Garching:Umstrittene Umfrage zur Fußgängerzone

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Im Garchinger Stadtrat geraten die Fraktionen wegen des Lieferverkehrs am Helmut-Karl-Platz erneut gewaltig aneinander. Dennoch signalisieren die Grünen, ihre Klage gegen die Stadt zurückzuziehen

Von Gudrun Passarge, Garching

Von vorweihnachtlichem Frieden ist derzeit im Garchinger Stadtrat wenig zu spüren. Da gibt es laute Wortgefechte und Hiebe unter die Gürtellinie, aber auch einen Silberstreif am Horizont. Hans-Peter Adolf, Fraktionschef der Grünen, prophezeite Bürgermeister Dietmar Gruchmann (SPD), wenn er so weitermache, werde er in die Annalen Garchings "als Totengräber der Fußgängerzone eingehen". Zu tief sitzt offenbar noch die Wunde, dass der Stadtrat das Bürgerbegehren zum Lieferverkehr am Helmut-Karl-Platz für ungültig erklärt hat und die Grünen-Vertreter von der Beratung darüber ausgeschlossen worden waren. Seinerzeit hatten die Grünen 2000 Stimmen gesammelt dafür, dass keine großen Laster über den Helmut-Karl-Platz an der Eisdiele vorbei den ehemaligen Schleckerladen beliefern. Immerhin stellten die Grünen jetzt in Aussicht, ihre Klage gegen die Stadt zurückzunehmen.

Anlass für die neuen Streitigkeiten war die Befragung der Stadt bei den Gewerbetreibenden in der Ortsmitte. Der Bürgermeister hatte als Reaktion auf das Bürgerbegehren versprochen, ein Verkehrskonzept zu erarbeiten, das allen Seiten gerecht werde. Die Befragung der Anlieger rund um die Fußgängerzone sollte der erste Schritt dazu sein. Doch Gruchmann war vom Ergebnis enttäuscht. Nur 27 der 84 Befragten antworteten. Die Ergebnisse will die Verwaltung in ein Verkehrskonzept einfließen lassen, das im Januar oder Februar präsentiert wird, und in der Bürgerversammlung im März wünschte sich der Bürgermeister eine breite Diskussion dazu. Danach peilt er die endgültige Entscheidung im Stadtrat an.

Kritik erntete Gruchmann zunächst von den Unabhängigen Garchingern. Harald Grünwald nannte 33 Prozent Rücklauf bei der Befragung durchaus repräsentativ und konnte sich den Seitenhieb nicht verkneifen, auch der derzeitige Bürgermeister sei von nur 25 Prozent der Bürger gewählt worden. Grünwald forderte, es müsse die Stellungnahme des Anwalts, ob denn nun Durchfahrtsrecht vom Helmut-Karl-Platz bestehe oder nicht, auf den Tisch. Und er wollte außerdem wissen, welche Meinung der Bürgermeister in der Sache vertrete. In eine andere Kerbe hieb der Dritte Bürgermeister Walter Kratzl (Grüne), mit schelmischem Grinsen. Er fragte, warum denn etwa der Besitzer der Eisdiele und der Besitzer des Hauses mit dem Inder am Helmut-Karl-Platz keinen Fragebogen bekommen hätten. "Und das wissen Sie natürlich erst seit gestern?", fragte Gruchmann, der betonte, er sei davon ausgegangen, dass alle die Fragebogen bekommen hätten. Und Adolf kritisierte, diese Befragung ergebe ein "sinnloses, verworfenes Bild". "Wer artikuliert denn die Interessen der Allgemeinheit? Sie nicht, Herr Bürgermeister", schimpfte er.

Der so Angegriffene war ratlos. "Ich verstehe nicht, warum Sie immer unterstellen, dass ich persönlich die Situation der Fußgängerzone verschlechtern möchte." Die Fußgängerzone heiße so und solle auch eine solche bleiben. Dafür, dass ein Text zu einer Ausschusssitzung von 2013 aus der Datenbank für Stadträte verschwunden sei, machte Gruchmann technische Gründe verantwortlich. In dem Text war auch von einer Stellungnahme einer Kanzlei die Rede, die zu der Überzeugung kam, dass kein Durchfahrtsrecht am Helmut-Karl-Platz in Richtung Telschowstraße bestehe. Der Text sei inzwischen wieder freigeschaltet. Und in Richtung Harald Grünwald sagte er: "Ich habe noch keine abschließende Meinung."

Immerhin machte Kratzl dann einen "Vorschlag zur Güte". Er forderte, der Stadtrat solle den Hauptausschussbeschluss vom Oktober 2015 wieder einkassieren, der eine Belieferung bis 20 Uhr erlaubt, dann würden die Grünen ihre Klage gegen die Stadt wegen des Bürgerbegehrens zurückziehen. Zuvor hatte ihn der Bürgermeister schon davon überzeugt, dass ein Zufahrtsrecht für Zwölftonner nie beschlossen worden war und auch das Mediationsverfahren zur Klage von Familie Ostler ruhe. Die Eigentümer des früheren Schleckerladens hatten geklagt, um sich die Zufahrt über den Helmut-Karl-Platz durch die Fußgängerzone bis zur Telschowstraße zu erstreiten. Der Mediationsvorschlag sah einen versenkbaren Poller auf Höhe des Hotels vor, den die Ostlers bezahlt hätten. Doch das Mediationsverfahren ruhe derzeit, sagte der Bürgermeister, und Familie Ostler habe ihm signalisiert, dass eine Belieferung morgens und abends ausreichend wäre. Zudem komme jetzt eine Arztpraxis in den Laden, sodass mit Zwölftonnern nicht zu rechnen sei.

Würde der Beschluss rückgängig gemacht, so wie die Grünen es wollten, wäre wieder alles so wie vorher, also Lieferverkehr mit 7,5-Tonnern wäre erlaubt in der Zeit von 8 bis 18 Uhr. "Wir brauchen die ursprüngliche Form nicht herzustellen, weil sie immer noch gültig ist", antwortete Gruchmann. Einigkeit darüber wurde nicht erzielt. Aber es gab noch einen, der den Bürgermeister verteidigte: Jürgen Ascherl, Fraktionschef der CSU, fand die Befragung der Gewerbetreibenden sehr wohl sinnvoll. Denn wenn die Grünen dort den Lieferverkehr unterbinden würden und Geschäfte deshalb wegzögen, dann wäre die Fußgängerzone sowieso am Ende. In Richtung Adolf sagte er: Dann könne dieser sich selbst als Totengräber bezeichnen.

© SZ vom 20.12.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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