Keine Frage, Grönemeyer ist lockerer geworden. Denn "Schiffsverkehr" steht auch für einen Neustart in seiner Karriere. Die Zeit der Trauer nach dem Tod seiner Frau Anna und seines Bruders Wilhelm, die 1998 innerhalb einer Woche an Krebs starben, ist vorbei. "Das Trauern ist nur noch eine von vielen Farben in meinem Leben", sagte der Sänger jüngst dem Stern.
Die anderen Farben zeigt er inzwischen immer öfter. In München flachst er über die eigenen Falten und genießt es sichtlich, die selbstironischen Zeilen des Songs "So wie ich" vorzutragen. "Ich bin total in mich verliebt", heißt es da.
Es gibt jedoch auch den ernsten Herbert Grönemeyer, der sich am Afghanistan-Einsatz deutscher Soldaten ("Auf dem Feld") oder an religiösem Fanatismus ("Ein Stück vom Himmel") abarbeitet. Dann wiederum zeigt er seine sanfte Seite, als er sich ans Klavier setzt und "Deine Zeit" anstimmt, ein anrührendes Lied über die Alzheimer-Erkrankung seiner Mutter.
Und wer nicht weiß, wie man Liebe in Worte fassen kann, der braucht nur im Text von "Der Weg" nachzuschlagen, dem Lied für Grönemeyers verstorbene Frau Anna. "Ich trag dich bei mir, bis der Vorhang fällt", singt er. Tränen stehen in seinen Augen.
Harte Schale, rauer Kern - das sagt man über die Menschen im Ruhrpott. Herbert Grönemeyer ist Kumpel geblieben. Ein Kumpel, der zur Öffentlichkeit "fast schon Steffi-Graf-haft" (FAZ) Abstand hält und der dennoch auf eine angenehme Weise transparent ist. Man kennt seine Glücksmomente und Nackenschläge, ohne dass er sich mit politischen Grundsatzreden bei der Politik anbiedert und ohne dass er in mehrseitigen Homestorys sein Privatleben ausbreitet.
Verschwitzter Mann mit rauer Stimme
So schafft er es, auch im mit mehreren zehntausend Menschen gefüllten Olympiastadion eine Intimität zu zaubern, die man sonst nur selten bei Konzerten dieser Größenordnung findet. Gedankenversunken stehen junge Männer im Businesshemd neben iPhone-Twens, Familienvätern mit Kindern und Mädchen mit Rastalocken und alle singen sie inbrünstig "Halt mich" mit: "Nur ein bisschen, dass ich schlafen kann".
Mehr als zweieinhalb Stunden ackert Grönemeyer, dieser ehrliche Arbeiter des Deutschrocks, da oben auf der Bühne. Selten hält es ihn lange an einem Ort, immer wieder sucht er den Weg zu den Fans und ballt nach dem Schlussakkord die Faust, wie ein Fußballspieler nach einem Siegtor in der 89. Minute. "Da schreit das Herz vor Freude", ruft Grönemeyer und wer ihm ins Gesicht schaut, der sieht, wie schwer es ihm gerade fallen muss, ebenjenes Organ zu bändigen.
Zehn Zugaben bekommt das Münchner Publikum. Kurz vor dem Ende, während "Lass es uns nicht regnen", bricht der Himmel auf. Es blitzt und schüttet aber Grönemeyer singt weiter und die hartgesottenen Fans ziehen einfach die T-Shirts aus und tanzen im Regen. Und einige Augenblicke später, als mit "Unfassbarer Grund", das letzte Lied des Abends erklingt, hat sich das Wetter schon wieder beruhigt.
Während die ersten Fans zum Ausgang drängeln, stehen andere durchgeweicht im weiten Rund des Olympiastadions und schauen still auf die beleuchtete Bühne, wo eben noch ein verschwitzter Mann mit kurzen hellen Haaren und einer rauen Stimme "Servus München" ins Mikrofon rief. Er hat sie schließlich doch zum Singen gebracht. Es hat nur ein wenig gedauert.