Haar:Großes zum Jubiläum

Lesezeit: 2 min

Akustische Breitwandmomente: Mitunter entfaltete das Ensemble Haar unter seinem künstlerischen Leiter Winfried Grabe ein geradezu strahlendes Timbre. (Foto: Claus Schunk)

Der Kulturverein feiert sein 20-jähriges Bestehen mit glanzvoller Musik von Beethoven, Mendelssohn-Bartholdy und Schumann

Von Udo Watter, Haar

Warum Beethovens 5. Klavierkonzert im englischen Sprachraum den Beinamen "Emperor" hat und ob seines heroisch-symphonischen Charakters als Glanzstück der Gattung gilt, wird auch im Bürgersaal Haar von der ersten Sekunde an klar: Der explosive Auftakt mit Fortissimo-Schlägen des Orchesters und äußerst lebhaften Klavierpassagen fasst den Hörer sofort an, macht ihm klar, dass es hier um Großes, Essenzielles geht, um Klang gewordene Grandeur. Nach dem triumphalen Auftakt mit Soloinstrument und Orchester übernimmt dann für eine Weile das Ensemble Haar alleine die Führung, spielt das schwungvolle Hauptthema und entfaltet dabei unter dem flott dirigierenden Leiter Winfried Grabe ein geradezu strahlendes Timbre.

"Musik bringt die Transzendenz in eine säkulare Welt", hatte Theresa Heil, Vorstandsmitglied im Kulturverein Haar, zu Beginn des Abends in einer kurzen Einführung gesagt. Gerade Beethovens berühmte Kompositionen bewirken beim Rezipienten ein akustisch bedingtes Selbstvergrößerungserlebnis, und das war dem Anlass des Abends ja durchaus angemessen: Der Kulturverein Haar feiert mit diesem Konzert sein 20-jähriges Bestehen.

1997 gegründet, war die Intention von Beginn an, Veranstaltungen im Bürgersaal der Gemeinde zu organisieren und dabei besonders Künstler mit Bezug zu Haar zu engagieren. An die 100 Konzerte und mehr als 20 Kunstausstellungen hat der Verein - zum Vorstand gehören außer Heil noch Wolfgang Dietrich, Inge Eckstein und Marianne Heidegger - in Haar realisiert. Die Jubiläumsveranstaltung war nicht zuletzt wegen des Ansatzes, im Ort identitätsstiftend zu wirken, mit den passenden Protagonisten besetzt: das Ensemble Haar, das kommendes Jahr sein 40-jähriges Bestehen feiert, gestaltete unter dem künstlerischen Leiter Winfried Grabe den Abend.

Und das durch einige Bläser des BR-Sinfonieorchesters verstärkte Laienorchester zeigte sich generell wieder einmal auf der Höhe. Nach dem temporeich-dramatischen Auftakt mit Mendelssohn-Bartholdys Ouvertüre "Ruy Blas" war Beethovens 5. Klavierkonzert in Es-Dur ein Höhepunkt. Als Solistin agierte die 1984 in Novosibirsk/Russland geborene Pianistin Tatiana Chernichka, die bei zahlreichen internationalen Wettbewerben Preise gewonnen und seit 2009 einen Lehrauftrag für Korrepetition an der Musikhochschule München inne hat. Nun, ihre manuellen Fähigkeiten beeindruckten, sie gestaltete ihren Part hoch virtuos und mitreißend impulsiv. Allerdings passte ihre Lesart vor allem zu den heroischen Passagen der Komposition, diese zeichnet sich aber eben auch aus durch zahlreiche intime, meditative und empfindsame Momente. Und da hätte etwas mehr Zurückhaltung der Pianistin gut getan, ein weicherer Anschlag nicht geschadet und auch ein geschmeidiger abgestimmtes Dialogisieren mit dem Orchester. Die Pforte zur Transzendenz kann sich ja auch zart öffnen, gerade in den ruhigen Passagen des Kopfsatzes oder beim Klaviereinstieg im zweiten Satz hätte man das demonstrieren können. Dass Tastenlöwin Chernichka nuancierter und feiner zu artikulieren vermag, bewies sie im finalen Rondo, hier atmete der Vortrag - auch das Zusammenspiel mit dem Orchester - eine mitreißende tänzerische Dynamik.

Nach der Pause erklang Schumanns "Frühlingssinfonie". Ein Werk, das "geboren ist in feuriger Stunde", wie der Komponist schrieb und dessen aufblühenden, das Leben feiernden Charakter das Ensemble Haar gut transportierte. Manche Klangbilder, etwa der Violinen, waren zwar nicht makellos homogen, die Bläser leisteten sich kleine Unsauberkeiten, und man hätte manchen Moment des Innehaltens etwas mehr herausarbeiten können - aber generell hatte der gestenreiche Dirigent Grabe hier seinen Klangkörper gut im Griff und trieb ihn zu einem furiosen Finale.

© SZ vom 07.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: