Höhenkirchen-Siegertsbrunn:Halle-luja

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Dirigent Michael Merl dirigierte, als stünde er mit Chor und Orchester nicht in einer Mehrzweckhalle, sondern in einem Konzertsaal. (Foto: Claus Schunk)

Das Leonhardi-Ensemble trotzt in Höhenkirchen-Siegertsbrunn tapfer der miserablen Akustik und der spröden Atmosphäre des Auftrittortes

Von Cathrin Schmiegel, Höhenkirchen-Siegertsbrunn

Edward Elgar hatte die schönsten Flecken im Kopf als er mit "From The Bavarian Highlands" die Gedichte seiner Frau als Ode an das Alpenland vertonte. Mit Sicherheit - davon ist auszugehen - hatte er keine klassische Turnhalle im Sinn: mit PVC- statt Moosboden und holzvertäfelten Wänden statt verschneitem Bergpanorama. Das Leonhardi-Ensemble aber wagte es und brachte eben jene Stücke und etliche andere am Wochenende in der Mehrzweckhalle in Höhenkirchen-Siegertsbrunn zur Aufführung. Ein heikles Konzept, das - auch davon ist auszugehen - dem Mangel an besseren Aufführungsorten geschuldet war.

Das Motto des Abends: "Land schafft Musik - schottisch - britisch - bayerisch". Ein wenig schwer fiel es, sich in die besungenen oder in der zweiten Hälfte bespielten Landschaften zu träumen. Die samtschwarze Abendgarderobe der Musiker biss sich mit dem hellen Holz der Wände, die Basketballkörbe über den Köpfen der Zuhörer fingen die potenziell euphorische Stimmung ein. Die grünen Bäume wenigstens mussten sich die Zuhörer nicht ausdenken, die sah man durch die Glasfassade. Sie ließ aber Sonnenstrahlen herein. So war die Halle derart aufgeheizt, das die meisten der fast 400 Anwesenden unbehaglich auf ihren schlichten Stühlen hin und her rutschten. Die Halle schluckte den Bass der Männer. Der glasklare Sopran der Frauen im Großen Chor durchschnitt die meterdicke Luft jedoch. Klar ist: Die miserable Akustik in der Halle darf nicht den Musikern angelastet werden.

Anke Schäfer gelang als Solistin der süße Klang, den sie in "Amazing Grace" selbst besang ganz großartig. Ihre leicht belegte Stimme, sicherlich der stickigen Luft anzulasten, verlieh dem Titel sogar eine neue, sehr charmante Note und nahm ihm das pappig Pathetische. Wer nach "Lullaby", dem dritten Lied aus Elgars Zyklus, spontan der Idee verfiel, die Augen zu schließen, wurde bei "Aspiration" von der Stimmgewalt des Chores positiv überrascht. Die im Gedicht erwähnten, verschneiten Bergspitzen waren plötzlich nicht mehr weit weg. Nur nach kühlen Temperaturen sehnte man sich vergeblich.

Nach der Pause und bitternötiger Erfrischung waren die Chor-Sänger verschwunden, sie hatten Platz gemacht für das fast 50-köpfige Orchester. Nur Michael Merl blieb auf der Bühne, der auch jetzt so leidenschaftlich und gelungen dirigierte, als stünde er nicht in einer Mehrzweckhalle, sondern in einem Konzertsaal. Auf dem Programm standen die ersten vier Sätze aus Felix Mendelssohn-Bartholdys dritter Sinfonie, der "Schottischen". Seine Liebe für die Landschaft hat der Komponist 1829 bei seiner Reise nach England und Schottland entdeckt und das Panorama in seiner Klangsprache nachgemalt. Es sei gesagt: Dem Orchester gelang das am Wochenende trotz Turnhallen-Ambientes auch.

Die Konzertmeisterin Corinna Schröder entwickelte an der Ersten Violine einen Spannungsbogen. Ohne merkliche Fehler stimmten die übrigen Instrumentalisten ein, spielten den zweiten Satz wie gewollt perfekt "vivace non troppo". Die Sonne senkte sich - endlich - herab. Die Halle wurde kühler, der Kopfschmerz leichter. Das orangefarbene Licht umrahmte den fast festlichen Klang. Mitten im vierten Satz neckten sich virtuos die beiden Querflöten; Bläser und Streicher gingen einen spannenden Dialog ein. Die Spieler gestalteten die Tempi überzeugend, und bei allem Temperament ließ sich keiner zu unangemessenem Fortissimo hinreißen.

Auch ein schlafendes Kind in den vorderen Reihen rüttelte das Orchester wach, als der Chor für die Zugabe (Hubert Parrys "Jerusalem") noch einmal für eine gemeinsame Interpretation auf die Bühne kam. Eine schlichte Mehrzweckhalle hat selten ein so schönes Konzert zu hören bekommen - auch davon ist auszugehen.

© SZ vom 12.05.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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