Haar:Anpacken

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Haars Bürgermeisterin Gabriele Müller (rechts) schlägt beim Neujahrsempfang auch kritische Töne an. (Foto: Angelika Bardehle)

Bürgermeisterin Gabriele Müller spannt den großen Bogen. Der Landtagsabgeordnete beginnt eine Debatte auf Facebook

Von Bernhard Lohr, Haar

Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) hat den Neujahrsempfang im Pfarrsaal von St. Konrad für einen kritischen Zwischenruf zur demokratischen Kultur auf lokaler Ebene genutzt. Sie warnte davor, dass der Demokratie Schaden zugefügt werde, wenn Bürger versuchten, mit Unterschriftensammlungen nachträglich im Gemeinderat gefasste Beschlüsse zu kippen. Dadurch werde "das Vertrauen in die Arbeit des Gemeinderats, in die Politik, erschüttert". Müller bezog sich damit auf Bürgerproteste in Haar gegen die Erweiterung der Grundschule im Jagdfeld, die von einigen Gemeinderäten unterstützt worden seien. Und sie sprach auch den Pullacher Fall an, wo die WIP-Fraktion Druck gegen den Bau von Sozialwohnungen macht.

Kaum hatte Müller dies vor den gut 200 Personen, die in feierlicher Atmosphäre zusammengefunden hatten, gesagt, gab es bei Facebook eine deutliche Erwiderung. Der Haarer Landtagsabgeordnete Ernst Weidenbusch (CSU), der eben noch direkt vor Müller stehend der Rede der Bürgermeisterin gefolgt war, postete auf seiner Seite, dass er Müllers Haltung als "Unsinn" ansehe. Im Gespräch mit der SZ erläuterte er, dass natürlich Bürgerprotest zur Demokratie gehöre. Das zeige sich in Kommunen und gerade auch auf Landesebene, wo Freie Wähler, Grüne und andere Volksentscheide gegen Rauchen in Gaststätten und gegen Flächenverbrauch betrieben.

Die zunächst nur im Internet zu verfolgende Debatte zeigte, dass die politische Auseinandersetzung auch 2018 in Haar spannend werden dürfte. Müller spannte auf dem Neujahrsempfang zunächst den großen Bogen und beschrieb mit einem Exkurs auch US-Präsident Donald Trump und dessen Umgang mit Fakten als eine "Gefahr für unsere Demokratie". Sie sprach sich außerdem für ein starkes Europa aus, das ganz im Sinne des französischen Präsidenten Emmanuel Macron den Menschen "ein Gefühl von Sicherheit" vermitteln müsse. "Wir brauchen wieder ein Bewusstsein, was uns diese EU wert ist und für uns leistet." Europa sollte für die ganze Welt "Vorbild für Versöhnung und Frieden" sein, zitierte sie indirekt Kardinal Reinhard Marx.

Die Versammelten nahmen mit Heiterkeit auf, als Müller statt vom Kardinal Marx von Karl Marx sprach. Doch auch den "großen Kapitalismuskritiker", wie sie ihn nannte, zitierte sie, als sie die ungleiche Vermögensverteilung kritisierte und gleichermaßen mehr Solidarität in der Gesellschaft einforderte. Für die kommunale Ebene nannte Müller sieben Punkte, an denen "angepackt" werden müsse. Der Staat müsse eingreifen, um mehr Bildungsgerechtigkeit zu schaffen. Das halbherzige Ganztagsschulprogramm des Freistaats helfe nicht weiter. Nur mit einer "beherzten Mietpreisbremse", mit Wohnbauförderung und einem Wiedereinstieg des Staates sei dem "Wohnungswahnsinn" beizukommen. Die Digitalisierung müsse mit ambitionierteren Plänen angegangen werden. Beim Ausbau der Infrastruktur forderte sie Tempo. Die Verlegung der B 471 müsse schnell umgesetzt werden. Als verfehlt bezeichnete sie, sollte sich das S-Bahnangebot für Haar nach dem Bau der zweiten Stammstrecke verschlechtern. Müller plädierte für ein gerechteres Gesundheitssystem und ein Einwanderungsgesetz im Kampf gegen den Fachkräftemangel.

Müller zeichnete Arnold Lainer und Johann Barbarino vom Gebirgstrachten-Verein D'Ammertaler Ottendichl für ihr langjähriges Engagement mit der Goldenen Ehrennadel der Gemeinde aus; ebenso den Musiker und mehr als 50 Jahr e als Chorleiter tätigen Fritz Kühn aus Ottendichl. Schüler und Lehrer des Schulprojekts "Spurensuche - Was für ein Mensch willst Du sein?" wurden mit einem Anerkennungspreis geehrt.

© SZ vom 22.01.2018 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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