Höhenkirchen-Siegertsbrunn:Instrument zur Lobpreisung

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Musikerin aus Leidenschaft: Ingrid Oppermann spielt seit Jahrzehnten Orgel. (Foto: Angelika Bardehle)

Nach mehr als 30 Jahren als Organistin der evangelischen Kreuz-Christi-Kirche gibt Ingrid Oppermann am Sonntag ihr Abschiedskonzert in Höhenkirchen. Der Musik bleibt die 84-Jährige freilich zutiefst verbunden

Von Antonia Hofmann, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Ingrid Oppermanns Finger tanzen über die Tasten. Mit den Füßen tritt sie von einer Pedale auf die nächste, vor ihr liegen Noten von Bach und Buxtehude. Imposante Orgelklänge durchdringen den Raum. Der Klang will nicht so recht in das kleine Arbeitszimmer im ersten Stock des Reihenhauses in Berg am Laim passen.

Vor Jahren holte sie sich eine digitale Orgel ins Haus, um hier für Gottesdienste zu üben. "Ich bin eine ganz kleine Ameise am Orgelhimmel", will die 84-Jährige von vornherein klarstellen.

Probleme am Auge machen ihr zu schaffen

Und doch zeigt die Mutter, Großmutter, Ehefrau und ehemalige OP-Krankenschwester jedes Jahr während unzähliger Gottesdienste, bei Hochzeiten, Taufen und Trauerfeiern in und um München ihr Können.

In Höhenkirchen ist sie seit mehr als 30 Jahren Organistin der evangelischen Kreuz-Christi-Kirche. Nun hat Oppermann ihren Vertrag dort aber gekündigt. An diesem Sonntag wird sie ihr offiziell letztes Orgelspiel geben.

Denn Oppermann will kürzer treten. Altersbedingt, sagt sie. Probleme am Auge erschwerten das Orgelspiel. Aushelfen wird sie in Höhenkirchen weiterhin, nur eben seltener und nicht mehr vertraglich gebunden.

"Als OP-Schwester muss man im OP stehen, wenn der Unfall kommt" - würde einer der Kollegen an der Orgel ausfallen, wird Oppermann auch dann zur Stelle sein. Ihr Leben lang engagierte sich die gebürtige Berlinerin ehrenamtlich in der Kirche. Auch die Begeisterung für die Musik kam früh.

Im Elternhaus in Pankow wurde immer musiziert

In Oppermanns Elternhaus in Pankow, Ost-Berlin, spielte der Vater jeden Abend Bach und Beethoven auf dem Flügel. Oppermann wuchs selbst zur leidenschaftlichen Klavierspielerin heran, später kam die Orgel hinzu - 40 Jahre ist das mittlerweile her.

Die Kinder waren damals vormittags aus dem Haus und Oppermann hatte Zeit. "Eine Stunde im Monat könnte ich mir doch leisten von meinem Wirtschaftsgeld", habe sie sich gedacht. Nach vier Jahren absolvierte Oppermann die D-Prüfung, die unterste Prüfung der Kirchenmusik.

Sopran und Alt spiele man mit der rechten, Tenor mit der linken Hand, Bass im Pedal, erklärt Oppermann die Handhabe des Instruments. Das Besondere an der Orgel seien ihre "verschiedenen Klangfarben". Außerdem sei jede von ihnen anders gebaut, ein Unikat, sagt Oppermann. "Jede Orgel ist ein Geheimnis."

Freude an der Musik, Energie und Ausdauer müsse ein Organist mitbringen, meint sie. Vor allem aber Konzentrationsvermögen. "Wenn ich an etwas anderes denke, geht alles schief."

"Perfektion ist nicht möglich."

Oppermann erinnert sich an einen Gottesdienst in Höhenkirchen - nur für einen kurzen Augenblick ließ sie sich damals vom Klirren der Münzen im Sammelkorb ablenken und kam prompt aus dem Konzept. Später stand sie am Bahnsteig und habe "geheult und gedacht: ich schmeiß' hin". Heute weiß Oppermann: "Perfektion ist nicht möglich." Erst als ihr klar wurde, dass auch Profimusikern wie Pianist und Dirigent Daniel Barenboim Fehler passieren, beschloss Oppermann: "Dann darf auch ich kleine Organistin Fehler machen."

Oppermanns größte Motivation bleibt ihr tiefer Glaube. Mit der Orgel könne sie Gott loben "für mein Leben und die Momente, in denen er mich beschützt hat". Und das seien viele gewesen, sagt die 84-Jährige. Sie habe "zwei Diktaturen erlebt". Steht keine Orgel in Oppermanns Nähe, fehlt ihr etwas. "Im Urlaub bin ich todunglücklich", erzählt sie. In Usedom oder Südtirol spazierte sie in Kirchen, um etwas spielen zu können. Nachts, wenn Oppermann nicht schlafen kann, dreht sie den Knopf ganz leise und setzt sich an die Orgel im kleinen Zimmer ihres Hauses.

Ganz leicht scheint ihr der Abschied aus Höhenkirchen nun nicht zu fallen. "In der Kreuz-Christi-Kirche fühle ich mich jetzt wirklich zu Hause", sagt sie. Und solange sie auf die Empore komme, wolle sie dort spielen. "Meine Schlüssel würde ich gerne behalten", sagt Oppermann und lächelt. Jetzt will sie erst einmal neue Werke einüben und die bekannten Stücke intensivieren. Die neu gewonnene Freizeit gehört natürlich ihrer großen Leidenschaft - der Musik.

Abschiedskonzert am Sonntag, 22. Januar, 10 Uhr, Kreuz-Christi-Kirche , Höhenkirchen.

© SZ vom 21.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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