Garching:Schnee von morgen

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Das Zentrum für angewandte Energieforschung nimmt auf dem Garchinger Campus den vierten Bauabschnitt in Betrieb

Von Gudrun Passarge, Garching

Pulverschnee im Juli? Kommt sofort. Peter Osgyan drückt auf einen Knopf und schon rattert die Maschine los, schabt am Eisblock und lässt es auf die darunter liegenden Bahngleise schneien. Allerdings passiert das hinter verschlossener Tür im Labor des bayerischen Zentrums für angewandte Energieforschung (ZAE). Osgyan und Lars Staudacher präsentieren zur Feier des Tages ihre emissionsfreie autarke Weichenheizung. Es ist nur eine von vielen Demonstrationen an dem Tag, an dem das Zentrum seinen vierten Bauabschnitt auf dem Hochschulcampus feiert.

Das ZAE in Garching hat den Schwerpunkt Energiespeicherung. Mittlerweile verfügt das Zentrum über 3400 Quadratmeter. "Aber jetzt ist eine Fortführung nicht mehr möglich", sagte der wissenschaftliche Leiter Professor Hartmut Spliethoff. Der Platz auf dem Campus sei mit dem vierten Bauabschnitt ausgeschöpft. Das ZAE hat außer Garching noch Standorte in Würzburg und Erlangen. Mehr als 200 Mitarbeiter arbeiten bayernweit in dem Zentrum, das sich als Schnittstelle zwischen Grundlagenforschung und angewandter Industrieforschung versteht. Unterstützt wird das ZAE vom bayerischen Wirtschaftsministerium, dessen Staatssekretär Josef Pschierer betonte, wie wichtig der Staatsregierung die Energieforschung sei. Jeder dritte Euro, der in Deutschland in die Energieforschung gesteckt wird, komme aus Bayern, führte er aus. Allein im vergangenen Jahr seien es 90 Millionen Euro gewesen, davon hat das ZAE vier Millionen bekommen. Den größten Teil seines Umsatzes erwirbt das Zentrum jedoch über Drittmittel, besonders durch anwendungsbezogene Projekte. Und davon gibt es im ZAE doch einige.

Etwa den Passivhaus-Neubau der Fachober- und Berufsschule in Erding, den das ZAE begleitet hat, wie der Bereichsleiter für Energiespeicherung Andreas Hauer berichtet. Das Gebäude, das nachts mit der Außenluft gekühlt wird, verbrauche nun weniger Energie und habe einen hohen "Wohlfühlfaktor". Oder aber die Spülmaschine, die dank Zeolith, einem mineralischen Material, beim Trocknen feuchte Luft absaugt. Das Zeolith wird warm und gibt dann heiße Luft ab. Die Maschine kommt dadurch ohne den zweiten Aufheizvorgang am Schluss aus, spart Energie und hat deswegen das Siegel A+++. Die Entwicklung, erzählt Michael Kainzelsberger, fand zusammen mit einem Gerätehersteller statt. Seit 2009 wird die Maschine bereits verkauft, bis zu 500 000 Mal im Jahr. Ein Beispiel, das noch nicht verwirklicht wurde, zeigt Richard Gurtner den Besuchern. Es geht um einen Hochtemperaturspeicher zur industriellen Abwärmenutzung. Das Problem: Eine Gießerei erzeugt als Abfallprodukt in ihrem Schmelzofen Gicht-Gase, die nachverbrannt werden müssen, wiederum mit Gas. Das ist danach bis zu 800 Grad heiß, muss aber durch einen Textilfilter, der nur Temperaturen bis zu 140 Grad verträgt. Also muss das Gas abgekühlt werden. Die abgegebene Wärme will die Gießerei 24 Stunden lang nutzen. Doch die Gase fallen nur während 14 Stunden an, also benötigt die Gießerei einen Speicher. Gurtner erklärt, man wolle das Problem mit einem Zwei-Stock-Speicher lösen, in dem eine Feststoffschüttung aus Gestein die Wärme halten soll. Das sei billiger als das bislang verwendete Thermo-Öl und könne sogar noch mehr Energie speichern als das Öl. 2017 bereits soll eine Pilotanlage in der Gießerei aufgebaut werden. "Unser Ziel ist die Demonstration der ökologischen und ökonomischen Effizienz", sagt Projektleiter Gurtner.

Kalt ist es im Schneeraum. Auf einem Teil der Schienen liegt Schnee, dort, wo die thermische Heizung läuft, ist er geschmolzen. Das Prinzip ließe sich vielerorts einsetzen, sagt Staudacher. Treppen, Zufahrtswege, sie könnten künftig von Elektroheizung auf oberflächennahe Geothermie umgestellt werden. Fürs erste wären freie Weichen nicht schlecht, immerhin würde das die Hoffnung nähren, dass die Züge im Winter dann pünktlicher ankämen. Was genauso wahrscheinlich ist wie Pulverschnee im Juli.

© SZ vom 19.07.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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