Grasbrunn:"Die absolute Not-Not-Notlösung"

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Freiwillige Helfer sortieren in Keferloh Kleider, die Bürger spontan für die Flüchtlinge gespendet haben. (Foto: Claus Schunk)

Der Landkreis München beherbergt erneut mehr als 600 Flüchtlinge in der provisorischen Erstaufnahmeeinrichtung in Keferloh. Zahlreiche Ehrenamtliche kümmern sich um die Spenden, die Bürger teils im Minutentakt anliefern

Von Martin Mühlfenzl, Grasbrunn

Um kurz nach zwölf ist Anpfiff. Ein Grasbrunner Ehepaar hat bei den Helfern im Tenniscenter Keferloh Spenden abgegeben, darunter auch einen Fußball. Und der wird von einigen Flüchtlingen natürlich sofort in Beschlag genommen - und der Parkplatz vor den zehn Tennishallen kurzerhand in ein Fußballfeld verwandelt. "Das war schon eine coole Szene", sagt Walter Probst, Kreisbrandinspektor und Leiter der Erstaufnahmeeinrichtung in dem Grasbrunner Ortsteil. "Bei vielen ist da schon etwas Anspannung abgefallen. Das hat man gemerkt."

Denn die meisten der mittlerweile wieder mehr als 650 Flüchtlinge, die seit Samstagnachmittag in Keferloh untergebracht sind, haben eine abenteuerliche Reise hinter sich. Die Flucht aus ihrem Heimatland - und in den allermeisten Fälle die Reise über Ungarn. Vom Hauptbahnhof aus hat die Regierung von Oberbayern die Menschen zunächst hierher gebracht. Doch der Aufenthalt in Keferloh soll so kurz wie möglich sein, sagt Münchens Landrat Christoph Göbel: "Denn das hier ist die absolute Not-Not-Notlösung. Wir können den Menschen nicht zumuten, länger hier zu bleiben als unbedingt nötig."

Und das ist dem Landkreis gemeinsam mit der Regierung von Oberbayern bisher gut gelungen. Am Samstagvormittag wurden alle bisher hier untergebrachten Flüchtlinge auf andere Standorte verteilt. In nur wenigen Stunden richteten die vielen Ehrenamtlichen um Walter Probst und Grasbrunns Feuerwehrkommandanten Johannes Bußjäger die Einrichtung wieder her, putzten die Hallen, bezogen die Betten. Doch schnell wurde klar, dass im Tenniscenter manches fehlt - Decken etwa. Und so startete Landrat Göbel eine Spendenaufruf, der eine schier unglaubliche Bereitschaft in der Bevölkerung zur schnellen Hilfe zur Folge hatte - die ungebrochen anhält.

"Ich bin hier, weil ich einfach helfen will. Es ist ganz einfach - und viele haben etwas davon", sagt der 18-jährige Lukas aus Grasbrunn, der seit Sonntagvormittag im Einsatz ist. Er sortiert Herrenkleidung inmitten einer der zehn Tennishallen, die Ehrenamtliche in ein Spendenzentrum umgewandelt haben. Fein säuberlich legt Lukas Hemden und T-Shirts zusammen und stapelt sie der Größe nach. Hinter ihm an der Wand hängen mehrere große Zettel im DIN-A3-Format. Darauf haben die Freiwilligen die Schichten eingeteilt und markiert, wer wo helfen will - und es werden im Laufe des Sonntags immer mehr Namen. Am Eingang der Halle stapelt sich ein Berg mit Spielsachen - Teddybären, Kuscheltiere, kleine Anhänger, eine kleine Holzeisenbahn. "Das ist mit das Wichtigste", sagt Kreisbrandinspektor Probst mit einem Lächeln. "Wir sind schon überwältigt von der großen Spendenbereitschaft."

Die hat auch Grünen-Kreisrätin Martina Neubauer aus Starnberg erfasst, die über die SZ vom Aufruf Göbels erfahren und binnen weniger Stunden am Samstag einen VW-Bus voller Spenden über ihren Freundeskreis organisiert hat. "Wir hatten in so kurzer Zeit so viel zusammen und dann konnten wir auch schon los nach Keferloh", sagt Neubauer.

Auch Landrat Göbel hat sich am Wochenende mehrmals persönlich bei Besuchen ein Bild der Lage in Keferloh gemacht; zudem hat Göbel noch einmal Finanzmittel freigegeben, um den Helfern auf dem Tenniscenter die Arbeit zu erleichtern. Nach momentanem Stand, sagt der Landrat, werde die Erstaufnahmeeinrichtung noch bis Freitag, 11. September, in Betrieb bleiben. "Die Deadline ist aber der Sonntag. Denn wir wissen natürlich nicht, wie sich die Lage weiter entwickelt", sagt Göbel. "Es muss aber unser Ziel sein, anderer Formen der Unterbringung zu finden." Gleichwohl auch Kreisbrandinspektor Probst sagt: "Alles ist besser als draußen zu schlafen. Uns ist wichtig, dass wir die Menschen erst einmal gut versorgen, denn manche kommen hier in Flipflops an."

An der Einfahrt zur Tennisanlage hat das Technische Hilfswerk den Ehrenamtlichen einen Lkw-Anhänger aufgestellt. Von dort aus begrüßt eine Grasbrunnerin im Minutentakt Bürger, die mit dem Auto Spenden bringen. "Warum ich das mache? Weil es ganz einfach ist", sagt sie - und hievt Säcke mit Kleidung in den Anhänger.

© SZ vom 07.09.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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