Grasbrunn:Tierschutz als Menschenschutz

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Max Walleitner und seine Frau Doris betreiben in der Türkei und Nordgriechenland "strukturellen und inhaltlichen Tierschutz", wie Walleitner sagt. (Foto: privat)

Doris und Max Walleitner aus Grasbrunn sehen viele Vorteile, wenn sie Straßenhunde- und katzen in der Türkei und Nordgriechenland versorgen.

Von Christoph Hollender, Grasbrunn

Vier Tage dauert die Reise mit dem weißen VW-Bus von Grasbrunn aus in die Türkei. Das Fahrzeug ist vollgestopft mit Operationsutensilien. Und das Ziel der Reise ist klar: so viele Hunde wie möglich von der Straße retten und aufpäppeln. Max, 62, und Doris Walleitner, 56, haben ein eher ungewöhnliches Hobby. Zweimal im Jahr fährt das Ehepaar aus Neukeferloh nach Nordgriechenland oder in die Türkei, um dort "strukturellen und inhaltlichen Tierschutz" zu betreiben, wie Max Walleitner sagt.

Praktisch sieht das Ganze so aus: Die Tiere - vor allem Hunde, aber auch Katzen - die auf den Straßen leben, werden gefangen, kastriert, gepflegt oder medizinisch versorgt, und dann wieder freigelassen. Es klingt anfangs überraschend, wenn Max und Doris Walleitner davon erzählen, doch für beide haben ihre Projekte einen "tieferen Sinn". Sie sehen in dieser Art des Tierschutzes auch eine Art "Menschenschutz". Denn kastrierte Hunde seien weniger aggressiv gegenüber anderen Tieren und Menschen, könnten sich nicht weiter vermehren und würden durch die medizinische Versorgung weniger Krankheiten verbreiten, so die Argumente der beiden. Um das "Leid der Tiere auf den Straßen" zu vermindern, arbeitet das Ehepaar mit griechischen und türkischen Tierschützern, Veterinären und mit den kommunalen Verwaltungen zusammen.

Es dauere Jahre, erzählt Max Walleitner, bis die Zusammenarbeit mit den Menschen in den jeweiligen Regionen perfekt klappe und das notwendige Vertrauen entstehe. Beide geben zu, es wirke für viele Einheimische überraschend, dass Ausländer wie die Walleitners zu ihnen kommen, um den dort größtenteils ungeliebten Straßentieren zu helfen. Tierschutz sei in Mittelmeerländern nicht gut angesehen - noch nicht, meint Max Walleitner. Alles, was in dieser Hinsicht direkt in Griechenland oder in der Türkei geschehe, werde aus Deutschland finanziert; über den Verein "Tierinsel - Umut Evi", übersetzt aus dem Türkischen bedeute das so viel wie: "Haus der Hoffnung". Den Verein leitet seit fünf Jahren Max Walleitner, der 2003 auch maßgeblich an der Gründung der Organisation beteiligt war.

"Das hat uns schockiert."

Wie es dazu kam und wieso das Grasbrunner Ehepaar ausgerechnet Tierschutz in fremden Ländern betreibt, erklärt Max Walleitner: Alles habe während einer Türkeireise begonnen. In dem Touristenort Kuşadası sei dem Ehepaar die "unerträgliche Situation" von Straßentieren aufgefallen. Es habe unzählige wilde Hunde und Katzen gegeben, die durch die Straßen streunten; verletzt, aggressiv und verwahrlost. Viele der türkischen Dorfbewohner hätten nach den Tieren getreten, auf sie geschossen, sie gefangen und weggesperrt, und in Kauf genommen, dass sie irgendwo krepierten. "Das hat uns schockiert", erzählt Max Walleitner.

Zurück in Deutschland begann das Ehepaar gemeinsam mit einer deutschen Aussteigerin, die in der Türkei lebte, die ersten Tiere in dem Land zu schützen; dazu musste Geld gesammelt werden. Anfangs wurden ortsansässige türkische Tierärzte und Tierschützer unterstützt, doch im Laufe der Jahre übernahmen immer stärker die Verantwortlichen des deutschen Vereins "Tierinsel - Umut Evi" die Organisation in der Türkei; allen voran Max Walleitner. Seit 2007 reist der 62-Jährige nun regelmäßig in die Türkei und nach Griechenland, denn die Gebiete, in denen der Verein Tierschutz betreibe, vergrößerten sich. Es ist ein caritativer Tierschutz: "Wir tun einzelnen Tieren etwas Gutes", so Walleitner. Letztendlich aber solle der Tierschutz auch auf gesellschaftlicher und politischer Ebene angegriffen werden. Der Verein hat in der Türkei und in Griechenland bisher 6000 Operationen arrangiert; pro Eingriff könne man mit 50 Euro rechnen, schätzt Doris Walleitner. Nur die Medikamente werden direkt im Land gekauft; die Operationsutensilien kämen aus Deutschland.

Sogar einen Raben haben sie schon großgezogen

Viele Mitglieder habe der Verein nicht, sagt Walleitner. Er berichtet, dass er sich hin und wieder den Vorwurf anhören müsse, warum Tierschutz im Ausland betrieben werde. "Wir machen auch in Deutschland Tierschutz", entgegnet Max Walleitner dann. Die Familie engagiere sich gegen die Pelzindustrie - dagegen kämpfe das Ehepaar regelmäßig öffentlich in München am Marienplatz. Außerdem wollen sie etwas gegen die Massentierhaltung tun, die Nutztierhaltung verbessern, kämpfen gegen Tierversuche, sind im Bund Naturschutz aktiv und politisch bei der Partei Bündnis 90/Die Grünen. Max Walleitner ist auch Fraktionsvorsitzender im Gemeinderat Grasbrunn. Eigentlich rührt das Engagement der Walleitners von einer grundsätzlichen Lebenseinstellung her.

Tierliebe sei schon immer wichtig für beide gewesen. Sie haben selbst in ihrem gemeinsamen Haus in Neukeferloh zwei der ausländischen Straßenhunde aufgenommen. Es habe schon immer einen Raum für Tiere gegeben. Sogar einen Raben habe Max Walleitner schon großgezogen. Den habe er im Garten seiner Arbeit - er leitet das Finanzamt Wolfratshausen - gefunden. Dass bei den Walleitners kein Fleisch auf den Esstisch kommt, verwundert angesichts dessen nicht. Auch an Weihnachten nicht. Es gab: Tofu-Rouladen; die seien nicht schlecht, sagt Max Walleitner, der in den 1990er Jahren noch gerne hin und wieder Fleisch gegessen hatte.

© SZ vom 04.01.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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