sehr gewünscht wird."

Kein Wunder, schließlich sind im Landkreis München mit seinen hohen Lebenshaltungskosten immer häufiger beide Elternteile berufstätig. Sie müssen bei der Betreuung ihrer Schulkinder bereits 14 Wochen Ferien im Jahr abdecken - der Buß- und Bettag komme da "sozusagen als i-Tüpfelchen noch drauf", findet Anja Kubessa aus Höhenkirchen-Siegertsbrunn. "Ausgerechnet in einer Zeit, in der viele Mütter eh schon untergehen, weil sie Adventskalender vorbereiten, Weihnachtsgeschenke kaufen und zig Weihnachtsfeiern anstehen, muss man dann auch noch einen Tag daheim bleiben." Die Nöte der Eltern haben auch viele Arbeitgeber erkannt; vor allem größere Firmen und Behörden bieten daher inzwischen ein eigenes Programm für die Kinder ihrer Beschäftigten an. So fährt die Allianz in Unterföhring am Mittwoch mit 300 Mitarbeiterkindern zur Fröttmaninger Arena, wo auf sie ein Tag zum Thema Fußball wartet. Und nur einen Steinwurf davon entfernt werden 95 Kinder von Beschäftigten des Landratsamts die Pferde-Erlebniswelt Equilaland besuchen. Solche Ausflugsziele lassen dann wohl tatsächlich einen Hauch von Feriengefühl bei den Schülern aufkommen - und das ganz ohne iPad.

© SZ vom 19.11.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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