Haar:Haar bekommt eigenen Mietspiegel

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Bislang zieht die Gemeinde zehn Prozent vom Münchner Niveau ab

Von Bernhard Lohr, Haar

Von günstigem Wohnraum spricht im Landkreis schon lange keiner mehr. Vermessen klingt das angesichts der laufend steigenden Mieten und angesichts der mehr als überschaubaren Zahl an sozial geförderten Wohnungen. Deshalb waren die Worte wohl gewählt, als in der Tischvorlage für den Gemeinderat von "einigermaßen bezahlbarem" Wohnraum die Rede war. Damit es solche Wohnungen, die sich eine durchschnittliche Familie noch leisten kann, auch weiterhin in der Gemeinde gibt, hat der Gemeinderat beschlossen, einen Mietspiegel aufstellen zu lassen. Haar wäre damit mit Garching die zweite Kommune im Landkreis München mit solch einem Regelwerk.

In Haar leben gut situierte Bewohner, wie in Grünwald oder in anderen nobleren Vororten. Aber es gibt auch noch viele Menschen, die auf günstigeren Wohnraum angewiesen sind. Das ist jedes Jahr wieder auf der Bürgerversammlung Thema, wenn Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) auf die erschreckend hohe Zahl an Hartz-IV-Empfängern hinweist, die in dem an sich ja prosperierenden Rand von München leben. Seit 1. August gilt in sämtlichen Kommunen des Landkreises die Mietpreisbremse. Um dieses Instrument zu stärken, will sich Haar nun auf Initiative von CSU und SPD hin einen Mietspiegel geben.

Den ersten Vorstoß in diese Richtung hatte mit Blick auf eine auf Bundesebene angekündigte Mietpreisbremse bereits im November 2013 die SPD unternommen. Ohne aussagekräftige Daten zu den geltenden, erreichten Miethöhen, so der Gedanke, kann auch eine Mietpreisbremse nicht richtig wirken. Auf den SPD-Antrag, in dem die Verwaltung im Rathaus gebeten wurde, die Kosten und den Aufwand für die Erstellung eines solchen Mietspiegels zu ermitteln, nahm jetzt die CSU Bezug, als sie ihrerseits forderte, die Verwaltung möge prüfen, ob ein solcher "qualifizierter Mietspiegel" sinnvoll ist. Das wollte - angesichts der offenkundigen Problemlage und nach der Vorgeschichte - natürlich keiner mehr in Frage stellen.

Als qualifizierter Mietspiegel gilt ein Papier, das nach anerkannten wissenschaftlichen Grundsätzen erstellt und von der Kommune oder von Interessenvertretern der Vermieter und der Mieter anerkannt worden ist. Es kann dann als Grundlage für die Mietpreisbremse herangezogen werden, die besagt, dass die Miete - von Neubauten abgesehen - nicht mehr als zehn Prozent über der örtlichen Vergleichsmiete liegen darf. Bisher hat Haar den Münchner Mietspiegel herangezogen und eine örtliche Vergleichsmiete ermittelt, indem ein zehnprozentiger Abschlag bei der Berechnung der Miethöhe angesetzt wurde. Damit habe man, so heißt es aus dem Rathaus, in der Vergangenheit gute Erfahrungen gemacht.

Der CSU reichte das nicht mehr aus. Sie warb nach dem Beispiel von Garching oder Germering für einen eigenen Mietspiegel, um so in Zukunft die Diskussion über angemessene Mietpreise zu versachlichen und auch gerichtliche Streitigkeiten zwischen Mietern und Vermietern zu vermeiden. Die positive Wirkung auf den Haarer Wohnungsmarkt dürfte den Aufwand rechtfertigen, argumentierte die CSU. Bürgermeisterin Müller sprach von einem "Service für den Bürger" und verwies auf einen Umstand, der zeigt, wie dringlich eine regulierende Hand gebraucht wird, um die Mietpreise im Zaum zu halten. Denn im Jagdfeld, wo es noch relativ viele sozial geförderte, einigermaßen bezahlbare Wohnungen gibt, fallen Ende dieses Jahres eine Reihe von Wohnungen aus der Sozialbindung. Damit ist dort mit steigenden Mieten zu rechnen. Müller riet deshalb dazu, die örtliche Vergleichsmiete für den Mietspiegel erst dann zu ermitteln, wenn dort die neuen, höheren Mieten Fakt sind. Sonst wäre das Bild verzerrt, sagte sie.

Darauf einigte man sich schnell. Antonius van Lier (Freie Wählergemeinschaft) warnte nur noch davor, den Mietspiegel nicht als Alibi gelten zu lassen, durch das verhindert werde, aktiv und effektiv das Problem des fehlenden, am Ende auch bezahlbaren Wohnraums anzugehen. Etwa 20 000 Euro könnte der Mietspiegel die Gemeinde kosten.

© SZ vom 21.10.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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