Haar:Wege aus dem tiefen Loch

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Die Not der Jugendlichen in der Krise soll mehr beachtet werden. (Foto: Imago)

Forum der Haarer SPD greift Corona-Nöte von Jugendlichen, Senioren und Familien auf

Von Magdalena Scheck, Haar

"Ich hing in einem ganz tiefen Loch im letzten Lockdown. Kein Ende in Sicht. Ich hatte nicht mehr diesen Drive wie früher. Ich konnte nicht mehr. Ich fand alles furchtbar", erzählt Nina Jaksch aus persönlicher Erfahrung. Dann hat sie realisiert: Ja - die Pandemie ist schlimm, doch einfach zu Hause rumsitzen und nichts tun ist keine Lösung. Es muss ein Weg gefunden werden, damit umzugehen und die Situation zu verbessern. Für sich selbst und für die Gemeinschaft.

Dafür sind Eltern, Politiker und Politikerinnen sowie Vertreter und Vertreterinnen verschiedener Haarer Institutionen und Vereine am Freitagabend zu einer Diskussion in einer von der SPD organisierten Zoom-Konferenz zusammengekommen. Franz Meier-Dini vom Jugendkulturhaus Route 66 machte darauf aufmerksam, dass "der Stellenwert der Jugend momentan in allen Bereichen ganz hinten ist". Die Jugendlichen würden in der aktuellen Lage wenig beachtet. In der Pandemie werde im öffentlichen Diskurs eher von Kindern und Schülern gesprochen. Doch der Bedarf der Jugendlichen, Hilfe zu erhalten, sei größer denn je, sagte Daniel Lais vom Kirchlichen Jugendzentrum (KJZ). Jugendliche suchten über WhatsApp oder die Sozialen Medien den Kontakt zu den Jugendhäusern, hätten Bedarf nach Gesprächen, was in Form von Eins-zu-eins-Fenstergesprächen oder Spaziergängen ermöglicht werde.

Themen, die die Jugendlichen beschäftigen sind vor allem Vereinsamung, Zukunftsängste und die Schule, sagte Meier-Dini. Einige hätten ihre Ausbildungsstellen verloren und benötigten Hilfe beim Schreiben von Bewerbungen, so Lais. Doch aufgrund der Pandemie-Maßnahmen können solche Beratungen nur einzeln angeboten werden. Vier bis Sieben Jugendliche bekommen beispielsweise im Jugendtreff Dino täglich Betreuung. Die Terminierung erfordert eine exakte zeitliche Koordination und oft müssen auch Jugendliche abgewiesen werden: "Das fällt mir schwer", sagte Daniel Lais vom KJZ, denn "unsere Arbeit ist Beziehungsarbeit." Die Jugend soll in dieser Zeit sichtbarer werden. Dafür soll es am 11. März eine Plakataktion der Kampagne "Stimme der Jugend" des Kreisjugendrings München-Land geben, erzählte Daniel Haag vom Jugendtreff Dino. Für die Zeit nach dem Lockdown planen die Jugendhäuser schon. Der Jugendtreff Dino will Outdoor-Events wie beispielsweise Torwandschießen, Open-Air-Kino oder Konzerte organisieren. Das Route 66 arbeitet an einem Ferienprogramm.

Der Vorsitzende des Seniorenclubs Georg Obermeier sagte: "Wir können gar nichts mehr machen." Normalerweise träfen sich im Club mehrere 100 Haarer und Haarerinnen regelmäßig zu bis zu 25 verschiedenen Aktivitäten, doch durch die Maßnahmen der Pandemie und die dadurch verursachten Ängste sähen sich die Mitglieder nicht mehr. Es fehle der gleichaltrige Kontakt, sagte Obermeier. Online-Treffen als Ersatz gibt es nicht. Laut dem Vorsitzenden, sind schätzungsweise 95 Prozent der Mitglieder nicht ausreichend mit den neuen Medien vertraut. Durch weitere Brief- und Mal-Aktionen soll den Senioren in der nächsten Zeit zumindest mit Abstand ein wenig Freude bereitet werden.

Oft sind es die kleinen Gesten, die berühren, erzählte eine Mutter: "Meine Tochter hat zum Schulstart eine Urkunde bekommen, die ihr bescheinigte, wie viele Tage sie es geschafft hatte, alleine zu Hause zu lernen. Du kannst stolz auf dich sein, hieß es auf der Urkunde. Meine Tochter hat das so gerührt. Und ich habe mir gedacht, ich hätte auch gerne mal gesagt: Das machst du toll!" Auch Nina Jaksch sagte: "Wir müssen Eltern stärker machen." Denn Eltern stünden im Lockdown oft in einem "Spannungsfeld", müssten Arbeit und Kinderbetreuung gleichzeitig schaffen und sich oft rechtfertigen, wenn sie ihre Kinder in die Notbetreuung der Kitas schickten. "Not ist für jeden etwas anderes", sagte eine weitere Mutter, "man kann von außen nicht beurteilen, wie es den Eltern geht. Es ist alles eine Frage der Perspektive." Auch während der Notbetreuung seien Kindertagesstätten in Haar bis zu 80 Prozent ausgelastet gewesen, sagte Geschäftsführerin Peg Schäfer von der Kita Haar GmbH. Das sei vielleicht nicht ideal für das Infektionsgeschehen, doch "für die Entwicklung der Kinder ist der Kontakt in der Kita essenziell". Eltern dürften sich eingestehen, wenn sie es nicht mehr schafften. "Wir erwarten viel zu viel von uns selbst", sagt Nina Jaksch, dabei sollte man sich auch einmal sagen: "Du bist gut genug." Die SPD habe aus dem Forum viele Anregungen geschöpft, sagte Dritte Bürgermeisterin Katharina Dworzak und zog ein positives Fazit. Für einige Projekten wurde Unterstützung zugesagt.

© SZ vom 01.03.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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