Haar:Schottenrock und Wadenstrümpfe

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Die Münchner Volkssängerbühne zeigt Shakespeares "Macbeth" als Komödie in bayerischem Gewand. Mit dem Stück eröffnet sie nach dem Wegzug aus Moosach ihre erste Saison im neuen Domizil, dem Kleinen Theater Haar.

Von Udo Watter, Haar

Dudelsackklänge wehen durch den Saal des Jugendstil-Theaters. Bayerische Mannsbilder wuseln zwischen den Stuhlreihen herum und tragen Kombi-Tracht aus Schottenrock und Wadenstrümpfen. Die Frauen präsentieren sich fesch in der Garderobe mittelalterlicher Mägde: Das Ensemble der Münchner Volkssängerbühne (MVB) hat an diesem Abend die akustische und optische Hegemonie im Kleinen Theater Haar übernommen. Kein Wunder, es ist die Generalprobe zu "Gwiss is nur, dass nix gwiss is" - eine spaßige Macbeth-Version, die "in dem Teil Schottlands spielt, wo noch Bairisch geredet wird", wie Roland Beier erklärt. Der 54-Jährige ist der Regisseur und hat das Stück auch zusammen mit Rolf Stemmle geschrieben.

An diesem Freitag, 17. Februar, ist die Uraufführung und es ist auch in zweiter Hinsicht eine Premiere: der erste Auftritt der Münchner Volkssängerbühne nach dem Umzug von Gut Nederling in ihrem neuen Domizil, dem Kleinen Theater Haar. "Wir haben hier ein sehr schönes Plätzchen gefunden", schwärmt Beier. Nach zehn Jahren im Theater Gut Nederling in Moosach musste die Mundart-Bühne im Frühjahr 2016 weichen - dass das Areal zu Hort und Kindergarten umgebaut werden solle, hatte man aus der Zeitung erfahren. "Der Abgang war nicht so wünschenswert." Die Suche nach einer neuen Spielstätte war für die 1960 gegründete und seit 1963 als Verein eingetragene MVB, die Alt-OB Christian Ude in seinem Grußwort zum 50. Geburtstag als "Münchner Institution" würdigte, in der Stadt schwierig. "Wir haben lange gesagt, das geht nicht, dass wir die Stadtgrenzen verlassen", sagt Bärbel Beier, Ehefrau von Roland Beier. "Aber in München ist es für uns kaum bezahlbar." Geprobt hat das Ensemble freilich schon länger in Haar, die Beiers wohnen auch dort und als man schließlich beim Kleinen Theater anfragte, habe sie Leiter Matthias Riedel "mit offenen Armen" empfangen. Den Umzug in die Peripherie empfand das Ensemble dennoch als kleines Wagnis: "Es ist schwer, sich ein Publikum aufzubauen und wir wussten nicht, ob es mitgeht", erklärt Bärbel Beier. Nun, die Sorgen waren unbegründet. Etliche der acht Vorstellungen von "Macbeth" inklusive der Premiere in Haar sind bereits ausverkauft. "Wir haben Stammgäste, die verfolgen uns seit Schwabing", erklärt Roland Beier schmunzelnd - die MVB war, bevor sie in Gut Nederling unterkam, unter anderem 35 Jahren lang in der Max-Emanuel-Brauerei und danach im Hofbräukeller angesiedelt.

Einer, der schon seit den Sechzigern dabei ist, und im neuen Stück den König Duncan spielt, ist Helmut Esterl. Der gebürtige Münchner, der heuer 80 wird und ein charakteristisches altbayerisches Gesicht mit prächtigen Koteletten hat, durfte freilich nicht nur diverse Umzüge mitmachen, sondern hat auch erlebt, wie sich Geist und Selbstverständnis der Mundart-Bühne wandelten. "Der Stil hat sich geändert. Früher haben wir 'Der Schmied von Kochel', 'Der boarische Hiasl' oder 'Die Raubritter von München' gespielt", sagt er. Damals war es Maxime, die traditionelle Münchner Volkssängerkunst wiederzubeleben. Dass sich Zeiten und Humor geändert haben, dass die Laien-Bühne nun verstärkt komödiantisch-durchgeknallte Klassiker-Adaptionen und selbst geschriebene Stücke aufführt, stört Esterl aber nicht, auch wegen des persönlichen Flairs: "Bei uns sind immer nette Leut'." Roland Beier, der viele Stücke schreibt (zum Beispiel den erfolgreichen "Boandlkramerblues") und der eine überbordende kreative Energie ausstrahlt, zitiert Gustav Mahler: "Tradition ist nicht die Anbetung der Asche, sondern die Weitergabe des Feuers." Wichtig ist ihm vor allem eines: "Wir san koa Bauernbrettl." Die bayerische Macbeth-Version der MVB wartet jedenfalls mit einer Melange aus boshaft-originellen Einfällen auf, gescherten Dialogen und frotzelnden Gesangseinlagen. Auch die typisch bayerische Lust an Theatralik und ein Humor, dem nichts Natürliches fremd ist, prägen das Stück. So viel sei noch verraten: Macbeth ist ein Mammasöhnchen, der zu seiner drachenartigen Mutter auch noch eine inzestuöse Beziehung hat und drei als Hexen verkleidete Mägde prophezeien ihm im Rausch die Krone. "Shakespeare ist immer aktuell", sagt Roland Beier. "Ein Größenwahnsinniger, der König sein will, das kennt man ja."

Premiere ist diesen Freitag, 17. Februar. Im Februar und März gibt es weitere Vorstellungen in Haar. Infos unter www.kleinestheaterhaar.de. Karten über www.mvb-ev.de oder Tel. 089/89 220 275. Am 11. März Aufführung im Kubiz in Unterhaching.

© SZ vom 17.02.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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