Garching:Immer schön am Boden bleiben

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Linoleum, Parkett, Kork oder Estrich? Im Garchinger Stadtrat gerät die Diskussion über den Belag für das Kinderhaus aus den Fugen

Von Gudrun Passarge, Garching

Ginge es nach Veronika Ertl, wäre alles ganz einfach: Das neue Kinderhaus "Untere Straßäcker" könnte einen versiegelten Linoleum-Boden bekommen. "Das ist der Klassiker, den haben wir in den meisten Einrichtungen", sagt die stellvertretende Leiterin des Geschäftsbereichs Kita in der Diakonie-Jugendhilfe Oberbayern, die als Träger das Haus übernehmen wird. Viel schwerer tun sich dagegen die Garchinger Stadträte, die bereits in mehreren Gremien über einen geeigneten kinderfreundlichen Bodenbelag gestritten haben. Im Bauausschuss ging es jüngst um Parkettböden, gewachst oder versiegelt. Doch die Ausschussmitglieder lehnten beide von der Verwaltung vorgeschlagenen Varianten ab. Damit ist wieder alles offen.

Die Wogen schlugen auch diesmal wieder hoch. Bürgermeister Dietmar Gruchmann (SPD), schon erprobt in vielen hitzigen Diskussionen zum Kinderhaus, machte noch einmal klar, dass sowohl die Verwaltung als auch er selbst nach wie vor eine Fußbodenheizung mit geschliffenem Estrich darauf favorisierten. Genau das jedoch war abgelehnt worden, weil sich besonders Ingrid Wundrak (Grüne) und Armin Scholz (Bürger für Garching) darüber aufgeregt hatten, Kinder auf blankem Estrich spielen zu lassen und dabei womöglich auch eine Blasenentzündung zu riskieren. Die Mehrheit lehnte den Estrich ab, mit 16 gegen sieben Stimmen entschied der Stadtrat im Dezember: "Der geplante geschliffene Estrich wird im Aufenthalts("Wohn")bereich durch einen kinderfreundlichen Belag ersetzt."

Die Verwaltung machte deswegen jetzt zwei Vorschläge mit Parkettlösungen. In der ersten Variante wurde nur teilweise Holzboden verlegt, teils blieb es beim Estrich an stark beanspruchten Stellen. Die Mehrkosten: 26 300 Euro. Bei der zweiten Variante sollten durchgängig alle Räume inklusive der Wohnungen im Obergeschoss mit Holz ausgelegt werden. Die Bauzeit würde sich dadurch um zirka 15 Wochen verlängern, die Kosten bezifferte die Verwaltung auf 70 400 Euro, sie plädierte deswegen für die wirtschaftlichere Variante eins.

Blanker Estrich in einer Kindertagesstätte? Zum Spielen gut geeignet, aber nicht nach dem Geschmack der meisten Garchinger Stadträte. (Foto: Florian Peljak)

In der Diskussion gab es nur zwei Meinungsäußerungen für eine der Varianten. Harald Grünwald (Unabhängige Garchinger) sah Variante eins als zufriedenstellend an und Hans-Peter Adolf, Fraktionschef der Grünen wollte die teuerste Variante, weil bei 6,5 Millionen 50 000 Euro auch keinen großen Unterschied mehr ausmachten. "Unsere Kinder haben einen anständigen Boden verdient." Die Ansichten, wie so ein Boden aussehen sollte, mäanderten aber in verschiedene Richtungen und führten weg von der Beschlussvorlage. Ingrid Wundrak brachte als Lieblingsbelag wieder "dicken Korkboden" ins Spiel. Hinterfragt wurde auch die Absicht der Verwaltung, den Holzboden zu ölen, was Gerlinde Schmolke (SPD) ablehnte. "Das riechen sie über Wochen und Monate", sagte sie und riet zum Versiegeln. Das aber lehnte Bauamtsleiter Klaus Zettl ab, weil der versiegelte Boden bei falscher Behandlung mit zu nassen Lumpen schnell kaputtgehe.

Auch Laminat, den CSU-Fraktionschef Jürgen Ascherl in die Diskussion einbrachte, sei keine Alternative. Kork sei pflegeintensiv und im Kinderhaus nicht geeignet, konstatierte der Zweite Bürgermeister Alfons Kraft (Bürger für Garching), der wie sein Parteikollege Josef Euringer wieder für Estrich plädierte. So auch Joachim Krause, Fraktionschef der SPD, der das Argument mit der Blasenentzündung als Unsinn bezeichnete. "Wenn der Träger gesagt hat, es ist in Ordnung, dann kann man davon ausgehen, dass die Leute wissen, was sie wollen." Er sei der Meinung, das Geld solle nicht mit vollen Händen rausgeworfen werden.

Die Stadträte drehten sich im Kreis, Götz Braun (SPD) warf Adolf Arroganz vor, weil dieser Entscheidungen der Fachleute nicht akzeptiere und Adolf warf dem Ausschuss vor, den Stadtratsbeschluss zu ignorieren und unterstellte der Verwaltung, ihren ursprünglichen Plan durchsetzen zu wollen. Peter Riedl (Unabhängige Garchinger) machte seinem Unmut Luft und klärte die Kollegen auf, was abzustimmen sei. Der Ausschuss könne beide Vorschläge ablehnen, teilte er mit, aber entscheiden müsse letztlich der Stadtrat, der ja den kinderfreundlichen Belag gefordert hatte.

Auch wenn Kinder und Erwachsene ihre Schuhe ausziehen, Boden in Kinderhäusern ist vielen Belastungen ausgesetzt. (Foto: Julian Stratenschulte/dpa)

Wer Veronika Ertl vom künftigen Träger fragt, der wird zu hören bekommen, wie strapazierfähig Linoleum ist, dass er Stöckelschuhen von Müttern, Rollwagen, die aus der Küche kommen, und kleineren Gefährten der Kinder problemlos standhalte und dass er zudem in mehreren Farben zur Auswahl steht. Kork dagegen, "ist eher schwierig. Der saugt sich voll". An Orten, wo gegessen und gemalt wird, müsse Boden wasserfest sein. Parkett wäre eine Möglichkeit, sagt Ertl, "wenn er versiegelt ist", sie sieht das als größtmöglichen Schutz für den täglichen Gebrauch.

Doch was nun tatsächlich im Kinderhaus verlegt wird, steht noch in den Sternen. Beide Parkettlösungen fanden im Ausschuss mit jeweils nur zwei Ja-Stimmen keine Mehrheit. In einem Mail-Marathon nach der Sitzung haben einzelne Stadträte das Thema weitergedreht. Jürgen Ascherl wies auf Kautschukbelag hin und Hans-Peter Adolf geißelte "geflügelten Estrich" als Industrieboden, eine trendige Erscheinung, wie in der Zeitschrift Schöner Wohnen nachzulesen sei. "Es geht nicht um die Kinder, sondern darum, was der Architekt/die Bauabteilung stylish findet!", schreibt Adolf und fordert mehr als einen Vorschlag aus dem Rathaus.

Jetzt ist es wieder an der Verwaltung, nach Alternativen Ausschau zu halten. Gesucht wird: ein kinderfreundlicher Bodenbelag für das Kinderhaus "Untere Straßäcker".

© SZ vom 22.03.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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