Grünwald:Mit dem Bus zur Polizei

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Eine Afrikanerin wird aus dem Linienbus geworfen, eine andere vom Fahrer an der Wache abgesetzt

Von Claudia Wessel, Iris Hilberth, Grünwald

Dass Beschwerden über Busfahrer in Gemeinderäten vorgetragen werden, kommt immer wieder vor. Mal soll einer zu ruppig fahren, ein anderes Mal wird über Unfreundlichkeit geklagt. Ein ganz spezieller Fall soll sich in Grünwald ereignet haben: Wie Ingrid Reinhart, Gemeinderatsmitglied der Grünen und Leiterin des dortigen Asylhelferkreises, kürzlich in dem Gremium berichtete, wurde eine dunkelhäutige Afrikanerin, die in Straßlach lebt und vom Helferkreis betreut wird, zusammen mit ihrem Kleinkind von einem Busfahrer vor Erreichen ihres Fahrtziels aus dem Bus der Linie 271 geworfen. Später wurde sie von dem Fahrer sogar angezeigt. Die Frau ist laut Reinhart nicht die einzige, die mit dem Fahrer einschlägige Erfahrung gemacht hat. Reinhart spricht von einer klar fremdenfeindlichen Einstellung des Mannes.

Zwei Fälle sind auch bei der Polizei aktenkundig: Wie Andreas Aigner, der Leiter der Polizeidienststelle Grünwald, bestätigt, musste eine Frau an der Haltestelle Waldstraße in Straßlach-Hailafing aussteigen. Als Grund gab der Busfahrer, der anschließend selbst die Polizei verständigt hatte, zu Protokoll: Sie habe ihren Kinderwagen vor den Notausstieg gestellt. Als der Busfahrer sie darauf hinwies, gab es offenbar Streit. Daraufhin sei die Frau vom Fahrer "des Busses verwiesen worden", zitiert Aigner aus den Akten.

Im zweiten, polizeibekannten Fall hatte sich eine Frau - ebenfalls eine Afrikanerin - beim Busfahrer über dessen Verspätung beklagt. Wieder war es der Busfahrer, der die Polizei einschaltete und Anzeige erstattete. "Sie machte laut Anzeigeerstatter schwer beleidigende Äußerungen", so Polizeichef Aigner. Als die Frau einige Tage später wieder in den Bus einstieg, rief der Fahrer die Grünwalder Polizeiinspektion an und legte - weil der Bus auf seiner Strecke nach Straßlach dort vorbei kommt - einen Extra-Stopp vor der Wache ein. Beamte der Inspektion erwarteten den Bus schon und nahmen die Personalien der Frau auf. Die Verfahren laufen noch. Der Ausgang ist offen.

Laut Reinhart handelt es sich bei den beiden Ereignisse nicht um die einzigen Zwischenfälle zwischen Flüchtlingen und dem Busfahrer auf der Linie von Grünwald nach Straßlach. Der Gemeinderätin sind nach eigenen Worten aus den Schilderungen von Flüchtlingen weitere ähnliche Vorfälle bekannt. So sei etwa ein schwerbehinderter Flüchtling von dem selben Busfahrer nicht mitgenommen worden. Für Asylhelferin Ingrid Reinhart Grund genug, die Zustände im Gemeinderat öffentlich zumachen.

Bürgermeister Jan Neusiedl (CSU) allerdings sieht die Gemeinde dabei außen vor. Er verweist auf die Zuständigkeit des Landkreises, in dessen Auftrag das Münchner Busunternehmen Geldhauser die Linie betreibt. Das Landratsamt hat, wie Sprecherin Christine Spiegel mitteilt, das Unternehmen "kontaktiert und für die Thematik sensibilisiert". Kritik an Fahrer und Unternehmen kommt seitens des Amts nicht. Im Gegenteil: Sofern der Kinderwagen vor dem Notausstieg gestanden und die Frau sich geweigert habe, dort wegzugehen, habe der Fahrer "fachlich richtig gehandelt", sagt die Sprecherin.

Beim Busunternehmen gibt man sich weitgehend unwissend. Zwar habe man mit dem Fahrer gesprochen, heißt es, doch dabei ging es offenbar nicht um die genannten Fälle. Dass der Fahrer einen Fahrgast vor der Polizei abgesetzt hat, ist dort angeblich nicht bekannt. Und zu einer möglichen Fremdenfeindlichkeit des Fahrers will man sich ebenfalls nicht äußern. Betriebsleiter Cornelius Kournettas erklärt stattdessen, dass auf der Linie kein eigener Fahrer des Unternehmens eingesetzt sei. Geldhauser lasse auf der Strecke vielmehr einen Partnerbetrieb fahren. Dem Betriebsleiter ist nach eigenen Worten nur bekannt, dass der 271er Bus häufig zu spät gekommen sei, weil der Fahrer die Kontrolle der Fahrscheine ganz genau genommen habe.

© SZ vom 19.12.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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