Garching:Hotspot der Beatles-Generation

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10 000 Teilnehmer besuchen jährlich die Veranstaltungen im Seniorentreff. Die ältesten sind über 90, das Durchschnittsalter liegt bei 75 Jahren. Trotzdem geht es dort alles andere als ruhig zu

Von Gudrun Passarge, Garching

Das Geplapper aus dem Untergeschoss ist schon von weitem zu hören. Einige Senioren, die auf die nächste Qi-Gong-Stunde warten, tauschen die wichtigsten Neuigkeiten aus. "Wir müssen sehr zufrieden sein", sagt Inge Scholbeck, die mit ihrem Mann Georg auch im Beirat des Seniorentreffs sitzt, "hier im Seniorentreff ist für jeden was dabei. Und ein Euro pro Stunde, das kann sich jeder leisten". Zustimmung von allen Seiten. "Die Vorträge sind auch immer sehr interessant und lehrreich", sagt Renate Breitschopf. "Sommerfest, Faschingsball, alles spitze", Inge Scholbeck fällt noch eine Menge ein, was sie loben möchte. "Und beim Festzug ziehen wir auch immer mit. Da haben wir schon oft Preise bekommen."

Beate Kopp hört es gern. Sie leitet den Seniorentreff zusammen mit ihrer Chefin Traudl Daubner-Höfler. Kopp, 54, ist seit zehn Jahren dabei und hat schon einige Veränderungen erlebt. Zum Beispiel diese: "Es gibt mehr Senioren in Garching als früher. Der demografische Wandel ist hier spürbar." Mittlerweile besuchten mehr als 10 000 Teilnehmer jährlich die Veranstaltungen im Haus, früher seien es um die 8000 gewesen. Die älteste Besucherin ist 94 Jahre alt, das Durchschnittsalter liegt bei 75. Auch inhaltlich hat sich einiges verändert. "Die Beatles-Generation kommt auf uns zu", sagt Kopp. Tanztee oder Kaffeekränzchen gebe es nur noch selten. Die Alten von heute seien fitter und wollten sich auch noch möglichst lange fit halten. Also gibt es mehr Angebote im Gesundheitsbereich und auch mehr Sprachkurse, "die sind ja auch gut für die geistige Fitness." Was die Aufteilung zwischen Frauen und Männern angeht, so hat die Sozialpädagogin beobachtet, dass Frauen mehr die kreativen und sportlichen Angebote nutzten, Männer dagegen seien mehr bei PC-Treffs, Schafkopfrunden oder beim Stockschießen zu finden. Bei Wanderungen sei das Verhältnis etwa ausgeglichen.

Springlebendig: Kurse rund um Fitness und Gesundheit nehmen im Kursangebot des Garchinger Seniorentreffs breiten Raum ein. (Foto: Stephan Rumpf)

Ein Euro pro Kursstunde, das klingt bezahlbar, aber offenbar gibt es zunehmend Senioren, denen es schwerfällt, das Geld aufzubringen. "Wir hatten schon Leute, die konnten den Euro nicht bezahlen", berichtet Kopp. Doch wenn sie schon mal den Vorschlag gemacht hat, dass jemand umsonst teilnehmen dürfe, holte sie sich meist einen Korb. "Das wollten sie nicht, da schämen sie sich." Die Angebote werden rege nachgefragt, teils gibt es Wartelisten mit zehn Leuten und mehr, die nicht zum Zuge kommen. Dabei nutzten sie die Räume voll aus, "zwischen 10 und 17 Uhr ist eigentlich immer irgend etwas los", sagt Kopp.

Doch das Angebot umfasst nicht nur Kurse. Die Sozialpädagoginnen beraten die Menschen auch. "Wir sehen, wenn etwas los ist und suchen das Gespräch." Oft gehe es um den Verlust eines Partners, um Krankheit oder Pflege. Da die beiden Leiterinnen nicht das gesamte Spektrum abdecken können, sind sie froh, noch Unterstützung zu haben. Seit einem Jahr bietet der Seniorentreff in Zusammenarbeit mit dem Landratsamt und dem paritätischen Wohlfahrtsverband noch eine Beratung für pflegende Angehörige an. "Ute Sonnleitner macht auch Hausbesuche", berichtet Kopp. Zukünftig ist sogar vorgesehen, noch eine Beratung anzubieten, die sich beispielsweise mit Fragen wie Betreuungsvollmachten oder Hilfe für das Leben allein Zuhause beschäftigt. Die Menschen blieben heute länger als früher in den eigenen vier Wänden. Kopp ist überzeugt: "Wir leisten einen erheblichen Beitrag dazu, dass sie länger zu Hause bleiben können."

Beate Kopp ist stellvertretende Leiterin des Garchinger Seniorentreffs. Die 54-Jährige arbeitet seit zehn Jahren in der Einrichtung. (Foto: Stephan Rumpf)

Garching, findet Kopp, habe frühzeitig begonnen, etwas für seine Senioren zu tun. Sie nennt den früheren Bürgermeister Helmut Karl, der bereits in den Siebzigerjahren die Wohnanlage bauen ließ, in deren Mitte der Seniorentreff eingebettet ist. 42 Wohneinheiten für Menschen, die weniger als 1000 Euro Rente haben. Zudem gebe es noch das Seniorenheim und das Betreute Wohnen.

Dass der Seniorentreff auch schon in die Jahre gekommen ist, bemerkt man erst auf den zweiten Blick. Der erste Eindruck ist hell und freundlich. Runde Bullaugenfenster, Oberlichter über runden Sitzecken, ein helles Souterrain, eine zitronengelbe Küche, die vom ersten Tag an gute Dienste geleistet hat, von der Kopp allerdings hofft, dass sie doch bald mal ausgewechselt wird. Genauso wie sie sich anstelle der nackten Energiesparlampen im Kellergang eine andere, freundlichere und dennoch helle Beleuchtung wünscht. Und da sie schon dabei ist: "Was wir hier noch brauchen, ist so eine Art Gemeinde-Kleinbus." Mit dem könnten sie Leute, die nicht mehr so gut zu Fuß sind, abholen, zum Friedhof oder zum Arzt im Nachbarort fahren. "Das wäre ein wichtiges Mittel, um einen bestimmten Personenkreis aus der Isolation zu holen." Stichwort Isolation. Die Sozialpädagogin hat schon oft erlebt, wie neue Senioren hinzukamen, wie sie hier eine Heimat gefunden haben. Sie berichtet von der Mittsiebzigerin, die zugezogen war, weil ihre Kinder in Garching leben. "Sie ist jetzt eine unserer Power-Nutzerinnen, sie ist jeden Tag da." Von wegen alter Baum, der sich schlecht verpflanzen ließe. "Mir ist es wichtig, dass die Leute uns als eine große Familie begreifen, in die immer noch neue Menschen aufgenommen werden. Das gelingt hier, das ist etwas ganz Seltenes." Und bestimmt wird die Frau auch mit dabei sein, wenn der Seniorentreff beim Garchinger Festumzug zur 1100-Jahr-Feier mit zieht. "Wir gehen als Kartoffelbauern, weil Garching früher ein Kartoffeldorf war", erläutert Beirätin Inge Scholbeck. Und im Gegensatz zu sonst brauchen sie sich diesmal keine Gedanken um die Kleidung zu machen. "Die Kostüme kommen von der Stadt."

© SZ vom 17.04.2015 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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