Grünwald:Von wegen nur für Kinder

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Blockflöten-Virtuose Stefan Temmingh präsentiert mit Sopranistin Dorothee Mields Barockmusik

Von Reinhard Szyszka, Grünwald

Blockflöte? Ist doch nur was für Kinder, bestenfalls zum Notenlernen geeignet, bevor man auf ein richtiges Instrument umsteigt. Von wegen. Der Blockflöten-Virtuose Stefan Temmingh aus Südafrika ist angetreten, solche Ansichten Lügen zu strafen. Am Mittwochabend ließ er sich im August-Everding-Saal hören. Ihm zur Seite: die Sopranistin Dorothee Mields und vier weitere Musiker, die unter dem Namen "The Gentleman's Band" firmieren. Dieser Name sowie das Motto des Abends "Inspired by song" verriet schon, worum es ging: englische Barockmusik, vorzugsweise Gesangsstücke mit Variationen. Die Kunst des Variierens war auf den britischen Inseln zur Barockzeit hoch entwickelt; einige der Stücke von damals, insbesondere "Greensleeves", sind noch heute populär.

Das Konzert begann - fast möchte man sagen - "mit einem Paukenschlag", wäre es nicht so subtil, so leise gewesen. Dorothee Mields begann zu singen - unbegleitet, scheinbar ohne Intonationshilfe. Die wenigen instrumentalen Tönchen, die zuvor von den Instrumenten gekommen waren, hätten gut und gerne auch als Kontrolle der Stimmung durchgehen können. Jedenfalls sang Mields a cappella, und als dann die Instrumente einsetzten, stimmte die Tonlage punktgenau. Der Text lautete "John come kiss me now", und im instrumentalen Teil war Temmingh an seiner Blockflöte der "John". Er flirtete während seines Spiels mit Mields, aber auch mit den anderen beiden Damen auf der Bühne, der Harfenistin Margret Köll und der Cembalistin Wiebke Weidanz, worauf Mields mit unverhohlener Eifersucht regierte. Schließlich löste sich die amüsante kleine Szene in Wohlgefallen auf.

Stefan Temmingh beherrscht das gesamte Spektrum der Blockflöte von Sopran bis Bass. Eine ganze Reihe von Instrumenten hatte er mitgebracht, wechselte immer wieder mal vom einen zum anderen, denn die Blockflöte tendiert nach einigem Spielen zur Heiserkeit. Und seine Spieltechnik ist makellos; selbst das Atemschöpfen ist völlig organisch in den musikalischen Fluss eingebaut, ohne unschöne Löcher. Temmingh wagte es sogar, die Sopranblockflöte, den Schrecken aller Nikoläuse und Weihnachtsmänner vom Dienst, solistisch zu präsentieren: in der "englischen Nachtigall" von Jacob van Eyck.

Dorothee Mields verfügt über einen schwerelos klaren, dabei überaus flexiblen Sopran, der selbst im Pianissimo mühelos bis in die hintersten Reihen dringt. Sie vermied es - außer beim Einleitungslied -, die Stücke zu überzeichnen und ihre Interpretation mit romantischem Ausdruck zu überfrachten. Gerade dieses Unaufdringliche, aber doch Bezwingende kam den barocken Liedern zugute.

Die meisten dieser Variationen beginnen schlicht und steigern sich mehr und mehr, um zuletzt als virtuose "showpieces" den Beifall herauszufordern. Im ersten Konzertteil bestand durchaus die Gefahr, dass dieser immer gleiche Aufbau zu Langeweile führen könnte. Doch die Musiker wirkten mit allerlei Überraschungen dem entgegen - zum Beispiel dadurch, dass diejenigen, die gerade nichts zu tun hatten, die Bühne verließen, oder durch ständig wechselnde Farben der Bühnenbeleuchtung, oder dadurch, dass Dorothee Mields den "Irish Tune" vom oberen Balkon aus sang.

Derlei Äußerlichkeiten waren nach der Pause nicht mehr erforderlich, weil die Musik selbst die notwendige Abwechslung bot. Man merkte den Unterschied zwischen Kleinmeistern wie Johan Schop, die man im ersten Teil gehört hatte, und den großen Komponisten Purcell und Händel, die jetzt erklangen. Händels Arie "Sweet bird" mit ihren Vogelstimmen konnte ebenso fesseln wie Purcells Chaconne "O let me weep". Großer Beifall und zwei kleine Zugaben brachten den gelungenen Abend zum Abschluss.

© SZ vom 04.12.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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