Grasbrunn:Wer dem Leben misstraut

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Das Mundartdrama "Nebelreißn" von Ralph Wallner zeichnet die Lebensgeschichte einer Sennerin im Bayern um die Jahrhundertwende ohne Pathos und Alpenkitsch. Am Wochenende inszeniert der Autor sein Stück in Harthausen

Von Irmengard Gnau, Grasbrunn

Schnaufend betritt der Mann die niedrige Stube. Er hat den Hut tief ins Gesicht gezogen. Es ist ein anstrengender Weg hinauf auf die Alm, drei Stunden Fußmarsch liegt sie vom Dorf entfernt. Der Aufstieg ist besonders beschwerlich, wenn der Nebel aus der Schlucht aufzieht, wie er es oft tut. Dort oben hin hat sie sich zurückgezogen, die Frau, die einmal die Bäuerin eines angesehenen Hofs war. Bevor sie ausgestoßen wurde von den Dorfbewohnern, die sich hinter vorgehaltener Hand noch immer das Maul zerreißen über die wortkarge Sennerin und die seltsamen Umstände, unter denen ihr Ehemann sie damals vom Hof gejagt hat.

Von Naturromantik und Alpenglühen ist nichts zu spüren im Theatersaal des Harthauser Bürgerhauses. Es geht um Verzweiflung und Macht, Liebe und Missgunst. Die Bühne ist mit treffender minimalistischer Kulisse ausgestattet, die Gesichter der Bauern sind spröde wie die bayerische Berglandschaft um die Jahrhundertwende, in der Autor Ralph Wallner, 47, sein Stück angesiedelt hat. "Nebelreißn" ist ein Drama, das die Tradition alter Schauspielstücke aufgreift und sie in eine zeitgenössische Inszenierung übersetzt.

In den authentischen Mundarttexten wird die Bewunderung spürbar, die Wallner Vertretern der alpenländischen Literatur wie Ludwig Ganghofer oder Ludwig Anzengruber entgegenbringt. Mit seinen Komödien zählt der gebürtige Münchner in den vergangenen Jahren zu den meistgespielten Theaterautoren im süddeutschen Raum, auch Theatergruppen im Landkreis greifen gern auf seine Stücke wie "Gpenstermacher" oder "Der Vampir von Zwicklbach" zurück. Mit "Nebelreißn", das 2014 erschienen ist, bricht Wallner aus dem Heimatstückklischee aus und wagt sich als Mundartautor an einen ernsten Stoff. Es habe ihn einfach gereizt, ein Drama in dieser Atmosphäre anzusiedeln, sagt Wallner. "Ein Drama braucht eine andere Energie als eine Komödie. Man kann sich nicht auf Situationskomik stützen, sondern muss mehr über den Inhalt gehen."

Auf der anderen Seite, als Schauspieler hat der vielseitige Münchner bereits reichlich Erfahrung auf der ernsten Bühne gesammelt, er tritt als Choreograf ebenso in Erscheinung wie als Spielleiter und Sänger. An diesem Wochenende inszeniert Wallner seinen eigenen Stoff nun in Harthausen. Von Freitag bis Sonntag wird das Bürgerhaus zur Spielfläche. Den Bezug zum Bairischen bekam Wallner, obschon als Kind nicht Mundart sprechender Eltern in München aufgewachsen, schon früh. Als Vierjähriger musste er sich von einer Nachbarin einen "kloanen Saupreißn" heißen lassen, nachdem er deren Vorhänge als "Gardinen" bezeichnet hatte. Dieses Erlebnis sei ihm Motivation genug gewesen, sich auf den Spielplätzen Perlachs den Dialekt anzueignen. Als Souffleur beim bayerischen Volkstheater festigte Wallner seine Kenntnisse und machte sich schließlich mit seinen eigenen Mundartstücken einen Namen. Die hohe Nachfrage und Beliebtheit, die bairische Stücke in den vergangenen Jahren in Theater-, Film- und Romanform erleben, sieht Wallner auch als eine Art Parallelbewegung zur gegenwärtigen Internationalisierung. "Es ist schön, sich auch als Weltbürger auf heimatliche Dinge zurückzubesinnen", sagt er.

"Nebelreißn" nimmt diese Bezüge auf, ohne in Kitsch oder Pathos zu verfallen. Die Schauspieler Gabi Hausperger, Lissi Droßbach, Lorenz Sirtl, Michael Konle und Michael Hausperger, die zum großen Teil auch in Perlach auf der Theaterbühne stehen, schaffen mit ihrem eindringlichen Spiel eine dichte Atmosphäre.

Iris Koneczny lässt die tiefen Verletzungen spüren, die hinter der harschen Rede der Sennerin verborgen liegen. Nach den Erfahrungen, die sie hat machen müssen, kämpft die verstoßene Frau auch gegen ihr eigenes Misstrauen an. "Dir vertrau i scho", lässt der Autor seine Hauptfigur zu ihrem Mann sagen, "nur am Lebn vertrau i ned".

"Nebelreißn" ist am Freitag, 22., Samstag, 23., und Sonntag, 24. Januar, im Bürgersaal Harthausen zu sehen. Das Stück beginnt um 19.30 Uhr, Einlass ist von 19.15 Uhr an. Restkarten gibt es unter Telefon: 0152/04 69 84 79.

© SZ vom 22.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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