Grünwald:Ackern für die letzte Ruhe

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In der Friedhofsgärtnerei Hiltner herrscht vor Ostern Hochbetrieb, doch eigentlich eilt es in diesem Metier immer. Viermal im Jahr werden die Gräber neu gestaltet und jede Beerdigung bringt eine Menge dringender Aufträge

Von Claudia Wessel, Grünwald

Die Bestellung von zwei Wagenrädern kam per Fleurop. Christine Wiplinger und Ingrid Stark dachten daher gar nicht lange nach und machten sich an die Arbeit. Es eilte schließlich, wie immer, wenn Kränze für eine Beerdigung bestellt werden. Wagenräder - so nennen die Inhaberin des Blumenladens in der Friedhofsgärtnerei Hiltner in Grünwald und ihre Mitarbeiterin die riesigen Kränze mit einem Meter Durchmesser. Der eine der beiden kostete 650 Euro, der andere 400. Sie stehen noch auf dem frischen Grab, richtige Kunstwerke.

Diese beiden Kränze sind rundgesteckt, was bedeutet: Blumen rundherum. Viele Blumen, bunte Blumen, es sind also sehr dicke, sehr bunte, sehr auffallende Kränze, und sie machen sehr viel Arbeit. Bestellt worden waren sie von einer Firma, mit der der Verstorbene zu tun hatte, vielleicht hatte er auch dort eine hohe Position inne. Wie auch immer, man wollte ihm auf diese Weise die letzte Ehre erweisen. Und weil die Bestellung eben per Fleurop kam, der Rest des Blumenschmucks dagegen vom Bestatter organisiert worden war, konnten Wiplinger und Stark nicht ermessen, ob der gewisse Prunk angemessen war. Sie stellten die Kränze einfach her, so schnell wie möglich, zu zweit, um es rechtzeitig zu schaffen, und ließen sie in die Aussegnungshalle bringen.

Christine Wiplinger macht die Gestecke. (Foto: Angelika Bardehle)

Die Sache mit dem angemessen sein des Trauerschmucks, die ist schon wichtig. Und wenn die Gärtnerei Hiltner die gesamte Beerdigung mit Trauerschmuck ausstattet, achtet man darauf. Wenn Angehörige oder Freunde in den Laden kommen, um ein Gesteck oder einen Kranz zu bestellen, muss Christine Wiplinger fragen: "In welchem Verhältnis standen Sie zum Verstorbenen?" Denn es gibt quasi eine Hierarchie der Kränze: Der auffallendste, größte, prominenteste Schmuck soll von den nächsten Angehörigen kommen. "Wenn jetzt die Ehefrau ein kleines Herz aus Rosen bestellt, dann kann nicht eine Freundin auch ein Herz bestellen." In all dem Stress, der jedes Mal vor einer Beerdigung entsteht, denn diese kündigt sich schließlich nicht lange vorher an, sondern muss innerhalb von drei Tagen stattfinden, behält also Christine Wiplinger noch den Überblick über die bestellten Gestecke und Kränze.

Übrigens: Ein Auftrag drei Tage vor der Beerdigung ist schon Luxus. "Oft kommen sie auch noch viel kurzfristiger", sagt Wiplinger, viele per E-Mail. Sie liest daher jeden Morgen, bevor sie in die Großmarkthalle zum Blumeneinkauf fährt, noch die Eingänge. Denn es gibt zahlreiche Sonderwünsche. "Man muss immer mit dem Maximalen rechnen und sehr organisiert sein." Manchmal gehe es "tröpfchenweise los", so die Floristin. Ein Kranz, ein Gesteck, dann die Schleifen. Viele wollen da noch etwas Besonders. Einige Schleifen sind im Laden vorrätig. Etwa die in Weiß-Blau, die in Weiß-Grün für die Schützen, die mit dem roten Kreuz für die Rotkreuzschwestern aus dem Grünwalder Schwesternheim. Wenn jemand aber nun noch einen Golddruck möchte, dann muss eine Druckerei in München beauftragt werden. Für die Texte auf der Schleife gibt es zum Glück "ein Vorzeigebuch", so Stark. Darin sind Textmuster, aus denen "meist jeder etwas Passendes findet".

Gärtner Andreas Engelhart ist mit der Frühjahrsbepflanzung befasst. (Foto: Angelika Bardehle)

Die Kundenwünsche stellen die Floristinnen oft vor Herausforderungen. Da wünscht sich etwa jemand einen Kranz in Lila Pink mit Himbeerschleife. Christine Wiplinger wird sich dann in der Großmarkthalle auf die Suche machen nach Blumen in der passenden Farbe, etwa Flieder. "Man muss aber immer noch eine Alternative haben", sagt sie. Denn es kann natürlich sein, dass genau an diesem Vormittag keine entsprechenden Farben zu haben sind. "Es ist dann das Geschick der Floristin, den Kranz so zu machen, dass er in etwa so aussieht wie der Kundenwunsch."

Doch die Arbeit rund um die Beerdigungen sind nicht das Einzige, das Wiplinger und Stark sowie die beiden Friedhofsgärtner der kleinen Firma auf Trab hält. Vor allem jetzt im Frühling und vor Ostern kommen dazu noch zahlreiche weitere Aufgaben. Weil viele Angehörige jetzt ihre Gräber schön ausstatten und am Ostersonntag dann mit Verwandten besuchen möchten, bestellen sie Gestecke, die in dem Pavillon vor dem Laden von den beiden Floristinnen hergestellt werden.

An Ostern sollen die Gräber auf dem Waldfriedhof schön geschmückt sein. (Foto: Angelika Bardehle)

Alle Hände voll zu tun haben auch Pablo Neuner, 29, und Andreas Engelhart, 38, die beiden Friedhofsgärtner der Firma Hiltner. Im Moment sind sie mit der Frühjahrsbepflanzung in leuchtenden Farben befasst. Die Gräber werden aus der Winterruhe geweckt mit Stiefmütterchen, Hornveilchen, Bellis, Hyazinthen, Ranunkeln, Primeln und Osterglocken. Die Art der Blumen richtet sich auch danach, ob es ein Sonnengrab oder ein Schattengrab ist - auf dem Waldfriedhof gibt es sehr viele von Letzteren.

Pablo und Andreas lieben ihren Job. "Vor allem vormittags sind wir hier meist ganz alleine", sagt Andreas. Die Ruhe lieben sie, obwohl "Druck haben wir schon", was die Arbeit betrifft. Es gibt niemals eine Pause, denn kaum sind die ersten Gräber, bei denen man den Auftrag für die Dauerpflege hat, bepflanzt, müssen andere abgeräumt und umgegraben und Einfriedungen beschnitten werden. Bei allen Arbeiten müssen die beiden außerdem genau Buch führen, für die Rechnung an die Kunden. Pablo hat ein vollgeschriebenes kleines Heft dabei, in dem die Anzahl der gepflanzten Blumen ebenso wie die der verwendeten Stunden steht. "Im Büro schreibe ich das noch mal ordentlich ab", sagt er. Denn was er am Grab mit erdigen Handschuhen einträgt, kann nur er lesen.

Bei all der Arbeit, die Floristinnen und die Gärtner haben, bleibt da auch noch Zeit für philosophische Gedanken über Leben und Tod? "Eigentlich nicht", sagt Pablo. Manchmal aber sehe man jemanden an einem Grab stehen und weinen. "Dann denkt man schon daran." Auch Christine Wiplinger ist sich bewusst, dass sie besondere Kunden hat, Menschen in Trauer, denen sie Empathie entgegenbringen muss. Je nachdem, in welchem Verhältnis die Angehörigen zu dem Toten standen, ist der Kontakt eine sensible Sache.

Aber schnell muss sie ihre Gedanken wieder auf das Praktische konzentrieren: Rundgestecktes Wagenrad oder Tuffkranz mit nur teilweiser Blumenbesteckung? Die Unterlage aus Tannengrün, Thuja oder Latsche? Welche Blumen haben schon offene Blüten, sind aber bis zur Trauerfeier noch nicht verwelkt? Wenig los ist bereits, wenn nur eine Beerdigung pro Tag ansteht. "Wir hatten auch schon drei", sagt Christine Wiplinger. Nichts zu tun? Das haben die beiden Floristinnen noch nicht erlebt. Es liegt in der Natur der Sache.

© SZ vom 13.04.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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