Haar:Wieder im Notfallmodus

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Am Ernst-Mach-Gymnasium fällt jetzt der Sportunterricht aus. (Foto: Claus Schunk)

Der Landkreis belegt die Sportstätten der Jagdfeldschulen in Haar mit 300 Flüchtlingen. Auch das Hallenbad wird für die Bevölkerung gesperrt. Als Grund werden Schwierigkeiten bei den Traglufthallen angeführt

Von Bernhard Lohr, Haar

Der Landkreis sieht sich bei der Unterbringung von Flüchtlingen wieder gezwungen, Notmaßnahmen zu ergreifen. Die Dreifachturnhalle der Jagdfeldschulen in Haar soll als vorübergehende Unterkunft für Flüchtlinge genutzt werden. Sie wird bereits für die Unterbringung von 300 Personen vorbereitet. Außerdem werden die angrenzende Gymnastikhalle und das Hallenbad geschlossen, weil die Sanitäreinrichtungen benötigt werden. Für 1000 Schüler des Ernst-Mach-Gymnasiums (EMG) sowie 500 Grundschüler fällt der Sportunterricht weitgehend aus. Landrat Christoph Göbel (CSU) sagte am Donnerstag, "wir werden den Modus ändern müssen; der Druck ist zu hoch. Es werden wieder vermehrt Turnhallen belegt".

Der Landkreis hat bereits in der Vergangenheit die Marschroute ändern müssen und unter anderem Turnhallen in Pullach, Ottobrunn und Kirchheim belegt. Im Zuge des Notfallplans des Freistaats bezogen Flüchtlinge auch eine Turnhalle in Taufkirchen. All das waren Lösungen, um Spitzen abzudecken und auf absehbare Zeit den Ankommenden ein Dach zu bieten. Die Zusage, die Hallen wieder zu räumen, ging einher mit dem Aufbau von Traglufthallen für jeweils bis zu 300 Personen. Soeben erst wurde in Oberhaching eine solche aufgestellt. Doch der Kreis kommt bei den provisorischen Quartieren nicht im erwünschten Tempo voran. Der Aufbau der Hallen, die über den Landkreis verteilt vorgesehen sind, verzögere sich wegen Lieferschwierigkeiten der Sanitäranlagen, teilt das Landratsamt mit. Die nächsten dieser Hallen würden im Laufe des Herbstes in Grünwald und Unterföhring errichtet.

Deswegen müssen erneut Turnhallen genutzt werden. Landrat Göbel sagte, die Schulturnhallen würden aber nicht dauerhaft belegt. Es werde ein Wechsel zwischen den Kommunen stattfinden. Alle Gemeinden und Städte müssen gleichermaßen belastet werden. Flüchtlinge sollten maximal drei Monate in einer Turnhalle unterkommen müssen, sagte Göbel.

Dass die Dreifachturnhalle am Jagdfeldring zum Notquartier wird, hat die Gemeinde am Mittwoch erfahren. Nahezu zeitgleich standen beim Hausmeister der Schule die Lieferanten mit Mobiliar vor der Tür. Voraussichtlich kommenden Mittwoch werden die ersten Flüchtlinge einziehen. Ein Caterer wird die Menschen mit Essen versorgen, das Landratsamt sagte zu, dass Betreuer dann rund um die Uhr als Ansprechpartner zur Verfügung stehen würden. Die Sozialbetreuung des Landkreises werde sich um die Belange der Menschen kümmern. Wöchentlich muss der Landkreis derzeit 90 Asylsuchende aufnehmen. Tendenz, sagt Göbel, steigend.

Die Gemeinde Haar, die Schulen und die Sportvereine stehen von einem Tag auf den anderen vor einer neuen Situation. "Es steht außer Frage, dass wir den Flüchtlingen helfen müssen", sagte Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD), "aber diese Hauruck-Aktion setzt uns schon gewaltig unter Druck". Sie hätte erwartet, dass die Schulen "eine kleine Mindestzeit" erhielten, um sich auf die Situation einzustellen". Ausgleich für ausfallende Sportstunden sei schwer zu organisieren, aber gerade bei Schülern, die im Fach Sport Abitur machen wollen, unverzichtbar. Der Geschäftsführer des Sportparks Haar-Eglfing, Oliver Eberle, der auch die Hallenbelegung im Jagdfeld organisiert, sagte, "der Großteil der Stunden wird ausfallen müssen. Damit das Abitur nicht gefährdet wird, haben wir auf die Schnelle eine Lösung für die Abi-Klassen gefunden". Nämlich im Sportpark. Für den restlichen Schuls- und Vereinssport werde dies nicht gelingen.

Freie Sportflächen gibt es in Haar kaum noch. Seit Juni ist die Turnhalle der Volkshochschule mit 65 Männern besetzt. Die zugesagte Verlegung der Flüchtlinge verzögert sich seit Wochen. Eine als Abschiedsfest deklarierte Feier wurde zuletzt kurzerhand in ein Nachbarschaftsfest umbenannt. Nun besteht Aussicht, dass die Gemeinde diese Halle bald wieder nutzen kann. Wie es aus dem Rathaus heißt, ordnete Landrat Göbel am Donnerstag auf Drängen von Müller an, die VHS-Halle schnellstmöglich zu räumen. Müller zeigte sich erleichtert. "Die Belastungsgrenzen sind erreicht. Die Männer sitzen ohne Beschäftigung seit Monaten aufeinander." Müller übte leise Kritik an der Informationspolitik. Die Gemeinde sollte ihrer Meinung nach früher ins Bild gesetzt werden.

Der Helferkreis hätte sich bei der Betreuung der 65 Männer ganz anders einbringen können, wenn man gewusst hätten, wie lange diese blieben, sagte sie. Zuständig für die Unterbringung der Flüchtlinge und die Infrastruktur ist in der VHS-Halle und in der Dreifachturnhalle das Landratsamt. "Aber das ist die reine Theorie", sagte Müller. Sie habe Hochachtung vor der Leistung des Landratsamts. Aber auch das kommunale und ehrenamtliche Netzwerk sei gefordert. "Nur wenn wir uns vor Ort um die Menschen und auch um die kleinen Dinge kümmern, gelingt die Integration."

© SZ vom 09.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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