Garching:Hehre Ziele, kahle Dächer

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Als Universitätsstadt könnte Garching beim Klimaschutz vorangehen, findet die örtliche Agenda-21-Gruppe. Bisher wird nicht einmal das Potenzial für Fotovoltaikanlagen auf dem Forschungscampus genutzt

Von Gudrun Passarge, Garching

Was in Diedorf möglich ist, sollte auch in Garching umzusetzen sein, findet Wolfgang Ochs. Die örtliche Agenda-21-Gruppe, deren stellvertretender Vorsitzender Ochs ist, könnte sich gut vorstellen, dass die geplante Grundschule im Neubaugebiet Kommunikationszone ein Energieplushaus wird. Ein Leuchtturmprojekt wie das Gymnasium in Diedorf bei Augsburg, das die Architektengemeinschaft Hermann Kaufmann ZT GmbH & Florian Nagler Architekten GmbH in enger Zusammenarbeit mit dem in Garching ansässigen Zentrum für angewandte Energieforschung (ZAE) gebaut hat. "Warum soll die Universitätsstadt Garching nicht auch so ein Vorzeigeobjekt, eine Demonstration zur Anwendung erneuerbarerer Energien bekommen?", fragt Ochs.

Das ist nur einer der Vorschläge, die zeigen sollen, wie Klimaschutzziele erreicht werden könnten. Ausgangspunkt ist die Landkreis-Initiative 29++, die vorsieht, bis 2030 den CO₂-Ausstoß zu halbieren. Damit ist auch das einst für Garching erarbeitete Klimaschutzkonzept obsolet, das zum Ziel hatte, in der gesamten Stadt den Stromverbrauch bis 2020 um 25 Prozent und den Wärmeverbrauch um 30 Prozent zu senken, in den öffentlichen Liegenschaften beides sogar um 60 Prozent. Diese Ziele seien jedoch nicht einhaltbar, allein schon, weil ein früher geplantes Biomasseheizkraftwerk in Hochbrück momentan nicht mehr zur Diskussion steht, sagt der Bericht der Agenda-Gruppe, an dem außer Ochs auch noch Vorsitzende Vesselinka Koch sowie Michael Baierlein, Götz Braun, Gunther Ibbach und Lothar Scheske mitgearbeitet haben. Ochs stellt zudem fest, dass der Stromverbrauch in öffentlichen Gebäuden in Garching zwischen 2005 und 2011 um 40 Prozent gestiegen sei. "Neuere Zahlen liegen uns nicht vor, aber es wäre interessant zu wissen, wie es sich weiterentwickelt hat." Die Gruppe hat sich die Gesamtzahlen von 2009 angesehen mit dem Anspruch, daraus ein Programm zu entwickeln, "wie man dann eine Trendwende erreichen will".

Nicht verwunderlich ist, dass der Forschungscampus allein etwa drei Viertel des Stroms aus dem Garchinger Netz bezieht, wobei nach 2009 noch neue Institute hinzugekommen sind, der Verbrauch also bestimmt nicht geringer geworden ist. Beim Strom stellt Ochs fest, dass erneuerbare Energien nur einen Anteil zwischen zehn und 20 Prozent übernehmen könnten. Hauptsächlich könnte dieses Ziel mit Hilfe von Fotovoltaik auf Dächern und Windkraft erreicht werden. Kritik übt Wolfgang Ochs in diesem Zusammenhang am Forschungscampus. "Was uns nicht gefällt: Auf dem Campus gibt es viele Dächer, die geeignet wären, aber es gibt so gut wie keine Fotovoltaik." Das sollte sich nach Ansicht der Agendagruppe ändern, "gerade bei Neubauten". Immerhin könnte der Freistaat hier auch eine Vorbildfunktion erfüllen, findet die Agenda. Bei der Windenergie ist noch fraglich, ob die geplanten Anlagen neben dem Campus in der Nähe zu Dietersheim aufgestellt werden oder nicht. Fehlende Anteile an regenerativer Energie könnte die Kommune in Zusammenarbeit mit anderen Gemeinden oder den Stadtwerken München beziehen.

Bei der Wärmeversorgung spielt die Geothermie in Garching eine große Rolle. Doch nach derzeitigem Stand könne sie nur ein Drittel der Versorgung übernehmen. Mittelfristig käme noch eine zweite Bohrung in Frage, wenn die Bebauung drumherum dicht genug ist, vielleicht auch in Zusammenarbeit mit Unterschleißheim. In der Zwischenzeit müsse man sich darüber Gedanken machen, wie die Wärme dezentral erzeugt werden könnte. Dafür kämen Wärmepumpen oder Holzpelletheizungen in Frage. Ochs verbindet das mit dem städtischen Förderprogramm, das die Bürger momentan nur zu einem geringen Teil abrufen. Für den Einzelnen sei es sehr kompliziert, sich das richtige System für seine Immobilie auszusuchen, die Agenda-Gruppe denkt dagegen an einen zentralen Betrieb, der alles in die Hand nimmt. Die Bürger könnten über diesen Betrieb die dezentral erzeugte Wärme beziehen und sie monatlich abzahlen, vielleicht mit einem städtischen Zuschuss. "Das wäre ein relativ geringer Aufwand", sagt der Physiker. "Ich stelle mir vor, dass alles auf einer Internetseite steht und ich mich dort informieren kann, was es kostet." Gäbe es so ein Angebot nicht, würden viele bei ihrer Gasheizung bleiben, weil es eben einfacher ist, sagt Ochs. "Ich hoffe, dass man sich da mal Gedanken macht."

Wolfgang Ochs von der Garchinger Agenda-Gruppe. (Foto: Stephan Rumpf)

Genauso wie über die Plusenergie-Schule in Holzbauweise, die mehr Energie erzeugen würde, als sie verbraucht. Der Direktor des Diedorfer Gymnasiums ist voll des Lobes: "Man kann es kaum besser treffen", sagt Günter Manhardt. "Null Prozent Schadstoffe im Haus, mit einem eigenen Ingenieur, der beim Bau darauf geachtet hat, gute Akustik mit einer Nachhallzeit unter 0,4 Sekunden, die es ermöglicht mit mehreren Gruppen in einem Raum zu arbeiten und ein gutes Hausklima", bescheinigt er der Schule. Und es wäre eine Vorwegnahme der Zukunft. Denn von 2030 an soll nur noch klimaneutral gebaut werden. "Aber das ist noch nicht wirklich in den Köpfen der Leute drin", sagt Ochs. Er begrüßt das Klimakonzept des Landkreises, könnte sich aber mehr Begeisterung bei allen Beteiligten vorstellen: "Es ist wichtig, dass die Menschen sehen, dass man auf diesem Sektor weiterkommen kann. "

© SZ vom 18.05.2017 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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