Haar:Strampeln, um den Akku aufzuladen

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Andreas Liertz fährt selbst täglich mit einem der E-Bikes seiner Firma in die Arbeit. (Foto: Angelika Bardehle)

Die Firma Elby vertreibt ein E-Bike, bei dem der Antrieb auch als Generator genutzt werden kann

Von Selina Bettendorf, Haar

Andreas Liertz fährt jeden Tag 18 Kilometer mit dem Fahrrad zur Arbeit, von Unterhaching bis nach Haar. Dabei kommt er nicht total erschöpft an, sondern fährt gemütlich mit seinem Elektrofahrrad durch grüne Wiesen und Parks. Liertz nutzt nicht nur privat ein E-Bike, sondern vertreibt das Modell, mit dem er unterwegs ist, auch im Münchner Landkreis. Die Firma Elby Bike Europe GmbH beschäftigt an ihrem Hauptsitz, dem Marketing- und Vertriebszentrum in Haar, aktuell 15 Mitarbeiter. Angefangen hat alles mit einer außergewöhnlichen Geschichte. Zwei Österreicher, die sich mittlerweile weltweit einen Namen gemacht haben, sind vor vielen Jahren nach Kanada ausgewandert. Fred Gingl und Frank Stronach haben dort die Automobilzulieferfirma Magna gegründet und damit den Durchbruch geschafft.

Vor allem in Kanada sind sie sehr bekannt, auf dem Konto von Stronach sammeln sich Milliarden. Nach dem Kauf des Antriebsherstellers Bionx entwickelten sie vor zehn Jahren ein Antriebssystem für E-Bikes. Das sollte nicht nur in Kanada verwendet werden, sondern weit über die Landesgrenzen hinaus. Die Investoren suchten deshalb Entwickler in Deutschland, genauer gesagt in München, die dieses Antriebssystem auch in München vertreiben. Doch damit nicht genug. Mit dem Antriebssystem entwickelten Ingenieure in München ein E-Bike, das sogenannte Elby, was für "electric bicycle" (Elektrofahrrad) steht.

Bevor Elby auf den Markt kam, brauchte es einen Vertriebsleiter. Die Investoren fragten bei Andreas Liertz an, der bis dahin im Vertrieb beim Mountainbike-Hersteller Steppenwolf beschäftigt war. Im Jahr 2016 kam es zu einem Treffen von Liertz und Investor Fred Gingl. Kurze Zeit später brachte Liertz von Haar aus Elby auf den Markt. Das E-Bike wird in Taiwan vorproduziert und in Deutschland zusammengestellt. Die Endmontage erfolgt in Magdeburg. Das Fahrrad wird online, auf Veranstaltungen oder über den Fachhandel in Europa und Nordamerika verkauft.

Das Besondere an Elby ist, dass der Elektromotor auch als Generator betrieben werden kann. Man kann das E-Bike in acht verschiedene Stufen einstellen, wie bei einem normalen Fahrrad die Gangschaltung. Die ersten vier Stufen erleichtern das Fahren, die anderen vier erschweren es. Mit den vier schweren Stufen kann man beim Bergabfahren bremsen oder Sport treiben wie auf einem Fahrradergometer im Fitnessstudio. Dabei wird dann gleichzeitig der Akku aufgeladen. Aufladen kann man das Fahrrad aber auch an einer normalen Steckdose, vollgeladen hält der Akku für 135 Kilometer.

Elby hat einen stolzen Preis, den sich nicht jeder leisten kann. Für 3299 Euro ist das bisher einzige Modell auf dem Markt. "Damit ist die Käuferschicht limitiert. Das ist das große Problem bei der Elektromobilität", sagt Liertz und erklärt, dass die meisten Kunden über 50 Jahre alt sind. Maßnahmen für eine günstigere Nutzung, wie zum Beispiel durch Leasing, sind allerdings schon in Planung.

Manche der Nutzer kaufen ein E-Bike vielleicht auch, weil sie der Umwelt etwas Gutes tun möchten. Doch das ist damit nicht unbedingt der Fall. Bei der Produktion der Batterie für das Fahrrad werden viele Schadstoffe produziert, die dadurch in die Umwelt gelangen. Das würde sich im Endeffekt trotzdem wieder für die Umwelt rechnen, wenn das E-Bike statt eines Autos genutzt und mit erneuerbaren Energien aufgeladen wird. Doch die erneuerbaren Energien sind ein heikler Punkt. Noch heute nutzen gerade einmal 20 Prozent der Deutschen Ökostrom. Wer sein E-Bike nicht mit Ökostrom auflädt, schadet der Umwelt also trotzdem. Andreas Liertz selbst verzichtet komplett auf ein Auto und nutzt dafür sein E-Bike, das er zuhause mit Ökostrom auflädt. Für das Fahrrad hat er einen Anhänger, mit dem er sein Kind morgens in den Kindergarten fährt. Dort lässt er den Anhänger stehen und fährt mit dem Fahrrad weiter zur Arbeit. "Das macht einfach nur Spaß", meint er begeistert.

Statt mit dem Auto im Stau oder in der vollen S-Bahn zu stehen, genießt er die grünen Wiesen und Parks auf dem Weg ins Büro. Wenn es kälter werden oder regnen sollte, zieht er sich eben passend an. Für Andreas Liertz ist das eine Lebenseinstellung. "Seitdem ich denken kann, war ich ein Umweltschützer", sagt er. "Jetzt kann ich es erst ausleben. Adorno hat einmal gesagt es gibt kein richtiges Leben im falschen. Jetzt gibt es endlich die Möglichkeit umzuschwenken."

Abgesehen davon, dass er Spaß am Fahrradfahren hat, spart er mit dieser Fortbewegung auch eine Menge Geld. "Mit vier Cent für den Akku komme ich 100 Kilometer weit, das soll mir ein Auto erst einmal nachmachen", sagt Andreas Liertz. In der Zukunft sieht er deutlich mehr Carsharing-Angebote, mehr Elektroautos und E-Bikes. Dafür tüfteln Liertz' Kollegen bereits fleißig weiter. Es soll ein Motor hergestellt werden, der für Klappfahrräder oder Mountainbikes geeignet ist. Im nächsten Jahr soll das Produkt bereits auf den Markt kommen.

© SZ vom 14.11.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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