Haar:Nano-Manufaktur am Haarer Dreieck

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Die Attocube Systems AG will ihren Firmensitz von der Münchner Königinstraße in die Gemeinde verlegen. Am Bahnhof soll ein repräsentativer Bau errichtet werden. Alle Fraktionen sind begeistert

Von Bernhard Lohr, Haar

Auf solch einen Moment haben in Haar einige sehnsüchtig gewartet. Ein junges, innovatives Unternehmen plant, seinen Sitz in die Gemeinde zu verlegen. Die Attocube Systems AG ist auf einem zukunftsträchtigen Feld engagiert. Sie forscht und fertigt im Bereich der Nanotechnologie, beschäftigt sich also mit kleinsten Strukturen und hat sich dabei weltweit einen gewissen Namen gemacht. Das Unternehmen zählt 85 Mitarbeiter und macht 16 Millionen Euro Umsatz. Es hat aber noch anderes Großes vor. Es soll einen repräsentativen Unternehmenssitz beziehen, den das Mutterunternehmen, der württembergische Maschinenbauer Wittenstein, am Haarer Bahnhof bauen will.

München und die Region stehen wirtschaftlich alles andere als schlecht da. Und doch gibt es bei all dem Licht auch Schatten. So hat Haar in den vergangenen Jahren Rückschläge hinnehmen müssen. Die Bayerische Versicherungskammer verabschiedete sich, dann ging die Sparkassen-Informatik und erst vor einigen Monaten schloss Panasonic seine Niederlassung an der Hans-Pinsel-Straße. Bis heute stehen trotz intensiver Bemühungen des Rathauses, Firmen nach Haar zu holen, ausgedehnte Büroflächen in Eglfing leer, weshalb die CSU jüngst die Gewerbepolitik im Rathaus attackierte. Sie forderte eine Abkehr von der seit Jahren verfolgten Linie, bei der Ansiedlungspolitik vor allem auf gehobene Unternehmen zu setzen. Also keine Speditionen oder klassische Industrie mit Lieferverkehr, Lärm und Schmutz.

Nun scheint die Linie des Rathauses eine Bestätigung zu finden. Die Freude, solch ein Unternehmen in die Gemeinde holen zu können, war freilich dann quer durch die Fraktionen groß. Dabei zählte nicht nur, dass der Geschäftsführer der Attocube AG, Dirk Haft, im Ortsteil Gronsdorf wohnt und in der Umgebung groß geworden ist. Das Lokalkolorit kam quasi noch dazu. Vor allem aber kam die Firmenphilosophie an, dazu die Tatsache, dass mit der Wittenstein AG ein finanzkräftiger Mutterkonzern hinter den Plänen steht; und dann noch die Pläne für den neuen Firmensitz, die Stefan Sinning vom Architekturbüro Henn vorstellte, wobei er viel von Transparenz und dem Zusammenwirken von Forschung und einer "Produktion 4.0" sprach. Der Gemeinderat beschloss einstimmig, die Ansiedlung weiterzuverfolgen. Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) sagte: "Sie haben uns im Sturm genommen."

Die Pläne, die jetzt erst bekannt wurden, sind weit gediehen. Der Umzug wurde offenkundig sorgfältig vorbereitet. Laut Geschäftsführer Haft wurden 40 Grundstücke in der Region sondiert, bevor die Wahl auf das unbebaute sogenannte "Haarer Dreieck", direkt am Nordausgang des Bahnhofs in Richtung Eglfing fiel. Attocube ist ein forschungsgetriebenes Unternehmen, das im Jahr 2001 aus der Ludwig-Maximilians-Universität heraus gegründet wurde. Bis dato residiert man in der Königinstraße 11 A, eine prominente Firmenadresse in direkter Nachbarschaft zur Uni und auch zum Englischen Garten. Haft sagte, man habe bei der Suche nach dem neuen Standort sehr auf die Bedürfnisse der Mitarbeiter geachtet. Man arbeite mit ausgesuchtem Fachpersonal, für das die Anbindung an Stadt und Flughafen wichtig sei. In zwölf Minuten sei man von Haar aus am Ostbahnhof, in 18 Minuten am Hauptbahnhof, sagte Haft, das sei überragend.

Weitere Standorte hat Attocube noch in New York und Los Angeles. Von der Deutschlandzentrale, die künftig in Haar sein soll, werden, abgesehen von den USA, auch die internationalen Geschäfte abgewickelt. Ein Vertriebsbüro der Wittenstein AG in Ottobrunn soll auch in den Neubau in Haar einziehen, der auf dem 6000 Quadratmeter großen Grundstück der Gemeinde auf Zuwachs gebaut werden soll. Man werde zunächst ein Drittel des Gebäudes an andere Firmen untervermieten, sagte Dirk Haft. Aber man werde wachsen und den Platz dann sicher füllen. Auch eine weitere Expansion sei denkbar. In drei Jahren könnte der Firmensitz bezogen werden.

In dem Gebäude sollen die Attocube-Mitarbeiter forschen und produzieren. Wobei Produktion bei Dingen, die im Nanobereich - also in der Größenordnung von einem Millionstel-Millimeter - angesiedelt sind, nichts mit klassischen industriellen Abläufen zu tun hat. Attocube stellt unter anderem Nanoscope her, also eine Steigerung des klassischen Mikrosops, aber vor allem auch Nanoantriebe, also kleine Motoren. Zum Einsatz kommen die Produkte unter anderem in der Medizin- oder Raumfahrttechnik. Forschungseinrichtungen sowie die Nasa und die Esa sind Kunden. Architekt Stefan Sinning sprach von einer Art "Manufaktur", die entstehen werde. Die Wittenstein AG als Bauherr bürge für Qualität. Wittenstein hat für seine sogenannte Innovationsfabrik am Firmensitz in Igersheim von der Deutschen Gesellschaft für Nachhaltiges Bauen (DGNB) eine Auszeichnung in Gold erhalten.

© SZ vom 30.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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