Haar:Kapitäne am Beckenrand

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Liebhaber ferngesteuerter Modelle lassen ihre Schiffe im Haarer Jagdfeldbad kreuzen

Von Cristina Marina, Haar

"Achtung, bremsen", sagt der Vater sanft, und Sebastian Schlicht steuert das kleine Boot konzentriert in Richtung Ufer. Der Siebenjährige bringt per Fernbedienung das "Lotsenboot" zum Stehen - das Anlegen ist ihm gelungen. "Sehr gut hast du das gemacht", lobt Stefan Schlicht. Sein Sohn darf nun sein erstes "Steuermanns-Patent" in Händen halten, von dem Verein "Interessengemeinschaft für ferngesteuerte Modelle" ausgestellt. An diesem Wochenende hat in Haar das 13. Modellschiffschaufahren des Vereins stattgefunden.

Im Jagdfeldbad ist deswegen einiges los. Größere Schiffe fahren majestätisch durch die Gewässer des Hallenbades, daneben flitzen Schnellboote oder drehen Yachten ihre Kurven, während Rettungsboote und Feuerwehrschiffe mit ihren Spritzkanonen ihr Können zeigen. Nicht selten sind sie echten, also in der Realität bestehenden Schiffen nachempfunden, mitunter originalgetreu und ausgestattet mit allerlei Technik wie Beleuchtung oder selbstdrehenden Radarbalken. U-Boote tauchen, was im klaren Wasser des Hallenbades "besonders schön" wirke, erzählt Michael Hutterer, Schriftführer und seit fast 15 Jahren aktives Mitglied des Vereins.

Viele detailgetreue Schiffe sind großen Pötten nachgebaut. Und sie sind mit allen möglichen Extras ausgestattet. So kann das Feuerlöschschiff auch Gäste am Beckenrand nassspritzen. (Foto: Claus Schunk)

Das Lotsenboot hat seine Frau vor zehn Jahren gebaut. Gabriele Hutterer hat gerade zwei weibliche Puppenfiguren für Wasserski fertiggemacht, beziehungsweise an Schiern befestigt, die dann das Lotsenboot hinter sich herzieht. Am meisten freue sie sich, etwas zu reparieren, sagt sie, wenn es kaputt gehe. Spaß mache ihr aber auch, mit dem Spritzkanonen-Boot möglichst nah an die Besucher zu fahren und "die Leute auch mal zu ärgern", sie also spontan mit Wasser zu bespritzen. Die Reaktionen der Zuschauer seien immer gut.

Ein solches Spektakel ist in einem Hallenbad selten zu sehen. Deswegen sind Besucher auch von weit her gekommen, wie Schlicht und sein Sohn aus Rosenheim. Der 40-jährige Projektleiter hat sich in seiner Jugend mit Modellbau beschäftigt und kürzlich "durch die Kinder erst" wieder dazu gefunden. Es sei eine entspannende Tätigkeit, die allerdings auch Geld koste und in der Regel viel Zeit verlange. Diese Zeit könne eine junge Familie jedoch nicht immer opfern. Schlichts zweites Kind befindet sich noch im Babyalter, erzählt er. Der große Aufwand an Zeit und Geld könnten die Gründe sein, warum sich relativ wenige Mitglieder des Vereins dem Modellschiffbau widmen. Von den etwa 17 aktiven Mitgliedern sind es, genauer gesagt, vier. Der Rest besteht aus den sogenannten Driftern.

Das U-Boot lässt sich bei seinem Tauchgang im klaren Wasser gut verfolgen. (Foto: Claus Schunk)

Die Drifter - das sind diejenigen, die eine bestimmte Art von Modellauto fernsteuern - sind in der Turnhalle bei der Sache; darunter der Vorsitzende der Haarer "Interessengemeinschaft für ferngesteuerte Modelle", Daniel Fabijancic. Sinngemäß zitiert er die "Rallye-Legende" Walter Röhrl: "Driften heißt die Kunst, den instabilen Zustand eines Fahrzeugs so lange wie möglich aufrechtzuerhalten." Im Driftsport sind die Modellfahrzeuge so konstruiert, dass die Räder auf dem für die Wettkämpfe typischen Teppichboden praktisch nur noch seitlich fahren können. Beim Driften geht es weniger um Geschwindigkeit als um die geschickte Steuerung des Fahrzeugs - und ums Zusammenspiel im Team. "Wir sind die Synchronschwimmer unter den Autofahrern", beschreibt Fabijancic.

Um sich für den Wettkampf zu qualifizieren, muss man einen Parcours absolvieren - erst kurz vorher erklärt eine Jury, wie dieser zu befahren ist. Hat man bestanden, fährt man im "K.o.-System", also entweder als erstes (Leader) oder als zweites Auto (Chaser) eines Zweierteams. Der Chaser muss synchron zum Leader fahren, dabei dürfen sich die Autos nicht berühren und auch keine Linie überfahren. Zwei Jahre dauere es im Schnitt, bis ein Anfänger die Grundlagen gut beherrscht.

Fabijancic hat vor fünf Jahren damit angefangen. Vergangenes Jahr schnitt der 36-Jährige bei der Deutschen Meisterschaft in Bad Berneck als Zweiter ab. Wenn er über sein Hobby spricht, wird deutlich, dass er mit Herzblut bei der Sache ist; wie sein ein Jahr jüngerer Vereinskollege: Harun Ahmad wurde 2015 in der "Fahrzeug-Klasse Heckantrieb" im niederländischen Emmen Weltmeister. Es ist - bei 600 Euro für ein Fahrzeugchassis - ein nicht gerade günstiger Nischensport, in dem die Haarer die einzige Fahrstrecke in Süddeutschland bieten. Die Mitglieder fahren jeden ersten und dritten Samstag im Monat in der Turnhalle der Konrad-Schule von Vormittag bis in den Abend.

© SZ vom 08.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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