Haar:Ankommen, einkaufen, wohnen

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Pläne für das Gronsdorfer Bahnhofsumfeld sehen einen Gewerbekomplex vor, der wie eine Lärmschutzwand wirken soll, ohne wie eine solche auszusehen. Angrenzend sollen auch 100 Wohnungen entstehen

Von Bernhard Lohr, Haar

Eine Neugestaltung des Bahnhofs-umfelds in Gronsdorf ist ein großes Stück näher gerückt. SPD, Grüne und Freie Wählergemeinschaft im Haarer Gemeinderat haben sich am Dienstagabend einhellig hinter die Pläne der Dibag Industriebau AG gestellt, an der Nordseite des Bahnhofs ein Geschäftsgebäude mit Supermarkt und Gaststätte zu bauen. Mit der Rewe GmbH gibt es bereits eine vertragliche Vereinbarung. Angrenzend soll dort westlich der Schneiderhofstraße an der Bahntrasse ein Block mit 100 Wohnungen entstehen. Die CSU favorisiert an dieser Stelle Gewerbe. Sie stimmte gegen den Einstieg ins Bebauungsplanverfahren, den der Gemeinderat noch letztgültig beschließen muss.

Architekt Christian Weigl vom Büro Goergens und Miklautz, der die Pläne der Dibag am Dienstag im Ausschuss erläuterte, verfolgt das Projekt nach eigenen Worten sein halbes Berufsleben. Seit 20 Jahren gebe es Überlegungen, was dort an der stark durch Bahnlärm beeinträchtigten Lage hinpassen könnte. Zuletzt wurde 2008 ein maßgeschneiderter Bebauungsplan für ein Solar-Unternehmen aufgelegt. Doch nach der Krise in der Branche platzte das Projekt. Andere Unternehmen, die sich hätten ansiedeln wollen, fanden sich nicht, wie Sebastian Kuhlen, Leiter der Standortentwicklung bei der Dibag, erneut beteuerte. Schließlich kam die Idee, mit einer ausgeklügelten Planung, die Lärmschutz verspricht ohne nach einer Lärmschutzwand auszusehen, Wohnungen zu schaffen.

Auf Grundlage dieser ebenfalls von Goergens und Miklautz entwickelten Rahmenplanung gibt es bereits in Verlängerung des jetzt diskutierten Dibag-Projekts ein Bauvorhaben für 110 Wohnungen, für das die BPD Immobilien bereits über Baurecht verfügt und für das auch bald Spatenstich sein soll. Die Gemeinde schafft dort eine Kindertagesstätte und günstigen Wohnraum nach dem Haarer Modell. Architekt Weigl warb dafür, beide Projekte als Einheit zu sehen. Es gehe jetzt darum, den "nächsten Baustein" zu setzen und "die logische Vervollständigung" der Bebauung am Gronsdorfer Bahnhof anzustreben. Er warb dafür, den Bebauungsplan zu ändern, der noch Gewerbe vorsieht.

Die CSU machte da allerdings nicht mit. Fraktionschef Dietrich Keymer argumentierte, Haar müsse wegen seiner knappen Gewerbeflächen an dem Ziel festhalten, am Gronsdorfer Bahnhof Betriebe anzusiedeln. Man müsse langfristig denken. Außerdem forderte er einen Stopp der Planungen, bis das kürzlich in Auftrag gegebene Einzelhandelsgutachten für die Gemeinde vorliegt. Keymer, Gerlinde Stießberger und auch Andreas Rieder (alle CSU) zweifelten zudem an, dass der durch das Dibag-Projekt zusätzlich zu erwartende Verkehr für Anwohner verträglich abgewickelt werden kann. Sie stellten damit ein Verkehrsgutachten infrage, das genau das bestätigt. Alexander Zill (SPD) griff Keymer deshalb direkt an. Er habe im Urlaub viel darüber nachgedacht, was er im Leben nicht unbedingt brauche, sagte er. Und dann: "Sie mit Ihrer Borniertheit gegenüber Fakten brauche ich nicht."

Außer ums Gewerbe geht es gerade für die CSU in Gronsdorf freilich immer auch um eines ihrer Lieblingsprojekte. Schließlich ist in dem Bereich, jenseits der Schneiderhofstraße, ja auch der Schulcampus mit der von der CSU propagierten Realschule vorgesehen. Die Beschlüsse sind auf Kreisebene gefasst, nach dem Bau der priorisierten Fach- und Berufsoberschule auch eine Pflegeschule und eine Realschule zu schaffen. Der Gutachter hält nun den durch die geplante Wohnbebauung samt Geschäftshaus erwarteten Verkehr für gut zu bewältigen. Auch die FOS/BOS und die Pflegeschule hält dieser für kein Problem. Anders die Realschule. Diese werde erst nach dem Bau einer Nordtangente an der Bahn von Haar-Eglfing nach Trudering gebaut werden können, urteilte er - ein Straßenprojekt, das laut Bürgermeisterin Gabriele Müller (SPD) noch völlig in den Sternen steht.

Alexander Zill warb für die Pläne der Dibag und bezeichnete es als "ein großes Glück", einen Supermarkt nach Gronsdorf zu bekommen. Das passe zum Konzept der "dezentralen Versorgung" in Haar. Er habe 30 Jahre Stillstand und Brache am Bahnhof erlebt. Werner Kozlik (Grüne), der selbst in Gronsdorf wohnt, pflichtete bei. Gewerbe, zumal wenn es sich um produzierendes handeln würde, wäre an der Stelle angesichts der bereits geplanten angrenzenden Wohnbebauung "deplatziert".

Sollte der Gemeinderat, wie erwartet, mehrheitlich die Eröffnung des Bebauungsplanverfahrens beschließen, können sich Bürger zu dem Vorhaben äußern. Die Dibag hofft auf Baubeginn im Jahr 2019.

© SZ vom 14.09.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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