Garching:"Wir brauchen uns nicht verstecken"

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Die VHS im Norden des Landkreises München stellte ihr Programm vor. (Foto: Catherina Hess)

Die Volkshochschule im Norden präsentiert ihr neues Programm, das ihr Leiter Lothar Stetz als großstädtisch einstuft. Der Schwerpunkt zum Thema Flüchtlinge wird fortgeführt

Von Benjamin Köster, Garching

Von der Rechts- und Staatsphilosophie Hegels über eine Wanderung durchs Biberrevier im Frühling bis hin zur japanischen Küche - die Volkshochschule im Norden des Landkreises München (VHS) deckt ein breites Angebot ab, jetzt wurde das Programm für das kommende Halbjahr vorgestellt. Im anstehenden Semester sind 1432 Veranstaltungen von 540 Dozenten geplant, insgesamt sind das knapp 27 000 Unterrichtsstunden. Pro Jahr erreicht die VHS, die von den Kommunen Garching, Unterschleißheim, Unterföhring und Ismaning unterstützt wird, damit etwa 50 000 Menschen und ist so die zweitgrößte Bildungseinrichtung Oberbayerns.

Einfach sei es nicht gewesen, das mehr als 200 Seiten starke Programm, das in Kürze bei allen Haushalten der vier Kommunen im Briefkasten liegen soll, auf die Beine zu stellen, erzählt der VHS-Direktor Lothar Stetz. Der Bedarf an Veranstaltungen müsse stets an die Bedürfnisse der Bürger angepasst werden. Bei der Planung greifen die VHS-Mitarbeiter auf Anregungen des Publikums zurück und halten aktuelle Entwicklungen in ihren Fachgebieten im Blick. Aber auch Erfahrungswerte spielen eine große Rolle, so Stetz. Was wurde gut besucht, was wurde eher mäßig besucht? "Die Leute kommen zu uns, weil sie kommen wollen, nicht weil sie müssen." So kann es auch schon einmal vorkommen, dass Angebote, die nicht gut angenommen werden, im nächsten Jahr aus dem Programm fliegen. Aber auch das ist keine feste Regel, wie Maria Geier, zuständig für den Bereich Gesundheit der VHS, erklärt. Das Nichtrauchertraining beispielsweise ziehe nur wenige Menschen an, wird aber dennoch immer mal wieder angeboten. "So etwas gehört einfach dazu", so Geier. Auch wenn dann mal nur vier oder fünf Leute dabei seien. Darauf legt auch Stetz Wert. "Wir sagen keine Veranstaltungen kurzfristig ab, nur weil es mal weniger als zehn Anmeldungen gibt." Gerade bei Sprach- oder EDV-Kursen könne das sogar zum Vorteil werden, weil der Dozent bei weniger Teilnehmern eine intensivere Betreuung leisten könne. Eine umfassende Betreuung können Interessierte auch bei einem der zahlreichen Fotografiekurse erwarten. Der VHS sei es gelungen, "internationale Spitzenfotografen" zu engagieren, die den Kurse von Landschafts- bis Portraitfotografie anbieten, so Stetz.

Auch die Vortragsreihe der VHS mit 153 Vorträgen zu verschiedenen Themen sei durch das Abo-Modell wohl einzigartig im Freistaat, erklärt Stetz. Für 30 Euro können Interessierte so an jedem beliebigen Vortrag ohne Anmeldung teilnehmen. Dadurch soll eine besondere Diskussionskultur im Einzugsgebiet etabliert werden.

Neben den klassischen Fachbereichen einer Volkshochschule, wie Sprachen, EDV oder Kunst, legt die VHS dieses Halbjahr einen besonderen Schwerpunkt auf das Thema Flüchtlinge. "Es gibt da einfach einen erhöhten Diskussionsbedarf", meint Stetz. Über Veranstaltungen, die zum Beispiel über Herkunftsländer von Flüchtlingen oder deren persönliche Fluchtgeschichten informieren, will die VHS Verständnis wecken. "Wir wollen ermöglichen, sich angemessener und differenzierter mit dem Thema auseinanderzusetzen", erklärt Stetz. Populistische Diskussionen sollen so unterlaufen werden.

Aber auch direkt für Flüchtlinge wurden Angebote geschaffen, zum Beispiel Sprach- und Integrationskurse. "Am wichtigsten ist die sprachliche Erstorientierung, damit die Menschen sofort in die deutsche Sprache hereinkommen", findet Simona Kraus, die bei der VHS die Integrationskurse verantwortet. Auch gehe es ihnen um die Vernetzung mit den Helferkreisen und dem Landratsamt. "Viele ehrenamtliche Helfer stoßen an die Grenzen der Belastbarkeit", so Kraus. Daher sei es um so wichtiger, dass alle beteiligten Institutionen eng zusammenarbeiten. Dabei kann die VHS auch noch Unterstützung gebrauchen. Für die Sprachkurse werden noch Kursleitungen gesucht. "Bei uns engagieren sich zum Beispiel pensionierte Lehrkräfte, die mit ganz viel Kreativität und Engagement an die Aufgabe herangehen."

Dem Gerücht, dass Flüchtlinge nicht lernwillig seien, erteilt Stetz indes eine deutliche Absage. "Das können wir überhaupt nicht bestätigen. Ganz im Gegenteil, die meisten sind ausgesprochen bildungsinteressiert." Vor allem den Flüchtlingen, die unter 18 Jahre alt sind, sei bewusst, dass es für sie nur mit der deutschen Sprache voran geht. Für die VHS ergibt sich, anders als für viele andere Anbieter, durch die Sprach- und Integrationskurse kein Mehrwert, wie Stetz betont. "Wir bewegen uns hier nicht am Markt, wir sehen das als Unterstützung unserer Kommunen."

Insgesamt gibt sich Stetz sehr zufrieden mit dem neuen Programm der VHS. "Es ist ein absolut großstädtisches und differenziertes Programm - wir brauchen uns nicht zu verstecken."

© SZ vom 20.01.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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