Haar:Eine Gemeinde packt an

Lesezeit: 2 min

Ein Hochbett aus Metall, dazu ein Spind und ein kleiner Tisch: Die Asylbewerber-Unterkünfte gleichen sich nahezu vollkommen. (Foto: Stephan Rumpf)

In Haar begegnen sie Problemen, mit denen Flüchtlinge in ihrer neuen Heimat konfrontiert werden, offensiv. Kritik gibt es nur am Bezirk, der leer stehende Gebäude nicht als Unterkünfte anbietet

Von Bernhard Lohr, Haar

Es ist so gut wie sicher: Ein Gewerbebau in der Haarer Hans-Pinsel-Straße 2-3 wird zur Flüchtlingsunterkunft. Etwa 150 Personen sollen dort untergebracht werden. In den nächsten Tagen soll der Bauantrag der Investoren im Rathaus eingehen. Das verkündete Landrat Christoph Göbel (CSU) am Donnerstagabend auf der Informationsveranstaltung zur Situation der Flüchtlings-Unterbringung im Haarer Bürgerhaus. 280 Personen waren gekommen. Sie äußerten ihr Unverständnis darüber, dass der Bezirk Oberbayern mit leer stehenden Gebäuden in Haar nicht mehr Engagement zeigt. Ansonsten interessierten sie sich fast ausschließlich dafür, wie Hilfe für die in Haar gestrandeten Menschen organisiert werden kann.

Deren Lebenssituation beschäftigt in der Gemeinde viele. Wie bedrückend diese ist, kann man im Ort nicht übersehen. Die Notunterkunft in der Turnhalle an der Friedrich-Ebert-Straße liegt im Zentrum, mitten im Wohngebiet befinden sich die schlichten Wohncontainer an der Jesuskirche. Beengt geht es dort überall zu. Der Mülleimer neben dem Bett markiere das Maß an Privatsphäre, sagt etwa Gertraud Vater, die sich seit Monaten intensiv in die Flüchtlingshilfe einbringt. Es gilt viel Hilfe und Beistand zu organisieren. Haar geht dabei im Landkreis einen neuen Weg. Eine Sozialpädagogin koordiniert neuerdings den Helferkreis. Die Gemeinde finanziert sie mit 450 Euro im Monat. 6,5 Stunden kann Eva Eggemann, die sich am Donnerstagabend den Haarern vorstellte, so in der Woche einbringen; im Ansatz richtig - aber viel zu wenig, wie es von vielen Seiten hieß.

Einfach nur mit dem Ehrenamt ist vieles nicht mehr zu stemmen. Der Landkreis engagiert sich auch schon über das geforderte Maß hinaus. So werden Landrat Göbel zufolge über die rechtlichen Vorgaben hinaus im Landkreis Deutschkurse auch schon für Asylbewerber finanziert. Sozialpädagogen würden im Verhältnis 1:100 eingesetzt, statt wie gefordert 1:150. Trotzdem konnte Göbel nicht allen Forderungen gerecht werden. Brigitte Pfaffingen, Vorsitzende des TSV Feldkirchen, meldete sich in Haar zu Wort und forderte Göbel direkt auf, sich dafür einzusetzen, dass Flüchtlinge Schwimmkurse belegen könnten. Magdalena Linke von der Haarer DLRG-Gruppe sprang ihr bei. Achim Weiss, Gesamtleiter der evangelischen Jugendhilfe in Feldkirchen, die in Haar eine Gruppe unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge an der Unteren Parkstraße führt, sprach die "vielen Ertrinkungsopfer" an. Göbel sagte Beistand zu, verwies auch auf die langen Wartelisten für Schwimmkurse im gesamten Landkreis. Es fehle an Kapazitäten, sagte er. Kostenfreie Schwimmkurse seien über die Sportvereine im Grunde sogar gewährleistet. Als ein zentrales Bedürfnis der Flüchtlinge, die - nicht zu übersehen - viel mit Handys kommunizieren, wurde ausgemacht, den Kontakt zur Heimat und den zurückgebliebenen Angehörigen aufzunehmen. Die Gemeinde Haar hat in der Turnhalle mittlerweile W-Lan eingerichtet. Peter König bot an, zehn Laptops zur Verfügung zu stellen; nur Software werde benötigt. Dabei zeigte sich aber auch, dass einfach nur Anzupacken manchmal problematisch sein kann. Göbel warnte davor, die freie Internet-Kommunikation in den Unterkünften zu leichtfertig einzurichten. Wenn dort geskypt werde, und jemand im Hintergrund durch das Bild laufe, könne das bei politisch Verfolgten auch zu Gefährdungen führen.

Mehrere Wochen, - bis zu sechs Monate im Fall der Hans-Pinsel-Straße - wird es noch dauern, bis die dann insgesamt 227 Flüchtlinge in Haar sind. Der Holzständerbau an der Vockestraße muss errichtet werden, in der Hans-Pinsel-Straße stehen Umbauten an. Mehrere Personen kritisierten den Bezirk dafür, dass auf dem Klinikareal und im künftigen Wohngebiet Jugendstilpark Gebäude leer stünden und nicht als Unterkünfte angeboten würden. Bürgermeisterin Müller kündigte an, dass in Haar an einer Grundschule eine Übergangsklasse mit Flüchtlingskindern eingerichtet wird. Die Volkshochschule Haar und die Volkshochschule Südost stehen in Kontakt wegen einer intensiveren Zusammenarbeit in der Flüchtlingshilfe. Landrat Göbel lobte den Aufbau solcher Netzwerke, auch von Vereinen. Auch die Behörden könnten nicht alles stemmen.

© SZ vom 11.07.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: