Garching:Streit um die Sonne

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Gelungenes Beispiel für eine Kita ohne Südausrichtung: Mit der Krippe an der Einsteinstraße sind alle zufrieden - Kinder, Erzieher und Eltern. (Foto: Stephan Rumpf)

Die Mehrheit im Garchinger Bauausschuss lässt kein gutes Haar am Entwurf für ein Kinderhaus und lehnt die Pläne ab

Von Gudrun Passarge, Garching

Wie viel Sonne gehört in einen Kindergarten? "Zur artgerechten Haltung des Menschen gehört Sonneneinstrahlung", sagte etwa Hans Peter Adolf (Grüne) im Bauausschuss und forderte wie viele andere eine Südausrichtung von Spielflächen und Gruppenräumen. Cornelia Otto, im Rathaus zuständig für Jugend und Soziales, hielt dagegen: "Die zukünftigen Nutzer sehen eine Südausrichtung sehr kritisch. Die körperliche Belastung für die Kinder und das Personal ist sehr hoch." Doch der Bauausschuss entschied mit acht zu sieben Stimmen, das Konzept des Architekten Jörg Moser für die Kinderkrippe und den Kindergarten an der Straße Untere Straßäcker abzulehnen, was einer Watschen für Bürgermeister und Verwaltung gleichkommt, die sich vehement dafür eingesetzt hatten.

Die Kritik der Stadträte von CSU, Grünen und Unabhängigen Garchingern und auch der Bürger für Garching an Mosers Plänen war bekannt. Bereits in der März-Sitzung des Bauausschusses war eine Debatte über die Sonne entbrannt. Das Problem: Das Grundstück wird von Süden her erschlossen, auch die 15 Stellplätze für den Kindergarten und die geplanten Personalwohnungen sind im Süden angeordnet. Der Architekt hat deswegen keine Spielflächen vor dem Haus zur Straße hin vorgesehen, sondern arbeitet mit Innenhöfen hinten. Die Gruppenräume haben Fenster nach Westen und Osten. Das gefiel vielen Stadträten jedoch nicht, sie forderten eine Südfront für die Räume und Spielflächen im Süden. Die Verwaltung wurde beauftragt, nachzuarbeiten und Vorschläge der Stadträte zu prüfen, etwa den Umgriff des Grundstücks zu vergrößern oder das Gebäude zu drehen.

Doch die Verwaltung steht zu Mosers Entwurf. "Die Vorschläge waren durchdacht", sie bezögen in enger Absprache Nutzerwünsche ein, erklärte Bürgermeister Dietmar Gruchmann (SPD). Cornelia Otto erläuterte, dass Kolleginnen in Häusern mit Südausrichtung häufig mit stark aufgeheizten Räumen zu kämpfen hätten, die Jalousien würden meist auch im Winter geschlossen. Sie selbst hatte jahrelang den Kindergarten am Mühlbach geleitet, der stets als Beispiel für Südausrichtung und daraus resultierenden Problemen genannt wurde. "Starke Sonneneinstrahlung blendet die Kinder", auch die Konzentration lasse bei zu viel Sonne rasch nach. "Dann sollen sich die Kinder eben umdrehen", riet Grünensprecher Adolf. Auch Albert Biersack (CSU) wollte Ottos Argumenten nicht folgen. "Wir sollten unseren Kindern die Sonne gönnen", an Tagen, an denen die Sonne ein Problem sei, müsse eben intelligenter Sonnenschutz her. Von der Verwaltung forderte er einen sogenannten Verschattungsplan für das Gebäude. "Wir wollen Tageslicht im Gebäude haben, nicht Sonne", konterte Olga Stein vom Bauamt, die Räume seien durchaus hell. Aber Biersack sagte, es sei nicht Aufgabe des Stadtrats, jeder Mode nachzulaufen und den Fachleuten nach dem Maul zu reden, vielmehr sei gesunder Menschenverstand gefragt. Das forderte auch Peter Riedl (Unabhängige Garchinger).

Noch weiter in seiner Kritik holte Grünen-Fraktionschef Adolf aus. Er sprach von einer Unverschämtheit der Verwaltung: "Der Stadtrat wird auf keine Weise ernst genommen. Wir haben hier die Verantwortung, nicht die Verwaltung." Diese habe einfach den selben Entwurf wieder vorgelegt, ein "verkorkstes, vom Stadtrat abgelehntes Projekt" und gehe mitnichten auf die Kritik ein. Um Spielfläche vorm Haus zu gewinnen, schlug er eine Tiefgarage oder Autofreies Wohnen vor. "Ich finde den Ton, den Sie hier anschlagen, nicht in Ordnung", sagte Bürgermeister Gruchmann in Richtung Adolf. Die Stadt habe zwei Kindergärten mit Südausrichtung, in einem habe man schon mehrmals Fenster austauschen müssen, die es wegen der großen Hitze zerrissen hatte. Die SPD stand geschlossen hinter Bürgermeister und Verwaltung. Ulrike Haerendel wunderte sich, "mit welcher Nonchalance hier manche Stadträte das Fachwissen beiseite wischen". Erstaunt und irritiert war auch Alfons Kraft (Bürger für Garching). Er plädierte für Mosers Konzept, um einen Prototypen zu haben und Erfahrungen damit zu sammeln. Doch die Mehrheit (vier CSU-Stadträte, zwei Unabhängige Garchinger und die zwei Grünen) entschied anders.

© SZ vom 18.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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