Grasbrunn:Nach der Wahl ist vor der Entscheidung

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Mit der scheinbaren Idylle ist es nicht weit her: Der Grasbrunner Hof liegt an einer viel befahrenen Kreuzung und fristet ein eher tristes Dasein. (Foto: Claus Schunk)

Das Neubaugebiet rund um den Grasbrunner Hof ist ein heikles Thema. Jetzt wird erstmals öffentlich darüber verhandelt

Von Lars Brunckhorst, Grasbrunn

In diesen Zeiten, da sich alles um die weltweite Corona-Epidemie dreht, hat man das Gefühl, als lägen die Kommunalwahl und der mit ihr verbundene Wahlkampf schon ewig zurück. Dabei ist es gerade einmal drei Wochen her, dass die Menschen in ganz Bayern über Bürgermeister und Gemeinderäte abstimmten. So auch in Grasbrunn. Der Wahlkampf in der Gemeinde krankte daran, dass es keine recht strittigen Themen gab, mit denen sich die Kandidaten hätten profilieren können, was am Ende dazu führte, dass der Bürgermeister, wenn auch knapp, im Amt bestätigt wurde.

Allein eine Gruppierung versuchte, im Wahlkampf zu polarisieren: Die Bürger für Grasbrunn (BFG) klagten auf Flugblättern und Plakaten über "Hinterzimmerpolitik" im Rathaus und forderten "mehr Transparenz". Als Aufhänger diente ihnen ein großes Bauvorhaben im Ortskern von Grasbrunn, über das bisher nur hinter verschlossenen Türen gesprochen und verhandelt wird. Genützt hat es den BFG nichts: Sie verloren bei der Wahl sogar einen von zwei Sitzen.

Keine zwei Wochen nach dem Urnengang kam nun genau dieses Vorhaben in die Öffentlichkeit. Und wenn es nach Bürgermeister Klaus Korneder (SPD) gegangen wäre, dann hätte der Gemeinderat sich sogar schon in der Woche unmittelbar nach der Wahl damit befasst. Aber dann machte Corona eine Verschiebung und die Verlegung der Sitzung vom Rathaus ins größere Bürgerhaus notwendig. So kam es, dass der Gemeinderat - wiederum weitgehend unbemerkt von der Öffentlichkeit - über das sogenannte Demos-Projekt sprach. Unter der Chiffre verbirgt sich ein Vorhaben der gleichnamigen Wohnbaufirma, rund um den Grasbrunner Hof ein Neubaugebiet hochzuziehen. Viel über das Vorhaben drang allerdings auch bei dieser Sitzung nicht nach außen. Es ging nämlich lediglich um den "Umgriff" des Planungsgebiets, also dessen Größe, und den Erlass einer Veränderungssperre.

Letztere ist nötig, damit während der Verhandlungen zwischen Gemeinde, Bauträgern und Grundstückseigentümern niemand nach geltendem Baurecht einen genehmigungsfähigen Bauantrag stellen und Fakten schaffen kann. Eine erste Veränderungssperre wäre dieser Tage ausgelaufen, weshalb die Zeit drängte, eine zweite zu verhängen. Dies war wiederum nur möglich, indem man nun im Rathaus zu einem Kniff griff: Das Gebiet, für das ein Bebauungsplan aufgestellt wird, wurde einfach um ein Stück vergrößert.

Im alten Ortsteil Grasbrunn ist die Welt ja noch so, wie sie dem Bayernklischee entspricht: Rund um den Maibaum in der Ortsmitte stehen Kirche, Wirtshaus und Feuerwehrhaus. Mit der Idylle ist es jedoch nicht so weit her. Zum einen fließt durch das Nadelöhr mit seiner großen Kreuzung und der abknickenden Vorfahrt unablässig Durchgangsverkehr Richtung Putzbrunn, Höhenkirchen und Glonn; zum anderen fristet der in die Jahre gekommene Gasthof ein tristes Dasein. Die Gästeterrasse geht unmittelbar auf die Kreuzung hinaus und die Gasträume atmen den Charme der Siebzigerjahre.

Außerdem hat Grasbrunn bereits vor Jahren seinen größten Arbeitgeber, den Feinkosthersteller Kugler, verloren. An seiner Stelle ist ein gesichtsloses Neubaugebiet entstanden. Ähnliches, fürchten nun die Kritiker, droht der Ortsmitte rund um den Grasbrunner Hof, sollten sich die Grundstückseigentümer und die Firma Demos mit ihren Wünschen durchsetzen. Ein bereits vor zwei Jahren im Grasbrunner Rathaus eingereichter Antrag sieht anstelle des jetzigen Gasthofs und der dahinter liegenden Hallen, Ställe und Silos eine Wohnanlage vor.

Auch wenn keine Details über die Verhandlungen und das erste Planungskonzept nach außen dringen - die Ausgangslage ist in etwa so: Die Grundeigentümer wollen möglichst viel Geld für ihren Boden erlösen, die Firma Demos will möglichst viele Wohnungen bauen und die Gemeinderäte wollen eine mehr oder weniger lichte Bebauung. Und die Grasbrunner? Sie wollen vor allem, dass ihr Gasthof erhalten bleibt. Die einen sind gegen jede bauliche Nachverdichtung im Ort, die anderen wollen zumindest so viele neue Wohnungen, dass ihre Kinder bleiben können - und das möglichst zu moderaten Preisen.

In dieser Situation versucht sich Bürgermeister Korneder seit bald zwei Jahren an der sprichwörtlichen Quadratur des Kreises: die Schaffung günstigen Wohnraums vor allem für Ortsansässige sowie den Erhalt der Wirtschaft und des Ortsbilds.

Vor allem die Freien Wähler und ihr bei der Bürgermeisterwahl unterlegener Kandidat Johannes Seitner trauen Korneder jedoch nicht. In der Gemeinderatssitzung vorvergangene Woche forderten sie, die Fraktionssprecher in die Verhandlungen einzubeziehen. Das lehnte Korneder wie erwartet ab. Als Bürgermeister vertritt er allein die Gemeinde nach außen. Über die Verhandlungsergebnisse soll aber der Grundstücks- und Bauausschuss auf dem Laufenden gehalten werden.

Weitere Forderungen der Freien Wähler, die allerdings vorerst nicht behandelt wurden: Es sollen höchstens 30 Wohnungen in Mehrfamilienhäusern mit jeweils maximal sechs Parteien und zwei Geschossen pro Haus entstehen, ansonsten Einfamilienhäuser und Doppelhäuser. Bürgermeister Korneder und seine SPD-Fraktion pochen dagegen darauf, dass vor allem "preisgedämpfter Wohnraum" geschaffen wird - das spricht für eine größere Zahl an Mehrfamilienhäusern. Eine ähnliche Bebauung wie auf dem Kuglergelände ließe etwa 80 Wohneinheiten zu. Einigkeit herrscht zwischen den Fraktionen zumindest darin, den Grasbrunner Hof zu erhalten - oder jedenfalls grundsätzlich eine Wirtschaft.

Am Ende stimmte trotz der vielen offenen Fragen nur Johann Hiltmair von den BFG gegen das weitere Planungsverfahren. "Wir haben im Grunde ein weißes Blatt Papier beschlossen", räumt Ex-Bürgermeisterkandidat Seitner (FW) ein. Jeder habe seine Vorstellungen, aber durch die laufende Einbeziehung des Bauausschusses werde man Einfluss auf das Plankonzept nehmen, ist er überzeugt. Seitner kritisiert, dass es zwei Jahre gedauert hat, bis der Bürgermeister dem Gemeinderat ein erstes Konzept vorlegte. "Es war klar, dass er alles tun würde, das aus dem Wahlkampf zu halten. Das ist ihm gelungen", so Seitner. "Ob das gut war für die Gemeinde, ist eine andere Frage. Wir hätten weiter sein können."

In einer früheren Fassung hieß es unter einer falschen Bezugnahme, in dem Neubaugebiet könnten annähernd 270 Wohnungen entstehen. Das ist falsch, eine solche Planung ist auf der dortigen Fläche von 8200 Quadratmetern weder möglich noch wird sie im Rathaus angestrebt. Realistisch sind 80 Wohneinheiten. Annähernd 270 Wohnungen gibt es in den Neukeferloher Winklergründen, diese sind mit 21 000 Quadratmetern aber auch fast dreimal so groß.

© SZ vom 06.04.2020 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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