Haar:Kalt erwischt

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Steht mit leeren Händen da: Bürgermeisterin Gabriele Müller. (Foto: Angelika Bardehle)

Die CSU und Landrat Göbel treiben die Haarer SPD und deren Bürgermeisterin in der Realschulfrage vor sich her

Von Bernhard Lohr, Haar

Haars Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) erwischte die Entscheidung doch relativ unvorbereitet. Sie hatte sich bei der Kreistagswahl vor zwei Jahren mit einem hinteren Listenplatz begnügt. Sie wollte sich als neue Bürgermeisterin vor allem auf die Arbeit in der Gemeinde konzentrieren. Und so saß Müller am Montag nicht mit am Tisch, als im Kreisbauausschuss über den Schulcampus in Haar diskutiert wurde. Über die Folgen des Beschlusses, mit dem die Gemeinde zu einem Bekenntnis zum Campus gedrängt wird, versuchte sich Müller am Montagabend Klarheit zu verschaffen. Die Haarer CSU war zu diesem Zeitpunkt weiter.

Denn mit Alois Rath und Andreas Rieder verfolgten zwei Gemeinderäte der Partei die Sitzung im Landratsamt, die zuletzt mit einer Unterschriftenkampagne in Haar Stimmung für eine Realschule zu machen versucht hatte. Mehr als 2000 Unterschriften kamen zusammen, wobei einige hundert auch von Bürgern aus Nachbarkommunen stammten. Überreicht wurden diese Unterschriften niemandem. Es sei nur darum gegangen, ein Stimmungsbild zu zeichnen und wachzurütteln, heißt es von der CSU. Die erwies sich am Montag jedenfalls selbst als hellwach. Denn kaum war die Sitzung beendet und klar, dass der Landrat und die Kreisräte weitere Verzögerungen nicht tolerieren wollten, erreichte die SZ-Redaktion eine Pressemittelung der CSU, in der diese flugs erklärte, jetzt liege der "Ball bei der Gemeinde".

Tatsächlich schien zuletzt nicht allen Akteuren ganz klar gewesen zu sein, wo der Ball gerade lag. Kreisrat Michael Sedlmair (Freie Wähler) zeigte sich in der Debatte am Montag verwundert, dass die Gemeinde Haar noch gar keinen Beschluss zum Schulcampus gefasst habe. Es scheine gerade so, als wäre der Bau weiterführender Schulen in Haar eine Angelegenheit der "laufenden Verwaltung". Landrat Christoph Göbel (CSU) sprach selbst vom "Henne-und-Ei-Problem". Der Landkreis würde gerne Entscheidungen treffen - etwa beim Grundstückskauf; doch dazu brauche es Klarheit von Seiten der Gemeinde.

Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) präsentierte am Montagabend ihre Version des Henne-und-Ei-Spiels. Sie beklagte, dass der Kreisbauausschuss ihre Anfrage, den Bau der Realschule zeitlich zu schieben, abgelehnt habe, zugleich aber ihre zweite Frage, die nach einer verbindlichen Zusage, was eine Beteiligung des Kreises an den Schulbaukosten angeht, ignoriert habe. Bevor keine Klarheit herrsche, fehle ihr eine Entscheidungsgrundlage. Am Dienstagnachmittag bezog Müller in einer Pressemitteilung dann erneut Position und kritisierte das Zweckverbands-System als Ganzes. "Der Landkreis wälzt die Kosten für weiterführende Schulen auf seine Gemeinden ab." Dabei könnte er "einfach zu seiner gesetzlichen Verpflichtung stehen und selbst bauen, dann hätten wir diese Diskussion nicht". Nach wie vor gebe es "viele offene Fragen". Das deutliche Nein des Kreisbauausschusses auf die Anfrage, nach einer integrierten Campusplanung den Realschulbau später anzugehen, wenn die Gemeinde finanziell dazu in der Lage sei, sei "nicht begründet".

Landrat Göbel hat bereits in der Vergangenheit erklärt, dass der Kreis der Gemeinde bei der Finanzierung über das vorgeschriebene Maß entgegenkommen könnte und gemeinsam von Realschule sowie Fach- und Berufsoberschule zu nutzende Gebäude dem Fos/Bos-Bau und somit dem Landkreis als Kostenträger zugewiesen werden könnten. Doch Göbel warnte im Kreisbauausschuss vor voreiligen Rechenspielen. Er habe sich bereits weit aus dem Fenster gelehnt. Jetzt sei es an der Zeit, dass sich die Gemeinde zum Campus bekenne. Das müsse als Erstes erfolgen.

Die Haarer CSU zieht da mit Göbel jetzt an einem Strang und sieht die SPD-geführte Gemeinde in der Pflicht. Und sie skizziert, wie sie sich eine Lösung vorstellen könnte. So wäre aus ihrer Sicht außer einem Campus am Gronsdorfer Bahnhof auch eine Option, ein vom Bezirk angebotenes Areal zu wählen, das westlich an das Bezirksgut angrenzt und aus Sicht des Rathauses den großen Nachteil hat, dass es außerhalb der Bebauungsgrenzen liegt und erschlossen werden muss. Die CSU wirft Bürgermeisterin Müller dennoch vor, diese Option unterschlagen zu haben, als sie beim Bürgergespräch im Kleinen Theater kürzlich bekannt gab, dass südlich des Guts das favorisierte Campus-Grundstück vom Bezirk Oberbayern nicht freigegeben werde. Kreisrat Stefan Kern (CSU) warb am Montag in der Sitzung übrigens auch dafür, sich noch einmal ernsthaft mit dem Vorschlag des Bezirks zu befassen. Das Areals liege nicht viel ungünstiger zur S-Bahn als das andere vorne an der Vockestraße.

Wie die Standortfrage hält die CSU jedenfalls die Finanzierungsfrage für "lösbar". Die CSU verweist dabei - im übrigen wie Kreisrat Kern in der Sitzung - auf die derzeit "sehr günstigen Kommunalkredite". Die CSU rechnet vor: Ein Zinssatz von 0,3 Prozent pro Jahr, bei 30-jähriger Laufzeit und einer Tilgung von drei Prozent pro Jahr - das würde bei einer Investition von 15 Millionen Euro die Gemeinde mit jährlich 45 000 Euro Zinsausgaben belasten. Für die Tilgung wären weitere 450 000 Euro pro Jahr einzuplanen. Für Müller ist eine halbe Million Euro Belastung jährlich auf 20 bis 30 Jahre aber keine Kleinigkeit. Von der CSU, erklärte sie, liege kein Gegenfinanzierungsvorschlag vor.

Die CSU kann ihrer Erklärung von Montag zufolge gar kein "Haushaltsproblem" erkennen. Der notwendige Betrag könne vollständig aus den Einsparungen finanziert werden, die sich für die Gemeinde aus den Verbesserungen durch jüngst geänderte Zweckverbands-Regelungen für das Ernst-Mach-Gymnasium ergäben. Außerdem entfielen die Beiträge für den Zweckverband der Realschule Vaterstetten.

© SZ vom 04.05.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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