Garching:Gut bestuhlt auf der grünen Wiese

Lesezeit: 2 min

Zusammen mit vielen Bürgern gelingt dem Verein Kultur-Kompass eine bunte Installation

Von Gudrun Passarge, Garching

Ursula Busch hat einen originellen Sonnenschutz. Ihr Schirm leuchtet blau - und blau sind auch die Wolltroddeln, die an den Enden der Metallstreben wippen. Mit energischen Schritten eilt sie über die Wiese. "Das passt da nicht hin, das muss da weg", sagt sie und dirigiert mit ihren Händen. Fast erwartet der Zuschauer, dass sich die Stühle gleich von selbst auf den Weg machen werden, um ihre neuen Plätze einzunehmen, aber es sind die vielen Helfer, die Hand anlegen und die Kunstobjekte herumtragen. Allein 66 Stühle wird der Verein "Kunst-Kompass München Nord" im Bürgerpark zeigen, dazu noch zwölf bunt bemalte Koffer und eben Schirme. Jedes einzelne Objekt ist mit einer interessanten Geschichte verbunden.

Den Tigerstuhl à la Janosch mit schwarz-gelben Streifen und angedeutetem Gesicht haben drei kleine Mädchen vorbeigebracht, wie Busch erzählt. Überhaupt haben viele Kinder mitgemacht. Da stehen beispielsweise lauter kleine Stühle aus einer Schulklasse, jeder anders bemalt. Davor sitzt "Lehrer Hugo", völlig in sich zusammengesunken, vollkommen fertig. Aus seinem alten Koffer, den er auf dem Schoß hat, schauen eine Zahnbürste und ein altes T-Shirt raus. Lilo Hehn vom Kunst-Kompass hat ihn gestaltet, die Idee, ihn zum Lehrer zu machen, kam erst mit den Schulstühlen.

1 / 4
(Foto: Alessandra Schellnegger)

Die Mitglieder des Kunstvereins hatten viel Arbeit mit dem Aufstellen, ...

... aber wenigstens Platz zum Ausruhen.

2 / 4
(Foto: Alessandra Schellnegger)

Von dem Milchstuhl mit lila Eute ...

3 / 4
(Foto: Alessandra Schellnegger)

... bis zum Stuhl in Pink, der auf Sand gebaut ist, in dem Müll liegt.

4 / 4
(Foto: Alessandra Schellnegger)

Außer Hehns Hugo ist noch ein anderer Mann auffällig, der seinen Kopf tief in einem Mund stecken hat, ein Werk von Henrika Behler. Auch er ist nur eine Attrappe aus Kleidern, wirkt aber echt. Daneben ist einer von den neun Stühlen, die Schüler des Kunst-Additums am Werner-Heisenberg-Gymnasium gestaltet haben. Das Bemerkenswerte an ihm ist die Riesenzunge, die bis zum Boden reicht. Lehrerin Isabel Schmidt berichtet, ihren Schülern habe es viel Spaß gemacht. "Viele haben sogar Überstunden gemacht und sind in der Mittagspause gekommen, um weiterzumachen. Es ist auch eine tolle Sache, dass man sich öffentlich präsentieren kann." Die Schülerinnen Lydia und Julia betrachten die Werke. Julias Stuhl zeigt die Grinsekatze von Alice in Wonderland an einem Schachbrettstuhl. Lydias Idee kam mit dem Auseinandersägen des Stuhls. Sie hat naturbelassene rechteckige Holzscheiben mit angemalten Scheiben kombiniert, die Wassermotive zeigen. "Der Stuhl ist fast kubistisch", sagt sie, "unten ist er mehr geordnet und löst sich nach oben hin auf, wie eine Welle, die Freiheit sucht".

Der Besucher der Installation begibt sich auf eine Entdeckungsreise. Da steht plötzlich ein Schaf, dort reckt ein Baum seine Zweige in die Höhe, dann wieder gibt es einen Glyphosatstuhl oder die Gruppe der afrikanischen Tiere zu bestaunen. Viele witzige Details, die sich erst auf den zweiten Blick zeigen und auch manch politische Botschaft wird über die Objekte transportiert. Und sogar ein Bücherkoffer ist dabei, der von Sartre bis zu Joy Packers "Die Leopardin" höchst unterschiedliche Lektüre anbietet.

1 / 2
(Foto: Alessandra Schellnegger)

Es gibt originelle Stuhlideen im Bürgerpark zu bestaunen.

2 / 2
(Foto: Alessandra Schellnegger)

Künstler hatten ausgefallene Ideen.

Busch freut sich über die große Resonanz. Viele Garchinger haben mitgemacht. Drei Schulen, der Seniorentreff, der Integrationsbeirat, der Verein "Lebendiges Garching", sie alle übermitteln Botschaften mit ihren Stühlen und Koffern. Die VHS hat die Aktion unterstützt und Stühle gespendet; von der Stadt kommt Geld aus dem Kulturtopf und zusätzlich noch Rat und Tat der Stadtverwaltung. Denn dass so eine Installation auf der grünen Wiese auch ein paar Genehmigungen erfordert, sagt Busch, das hätten sie nicht so bedacht. Aber die Aktion hat sich schon gelohnt. "Es war ganz schön zu hören, dass die Bürger gesagt haben, sie haben etwas zusammen gemacht." Auch dass die Schulen das Projekt teils übernommen haben und die Grundschule West selbst noch Stühle versteigert hat, freut Busch. Ein Ziel hat der Verein mit seiner Installation erreicht. Der Kunst-Kompass hat sich in Garching einen Namen gemacht.

© SZ vom 29.06.2019 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
Zur SZ-Startseite

Lesen Sie mehr zum Thema

Jetzt entdecken
OK