Grünwald:Die trauen sich was

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Kinder lernen beim Ferienzirkus Kunststücke. In einer Gala an diesem Donnerstag zeigen sie ihr Können in der Manege

Von Ulrike Schuster, Grünwald

Vom Seil fallen sie schon mal nicht. Die Schwestern Lara, 8, und Lena, 9, sind in der Balance. Sie machen sogar den schwebenden Flieger, mit verbundenen Augen. Eine waghalsige wie grazile Paar-Figur, die nicht ohne konzentrierte Körperbeherrschung funktioniert. Die Mädchen gehören zu den 25 Kindern, die an einem viertägigen Workshop des internationalen Kinderzirkus "Trau dich" teilnehmen. Angemeldet haben sie sich über das Ferienprogramm von Grünwald.

Hätte die Konzentration bei Lara und Lena aber nachgelassen, wäre Mareike Wonka zur Stelle gewesen. Die 26-jährige Zirkus-Pädagogin übt seit 9 Uhr mit den Kindern das Übers-Seil-Gehen. Mal sehend- aufrecht, mal Hand in Hand als Paar, und auch mal mit Tüchern auf der Schnur, für die die Kinder in die Knie gehen müssen, um sie aufzuheben. "Vier Tage à drei Stunden ist Zirkus intensiv, die Kinder verbessern sich schnell", sagt Wonka. Die Kunst sei vielmehr, die Buben und Mädchen so lange bei Laune zu halten.

Bloß die Balance halten: Im Zirkus-Workshop lernen Buben und Mädchen, ihren Körper zu beherrschen. (Foto: Claus Schunk)

Für Abwechslung sorgen die fünf Zirkus-Disziplinen: Zwischen Jonglage, Seillauf, Einrad, Laufkugel und Stelzenlauf konnten die Sechs- bis Neunjährigen auswählen. An Tag eins, dem Schnuppertag, wurde ausprobiert, vom zweiten Tag an arbeiteten die Kinder daran, Spezialisten an ihrem jeweiligen Gerät zu werden.

"Das Tolle ist, im Zirkus gibt es keine Gewinner oder Verlierer", sagt Pädagoge Matthias Hügenell, 29. "Die Kinder kommen, wie sie sind, und zeigen, was geht. Fertig." Mit 14 Jahren kam er selbst zum Zirkus, jonglierte mit dem Diabolo und den "Devil-Sticks", bringt heute noch für private Feste eine Zirkus-Show auf die Bühne. Viel häufiger hilft er Kindern, Erfolge zu erleben und Kunststücke zu üben. Wieder und immer wieder, bis sie klappen.

Zirkuskind Helena trippelt mit Hügenells Arm-Hilfe auf der Laufkugel durch den Hütchen-Slalom-Parcours. Die Siebenjährige aus Pullach war schon in den großen Ferien 2015 dabei. Im Vorjahr sei sie auch mal auf die Nase geknallt, heuer passiere ihr das aber nicht mehr, sagt sie: "Ich bin dran geblieben, habe zu Hause geübt."

Das Scheitern, Aufstehen und Weitermachen ist eine der Ideen, die hinter dem Zirkus steckt. Projektleiterin Helga Hügenell setzt sich seit 1988 für den Zirkus "Trau dich" ein. Die Spiele machen Kinder selbstbewusst, zeigen, was Rücksicht und einander Helfen heißt, wie sie sagt. Grenzen, Hierarchien? Kennt die Manege nicht. "Zirkus kann jeder, egal, ob er die Sprache spricht, gesund oder behindert, reich oder arm ist", sagt die 56-Jährige.

Die Balance zu halten, lernen die kleinen Akrobaten unter anderem beim Einradfahren. (Foto: Claus Schunk)

Oft werden sie von Kindergärten und Schulen für Projekt-Tage gebucht, immer öfter heiße es von den Erziehern: "Sie wollen mit den Kindern Seilspringen? Das wird schwierig." Kinderspiele wie "Fischer, welche Fahne weht heute?" und "Wer hat Angst vorm schwarzen Mann?" sind heute nicht mehr an der Tagesordnung im Hof. Auch dagegen will der Zirkus ein Beitrag sein. "Körperliche Bewegung macht auch den Geist fit", sagt Helga Hügenell. "Wer im Einrad-Team kämpft, will auch in der Gesellschaft mitmischen." Jeden Mittwochabend bietet "Trau dich" kostenfreies Zirkus-Training in der St.-Matthäus-Kirche in der Ludwigsvorstadt an.

Lennard, 8, und Jakob, 9, werfen sich das Diabolo zu. "Hey, Hammertrick. Zeig mal", ruft Lennard seinem besten Freund zu. Sie sind Nachbarskinder aus Baierbrunn. Ihre Familien fahren zusammen nach Italien, ins Ferienhaus ans Meer. Vor der Abfahrt wollen sich beide Jungs ein Diabolo kaufen. "Im Sand spielen ist sicher noch cooler", sagt Lennard. Vor ihrem Auftritt an diesem Donnerstag haben sie keine Angst - it's Showtime! Sie werden eine gute Figur machen. Allein schon, weil sie hinreißend aussehen.

© SZ vom 11.08.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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