Grünwald:Sanfter Teufelsgeiger

Lesezeit: 2 min

Nemanja Radulović und sein Streichquartett Les Trilles du Diable begeistern das Publikum.

Von Udo Watter, Grünwald

Fulminant. Ein Wort, das im Zusammenhang mit musikalischen Interpretationen vielleicht ein wenig häufig gebraucht wirkt - ähnlich wie der reichlich abgenudelte Begriff "Sensation", wenn im DFB-Pokal ein Fußball- Bundesligist mal wieder gegen einen Provinzverein aus dem Wettbewerb fliegt. Fulminant, man sollte dieses Attribut nicht zur schmückenden Phrase eines Konzertes degradieren. Sondern es vielleicht besser aufheben als Beschreibung solcher Klangerlebnisse, wie sie der serbische Violinist Nemanja Radulović und sein Streichquintett Les Trilles du Diable nun im Grünwalder August-Everding-Saal boten.

Schon klar, das Programm beinhaltete fast durchweg Werke, von denen sich nicht mitreißen zu lassen, schon einige Böswilligkeit erfordert hätte. Virtuose Bravourstücke wie Vittorio Montis "Csárdás", Kompositionen von metaphysischer Tiefe wie Bachs "Chaconne" in d-Moll oder von elegischer Anmut wie John Williams' berühmtes Thema aus "Schindlers Liste". Und klar, Radulović, der 2015 als Nachwuchskünstler des Jahres (Violine) mit dem Echo Klassik ausgezeichnet wurde, ist schon allein phänotypisch - hochgesteckte wilde Wuschelhaare, dunkle Augen, enge schwarze Lederhose, Punk Boots - eine Erscheinung. Aber dass das Publikum am Ende des Konzert zum Großteil stehend Ovationen entbot, lag eben auch daran, dass die sechs Protagonisten auf der Bühne musikalisch gehalten hatten, was ihr Frontmann optisch versprochen hatte: eine nicht alltägliche Performance.

Dabei ist Radulović keiner, der sich mit virtuoser Effektzauberei in den Vordergrund spielt. Der unter anderem am Pariser Konservatorium ausgebildete Serbe, dem auch die Tradition der Zigeunergeiger vertraut ist, agiert als hoch emotionaler Künstler, der auf individualistische Weise neue akustische Welten sucht. Ja, er liebt das temporeiche Spiel, und Puristen mögen etwa das Arrangement von Bachs Chaconne, dieses Meisterwerk, das ob seiner spirituellen Tiefe und erschütternden essenziellen Wirkung gerne auch als "musikalischer Grabstein" für seine erste Frau Maria Barbara bezeichnet wird, etwas zu flott und mitreißend empfunden haben. Gleichwohl ist die Interpretation, die Radulović und Les Trilles du Diable in Grünwald spielen, gelungen - stürmisch und wild: also dem ursprünglichen Charakter der Chaconne (chacona: spanischer Volkstanz, der als sinnlich und eher zügellos galt), angemessen.

Feine Spannungsbögen, die sich furios entfalten

Aber Radulović zeigt sich hier auch als Meister der zarten Töne, des dramaturgischen schlüssigen Innehaltens und baut, eingebettet in dunkel schwebende Klangteppiche von Cello und Kontrabass, feine Spannungsbögen auf, die sich dann furios entfalten. Die erforderlichen Phrasierungs- und Grifftechniken beherrscht er ohnehin, überhaupt sind alle sechs Musiker technisch hoch versiert. Das erste Stück des Abends ist auch gleich ein Klassiker für Virtuosen: Fritz Kreislers "Präludium und Allegro." In Radulovićs Interpretation sind die Klangfarben eher klar als warm, er versagt sich jede Form von Schmelz und übertreibt es keinesfalls mit dem Vibrato. Auch das Arrangement von Mozarts "Adagio und Rondo (KV 617) ist originell, lebt von der Artikulationskunst der Protagonisten und wirkt so kultiviert wie funky. Bachs "Chaconne" beschließt den ersten Teil des Abends.

Nach der Pause erklang mit Pablo de Sarasates "Habanera" aus der Carmen-Fantasie ein weiterer Evergreen. Danach ein Werk von Niccolò Paganini. Wer freilich dachte, jetzt kommt ein virtuoses Glanzstück des gerne als "Teufelsgeiger" bezeichneten Italieners - was ja gut zum exaltierten Hauptdarsteller des Abends gepasst hätte - der lag falsch. Sein Cantabile in D-Dur war eher eine Hommage an die Zärtlichkeit. Der Teufelsgeier kann's auch sanft. Charles August de Bériots "Scène de Ballet" war eine humorvolle Klangexpedition durch theatralische Welten, wobei sich hier Radulović ein augenzwinkerndes Duell mit dem Geiger Frédéric Dessus lieferte. Das Hauptthema aus "Schindlers Liste" gelang Radulović allerdings nicht ganz so berührend wie man es im Original von Itzhak Perlman kennt. Fesselnd dann noch mal "Its a man's world" von Emir Kusturica, wobei hier perkussive Momente des Kontrabasses die Gipsy-Klangwelt hübsch flankierten. Montis "Csárdás" war schließlich der fulminante Schlusspunkt: Standing Ovations, vereinzelte Juchzer und zwei Zugaben folgten, darunter Abbas "Gimme, Gimme, Gimme".

© SZ vom 20.03.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken

Gutscheine: