Babys, die zufrieden lächelnd in ihrem Wägelchen sitzen, dahinter Buben im Grundschulalter, die unter ihren Schiebermützen hervor ernst in die Kamera blicken. Strahlende Gesichter einer Gruppe Kinder, die sich ein Eis am Eiswagen holen und drei kleine Freundinnen, die in Blümchenkleid und Faltenrock für die Kamera posieren. Es sind ausdrucksstarke Schwarz-Weiß-Fotos, die in der Wanderausstellung präsentiert werden und die eine Geschichte der Zeit nach dem Zweiten Weltkriegs erzählen, die lange vergessen wurde: die Schicksale der Kinder des Lager Föhrenwald, dem einst größten und am längsten bestehenden Lager für jüdische Heimatlose in ganz Deutschland.
Am Dienstag wurde die Ausstellung des Vereins "Bürger fürs Badehaus Waldram-Föhrenwald" in Grünwald von Bürgermeister Jan Neusiedl, der Vereinsvorsitzenden und Dokumentarfilmerin Sybille Krafft sowie dem Grünwalder Zeitzeugen Otto-Ernst Holthaus eröffnet. Als 14-Jähriger war Holthaus Zeuge des Todesmarsches geworden, bei dem die SS in den letzten Apriltagen des Jahres 1945 Tausende Häftlinge des Konzentrationslagers Dachau durch das Isartal Richtung Süden trieb, vorbei an dem Elternhaus von Holthaus in Grünwald. Ein Teil des Marsches führte an Wolfratshausen und Föhrenwald, dem heutigen Stadtteil Waldram, entlang.
Genau hier liege die Verbindung zwischen Grünwald und der Ausstellung, sagt Krafft: "Damals gab es keine Inseln. Alle Isartalgemeinden waren betroffen." Nach Kriegsende entwickelte sich in Föhrenwald mit Unterstützung der UNO und amerikanisch-jüdischer Hilfsorganisationen eine autonome Gemeinschaft. Abgeschirmt von der Außenwelt und dem weiter herrschenden Antisemitismus lebten zeitweise bis zu 6000 heimatlos gewordene Juden aus Polen, Litauen, Russland, Rumänien und Ungarn in dem Dorf, darunter eine große Anzahl von Kindern und Jugendlichen. Sie alle warteten auf ihre Ausreise nach Israel oder in ein anderes Land. Viele Kinder waren Waisen, deren Eltern im Krieg ermordet worden waren.
Sybille Krafft hat für ihren Dokumentarfilm, den sie über das Lager drehte, mit vielen Zeitzeugen gesprochen. Ihr Eindruck: Die ehemaligen Föhrenwalder hätten sich trotz des vielen Leids, das sie bereits in jungen Jahren erlebt hatten, an sehr glückliche und unbeschwerte Tage im Lager zurückerinnert. Nach langer Zeit hätten sie sich dort das erste Mal wieder sicher gefühlt. Viele verbrachten ihre gesamte Jugend in Föhrenwald: Sie gingen dort zur Schule, trieben Sport und zelebrierten die jüdischen Feiertagen in der Synagoge. In der Freizeit spielten die Kinder im Wald oder auf den Straßen des Lagers. Es gab sogar einige Hochzeiten.
Doch so glücklich wie das Leben für die Kinder war, so schwer sei es auf der anderen Seite für die Erwachsenen gewesen, sagt Sybille Krafft. Viele litten unter den Verfolgungen und dem Verlust geliebter Menschen. Nur wenige Familien hatten das Glück, gemeinsam in eine neue Zukunft zu starten. Das letzte Foto der Ausstellung zeigt deshalb eine absolute Seltenheit: einen Großvater mit seinem Enkel auf dem Arm und damit zwei Generationen einer jüdischen Familie vereint. Allein die Existenz der Kinder, wird Zeitzeugin Lea Fleischmann in der Ausstellung zitiert, sei eine heroische Tatsache gewesen: "Sie waren der Beweis dafür, dass die Nazis ihr Werk nicht vollendet hatten, sie waren die Zukunft, sie waren der eigentliche Sieg."
Die Ausstellung "Die Kinder des Lagers Föhrenwald" kann bis 10. April im Bürgerhaus Römerschanz in Grünwald besucht werden.