Haar:SPD warnt vor Haars Ruin

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Bürgermeisterin Gabriele Müller will in Ruhe ihre Arbeit machen. (Foto: Angelika Bardehle)

Bürgermeisterin Müller ruft die CSU im Realschulstreit zur Besonnenheit auf. Sie befürchtet eine Überforderung der Gemeinde. Weitere Verhandlungen sollen Klarheit über Kosten und Grundstücke schaffen

Von Bernhard Lohr, Haar

Die Bürgermeisterin soll es nur ja nicht vergessen. Täglich soll sie mit der Nase darauf gestoßen werden, dass die CSU das Gesprächsthema liefert, über das auf den Straßen von Haar und an der Kasse im Supermarkt gesprochen wird. Die CSU sammelt Unterschriften von Bürgern, die sich dafür aussprechen, eine Realschule am Ort zu bauen. Mehr als 1000 hat sie angeblich schon beisammen. Und gegenüber vom Haupteingang des Rathauses, also dort, wo Bürgermeisterin Gabriele Müllers Blick hinfällt, wenn sie aus ihrem Fenster schaut, steht seit Tagen ein Bauwagen, an dem groß plakatiert ist: Realschule, FOS/BOS. Die CSU setzt sich dafür ein.

Nach Zufall sieht das nicht aus, eher nach einem Versuch, den Stachel dem Kontrahenten ins Fleisch zu drücken. Die CSU hat das Foto auch auf ihrer Facebook-Seite gepostet. Die Stimmung ist jedenfalls so aufgeheizt, dass sich CSU und SPD gerade sowieso jede Gemeinheit zutrauen. In dieser Atmosphäre hat die Sozialdemokratin Müller am Dienstagabend, 30 Meter von diesem Bauwagen entfernt, im Sitzungssaal des Rathauses zum Befreiungsschlag ausgeholt und die CSU mit Nachdruck dazu aufgerufen, "uns endlich in Ruhe unsere Arbeit machen" zu lassen. Die durch die Unterschriften-Sammlung aufgeheizte Debatte nutze weder der Gemeinde, noch der Sache selbst. Im Gegenteil. Sie schade, sagte Müller. Und das blieb unwidersprochen. Keine einzige Wortmeldung gab es dazu auf Seiten der CSU.

Dabei hatte Müller etwas ausgesprochen, was im Sitzungssaal dieser wohlhabenden Kommune wohl noch kein Bürgermeister zuvor in den Mund genommen haben dürfte. Es war eine offene Warnung, die Gemeinde mit nicht zu Ende gedachten Forderungen finanziell in den Ruin zu treiben. Müller sagte, der gleichzeitige Bau einer notwendigen Grundschule und einer Realschule sei nicht zu leisten. Haar müsste dann Kredite aufnehmen, ohne zu wissen, wie diese zurückzuzahlen wären. Der Haushalt wäre nicht mehr genehmigungsfähig. "Wir würden für diese Gemeinde die Handlungsfähigkeit verlieren." Es wäre ein Haushalt der "Verantwortungslosigkeit", sagte Müller und bediente sich des Begriffs, mit dem die CSU kürzlich den Haushalt 2016 verteufelte, weil dort zu wenig Geld für Vorarbeiten einer Realschulansiedlung eingeplant worden sei. Vom "Ruin" sprach dann wörtlich noch SPD-Gemeinderat Horst Wiedemann, als die CSU später bei der Debatte über die Grundschule auf den Tisch brachte, die Mittelschule auch zu verlegen. Wiedemann fragte, wie die CSU das alles zu finanzieren gedenke. Ein Grundstück müsste dafür gekauft werden. "Wollen Sie die Gemeinde ruinieren?"

Zuletzt kursierten unterschiedliche Summen, was die Gemeinde für eine Realschule zu bezahlen hätte. Landrat Christoph Göbel (CSU) brachte die Zahl 11,4 Millionen Euro rein für Baukosten ins Gespräch, worin die CSU einen Beleg sah, dass Müller mit Kalkül mit überhöhten Summen hantiere. Diese hatte auch zu einem Zeitpunkt, als ihr die 11,4 Millionen schon bekannt waren, in einem offenen Brief die CSU getadelt, ihrerseits mit zwölf bis 15 Millionen Euro von zu niedrigen Annahmen auszugehen. Müller warnte nun davor, nicht vergleichbare Zahlen in einen Topf zu werfen. Sie sagte, dass die 45 Millionen Euro für eine Realschule, die sie auch schon mal genannt hatte, die "Vollkosten" für einen solchen Schulbau seien. Die deutlich niedrigere Summe, die Landrat Göbel nun nannte, sei aber eine Summe abzüglich aller Zuschüsse und aller Kosten, die einer auf dem Campus ebenfalls angesiedelten FOS/BOS zugeschlagen werden könnten. Müller sagte, dass da aber auch wieder vieles nicht reingerechnet sei, wie Erschließung durch Straßen, Tiefgarage und Außenanlagen. Realistisch ist Müllers Ansicht nach für Haar mit Kosten im zweistelligen Millionenbereich zu rechnen, und zwar "nicht an der unteren Grenze".

Müller sagte im Gemeinderat, es müssten belastbare Zahlen auf den Tisch. Deshalb habe sie den Landrat schriftlich gebeten, eine schriftliche Kostenberechnung vorzulegen. Auch an die Stadt München hat Müller geschrieben, um Klarheit darüber zu bekommen, ob sich die Landeshauptstadt an einer Realschule in Haar auch dann beteiligt, wenn die Stadt selbst in der Messestadt eine Realschule baut.

Dass München eine solche samt Gymnasium dort errichten will, hat Müller mittlerweile schriftlich. Nur 2,5 Kilometer entfernt befindet sich in Gronsdorf einer von zwei möglichen Haarer Realschulstandorten. Über den anderen, den favorisierten Standort gegenüber dem Haupteingang der Bezirksklinik, will Müller nach Ostern mit Bezirkstagspräsident Josef Mederer (CSU) erneut verhandeln. Der Termin steht. Um Verhandlungsmasse einbringen zu können, erteilte der Gemeinderat Müller die Vollmacht, dem Bezirk im Gegenzug ein Areal nördlich der Klinik anzubieten. Die Entscheidung dazu fiel einstimmig.

© SZ vom 17.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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