Grünwald:Die Reihen geschlossen

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Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen erlebt in Grünwald ein Heimspiel

Von Anna Hordych, Grünwald

Die Ära Helmut Kohl klingt auch an diesem Freitagabend in Grünwald noch nach. Sowohl der CSU-Bundestagsabgeordnete Florian Hahn als auch sein prominenter Gast, Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen (CDU), kommen bei der Parteiveranstaltung im Bürgerhaus zum Thema Sicherheit auf den kürzlich gestorbenen Altkanzler zu sprechen. Hahn, der mit von der Leyen im Verteidigungsausschuss des Bundestags sitzt und die Ministerin in den Landkreis eingeladen hatte, erinnert sich an die Wendezeit und daran, wie ihn die Ereignisse 1989 derart prägten, dass er noch Teenager beschlossen habe, "Politik nicht mehr länger nur im Fernseher zu verfolgen, sondern live zu erleben".

Wenn dagegen die Ministerin auf den Altkanzler zu sprechen kommt, dann weniger aus persönlichen Gründen, sondern wegen des ambivalentes Erbes der Wiedervereinigung, oder anders formuliert: "25 Jahre Schrumpfen der Bundeswehr". Denn nach der Wende waren zunächst die NVA-Truppen zur Bundeswehr hinzugekommen, hatte sich die Zahl der Soldaten drastisch vergrößert. Mit der in der Folge beschlossenen Reduzierung und Umstrukturierung kämpft die Armee noch heute, etwa mit Funkgeräten aus den Achtzigerjahren und Lastwagen aus den Siebzigern, wie die Ministerin scherzhaft ausführt. Trotz des ernsten Themas ist die Stimmung im Bürgersaal sehr aufgeräumt. Die vielen Zuhörer im restlos besetzten Saal quittieren die amüsanten Pointen der Ministerin mit viel Applaus und Gelächter.

Stillgestanden: Vor Schloss Nymphenburg werden 521 Offiziersanwärter der Bundeswehr-Universität in Neubiberg, unter ihnen 74 Frauen, von Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen zum Leutnant befördert. (Foto: Claus Schunk)

Von der Leyen nutzt die Veranstaltung naheliegenderweise für den Wahlkampf und wirbt mit Wort-Doppeln, in denen sie Deutschland als "Stabilitäts-Anker" und "Wirtschafts-Lokomotive" bezeichnet, für die Wiederwahl von Angela Merkel als Kanzlerin. "Die Seitenhiebe auf SPD und Linke hätte es hier eigentlich nicht gebraucht", resümiert eine Zuhörerin im Nachhinein. In den Augen von Viviana Pfannenstiehl ist die Veranstaltung ohnehin ein "Heimspiel" für die Ministerin, schließlich stünden die allermeisten Besucher der Union nahe. Lieber hätte sie etwas über die Arbeit der Ministerin erfahren und deren persönlichen Umgang mit dem Militär. Auch im Gespräch mit anderen Besuchern wird deutlich, dass die jüngsten Fälle um rechte Umtriebe in der Bundeswehr die Neugierde am Auftritt der Verteidigungsministerin befeuert haben. Das gilt gerade für die jungen Leute, die keine Stammgäste im Grünwalder Bürgerhaus sind. Für den 23-jährigen Studenten Alexander Haaks und dessen Kommilitonen Daniel Kremer etwa haben die Diskussion um den türkischen Militärstützpunkt Incirlik und die Entlassung von Offizieren unter Extremismus-Verdacht den Abend aktuell und wichtig werden lassen. Doch dazu gibt es bei dieser Etappe der Ministerin, die zuvor das Cyber-Abwehrzentrum an der Bundeswehr-Uni in Neubiberg eröffnet hat und am Samstag an dem Beförderungsappell der Offiziersanwärter vor Schloss Nymphenburg teilnahm, wenig bis nichts.

Von der Leyen und Hahn sprechen dagegen über Irak, Afghanistan und den IS und europäische Sicherheits- und Verteidigungsstrukturen wie ein europäisches Verteidigungsgremium und ein europäischer Verteidigungsfonds, über den am Freitag in Brüssel diskutiert wurde. Die Ministerin macht in Grünwald deutlich, dass sie voller Optimismus auf die Kooperation innerhalb des "Europäischen Hauses" blicke. Doch ob Nato oder eine europäische Verteidigungsunion - beides fordere wichtige Zugeständnisse auf finanzieller Ebene.

Habe die Ehre: Grünwalds Bürgermeister Jan Neusiedl verneigt sich vor Verteidigungsministerin Ursula von der Leyen, dem CSU-Kreisvorsitzenden und Bundestagsabgeordneten Florian Hahn gefällt das offensichtlich. (Foto: Claus Schunk)

Auch wenn sie die heiklen Themen umschiffte - die 20-minütige Rede der Verteidigungsministerin findet große Zustimmung beim Publikum: "Ein sehr gutes Auftreten, sehr klar gesprochen", befindet beispielsweise der Grünwalder Unternehmer Thomas Schwartz und sagt: "Sie war mir merklich sympathischer als im Fernsehen."

© SZ vom 26.06.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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