Grünwald:Entwaffnender Klangzauber

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Die argentinisch-französische Cellistin Sol Gabetta und der Pianist Bertrand Chamayou füllten den Grünwalder August-Everding-Saal, wie es heuer noch bei keinem Konzert der Fall war. (Foto: Angelika Bardehle)

Die Cellstin Sol Gabetta und der Pianist Bertrand Chamayou bieten im ausverkauften August-Everding-Saal mit ihren Interpretationen von Britten, Beethoven und Chopin ein ganz besonderes Hörerlebnis

Von Udo Watter, Grünwald

Es ist ein lakonisches, fragendes Herantasten des Cellos. Mal zurückhaltend, mal drängend. In kurzen, erregten Intermezzi entlädt sich dann zwar der Dialog zwischen Cello und Klavier, doch am Ende des ersten Satzes steht ein melancholisch-unentschiedenes Verklingen. Durchgehend aufwühlend wird's auch im zweiten Satz nicht. Sol Gabetta legt ihren Bogen weg, es steht das Scherzo pizzicato an, der an den Stil von Bartók gemahnende zweite Satz von Benjamin Brittens Sonate für Violoncello und Klavier in C-Dur. Mit der ihr eigenen, anmutigen Körpersprache biegt sich die gebürtige Argentinierin an den Korpus ihres Instruments, die Finger begeben sich auf nervöse Zupf-Exkursionen, mal humorvoll, mal enervierend scharf. Ihr Partner im Grünwalder August-Everding-Saal, der französische Pianist Bertrand Chamayou, spielt seinen Part angemessen und setzt im Schlussduell die Pointe, die wie ein Bäuerchen klingt.

Brittens im Jahr 1961 veröffentlichte Sonate, eine Komposition, die von seiner Freundschaft zum großen Cellisten Mstislav Rostropowitsch inspiriert war, erwies sich als aufregendes Hörerlebnis an diesem Abend. Auch im dritten Satz, der Elegia, zeigen sich die Virtuosen auf der Höhe. Die mehrfache Echo-Klassik-Preisträgerin Sol Gabetta entfaltet eindrucksvoll klagende, kantable Linien, das mutet mitunter suggestiv bis an die Schmerzgrenze an und im Zusammenspiel mit Chamayou entstehen auch echohaft-verrätselte Klangräume. Nach einer durch Doppel- und Mehrfachgriffe geprägten Steigerung verschwebt das Ganze wieder. Danach die maschinell-wirbelnde, abgehackte "Marcia", mit quietschend-flirrenden Momenten, und der Finalsatz - kein Ohrenschmeichler, aber furios.

Zum Einstieg boten die beiden Beethovens 1996 veröffentlichte, dem preußischen König Friedrich Wilhelm II. gewidmete Sonate Nr. 1 für Violoncello und Klavier in F-Dur. Es ist ein frühes Werk des Komponisten, mit dem er nicht zuletzt den Weg bahnte für eine Neu-Gewichtung der Gattung - beide Instrumente agieren auf Augenhöhe - das andererseits noch nicht die Stimmigkeit und Genialität späterer Kompositionen hat. Gabetta und Chamayou, der unter anderem 2016 den Echo Klassik für die Einspielung von Klavierwerken Ravels gewann, entschieden sich generell für eine relativ temporeiche Interpretation. Das war effektsicher, aber Artikulation und dynamische Abstufungen hätten noch etwas ausgefeilter sein können. Auch griff der 1981 in Toulouse geborene Franzose hier ab und an zu heftig in die Tasten. Der Grünwalder Steinway klingt generell hervorragend, ist aber mit einer gewissen Zurückhaltung zu handhaben - quasi der Fluch der guten Akustik im intimen Ambiente des August-Everding-Saal mit seinen gut 300 Sitzplätzen. Nun, recht flott und teils mit sprühendem virtuosen Temperament spielten die beiden Musiker auch den oft beschwingten Finalsatz. Das machte Eindruck, an manchen Stellen hätte der musikalische Vortrag indes einen Tick mehr Akribie und Prägnanz vertragen.

Der Applaus danach war jedenfalls sehr kräftig. Man konnte, auch im weiteren Verlauf des Abends, das Gefühl gewinnen, er steigerte sich immer noch ein wenig, wenn Sol Gabetta auf die Bühne zurückkam und ihr bezwingendes Lächeln zeigte. Der Star-Cellistin, die seit 2010 im Bayerischen Fernsehen auch das Musikmagazin Klick Klack moderiert, fliegen die Herzen einfach zu, nicht zuletzt, weil ihr großes musikalisches Können so schön mit ihrer entwaffnend charmanten Ausstrahlung korrespondiert. Auf kein Konzert in Grünwald war in diesem Jahr der Run so groß, etliche Besucher im August-Everding-Saal lauschten der 35-Jährigen und ihrem Partner von einem Stehplatz aus.

Im zweiten Teil hörten sie ein Chopin-Programm. Die in den Jahren 1846/47 komponierte Cello-Sonate in g-Moll gehört nicht zu seinen populärsten Werken. Besonders dem langen ersten Satz, mit dem er sich in der Tat sehr gequält haben muss, sagt man einen Mangel an schlüssig-dramatischer Entwicklung nach. Er ertrinke in der Flut der musikalischen Ideen, die zu keiner Auflösung führen, und leide darunter, dass Chopin halt doch immer zu sehr aufs Klavier blicke. Wie auch immer: Die Interpretation des viersätzigen Werkes gelingt insgesamt eindrücklich, besonders Gabetta entfaltet in manchen Passagen liedhaft strömenden Klangfarbenzauber, im Largo wird der stets lauernde Weltschmerz durch lyrisch-warmes Timbre quasi entwaffnet. Chopins Grand Duo concertant über drei Themen aus Meyerbeers "Robert le diable" ist dann ein effektvoller Abschluss, mit dankbaren Solopassagen für den Pianisten zu Beginn, aber auch schönen virtuosen Herausforderungen für die Cellistin. Fast erwartbar die Bravo-Rufe danach. Als Zugabe erklingt die Adaption einer Chopin-Etüde in c-Moll. Zeit, noch mal innezuhalten.

© SZ vom 02.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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