Garching:Ein Espresso im Kokon

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Für die Architektouren öffnet Swiss Life sein Geschäftsgebäude in Garching. Ein von außen eher nüchterner Bau, der innen mit einer beeindruckenden Formensprache begeistert

Von Christina Jackson, Garching

Zum Kaffee in den Kokon: Den Rückzug in einen schützenden Raum hat Innenarchitektin Ursula Beigler den Mitarbeitern des Versicherungsunternehmens Swiss Life AG in der Universitätsstadt Garching ermöglicht. Im Foyer des Geschäftsgebäudes, das sich nach außen nüchtern-funktional in der Form eines Würfels präsentiert, erwartet die Besucher eine spielerische Formensprache. Eine gläserne, einladende Welt, der sich der Besucher schnell nähert und kaum entziehen kann.

Der Kern des 2014 fertiggestellten Neubaus besteht aus hellen Farben und runden Formen. Hier gibt es eine Barista-Bar, die den Mitarbeitern diese ganz besondere Rückzugsmöglichkeit bietet: den Kokon. Also einen echten Rückzugsraum, der gewissermaßen mit einer schützenden Membran umgeben ist. Aufgrund seiner kugelähnlichen Form mit einer Öffnung im vorderen Bereich nannten ihn die beteiligten Bauarbeiter auch Sturzhelm. Die Café-Gäste betreten diesen Raum, der ihnen wie eine ausgehöhlte Kugel Schutz und Ruhe bietet, durch die Helmöffnung. Eine Gestaltung, die die Bayerische Architektenkammer den Besuchern und Anwohnern in Garching nicht vorenthalten wollte. Jedes Jahr präsentiert die Organisation im Rahmen der so genannten Architektouren gelungene Beispiele zeitgenössischer Alltagsarchitektur. Das Gebäude der Swiss Life war in diesem Jahr eines neun Beispielen ansprechender und moderner Architektur, das die Bürger im Landkreis besichtigen konnten, Und sie folgten dem Aufruf in großer Zahl, ist es doch stets spannend zu erleben, welch bisher unbekannte architektonische Besonderheiten es in der näheren Umgebung gibt.

Etwa jenen Kokon in Garching. Der Stoff, aus dem diese Rückzugsträume vom Kokon sind, heißt Corian. Unter diesem Markennamen brachte die Firma DuPont 1967 den Mineralwerkstoff auf den Markt. Er lässt sich besonders gut in der zwei- und dreidimensionalen Verarbeitungstechnik verwenden. Außerdem können einzelne Elemente naht- und fugenlos verklebt werden. Aspekte, die auch für Innenarchitektin Beigler wichtig sind. "Auf diese Weise war es uns möglich, den Kokon mit seinen Rundungen aus einzelnen Corian-Elementen zusammen zu setzen." Eine besondere Rolle spielte Corian übrigens auch im französischen Bordeaux, wo die gesamte Fassade des Designhotels mit dem Namen Seeko'o aus dem schneeweißen Material besteht und dem Gebäude damit die markante Form eines Eisbergs verleiht.

Im bayerischen Garching legte Beiglers damalige Mitarbeiterin Stephanie Hartl dem Auftraggeber insgesamt acht Entwürfe vor. Dieser hatte zuvor kaum Vorgaben gemacht. "Es stand lediglich fest, was sie nicht haben wollten und das bezog sich in erster Linie auf die Farben", erzählte Beigler beim Rundgang durch das Swiss-Life-Gebäude.

Von den acht Entwürfen fand der optisch anspruchsvollste die Zustimmung. Hartl, die die Führung ebenfalls begleitete, erinnert sich: "Wir wussten, dass die vielen runden Ausformungen und dreidimensionalen Elemente schwierig umzusetzen sind, bevorzugten aber auch diese Variante". Daneben mussten die Innenarchitektinnen mit ihrer Planung beginnen, als von der Swiss Life AG in Garching lediglich der Rohbau stand. Die Skizzen orientierten sich also allein nach den Plänen der Architekten, die allesamt nur auf dem Papier umgesetzt waren.

Beigler, die in der Vergangenheit für den Leuchtmittelhersteller Osram die Beleuchtungsplanung übernommen hatte, legte auch in Garching vor allem großen Wert auf das richtige Licht. In den schuppenförmig angelegten Wandpaneelen aus Corian verbergen sich LED-Lampen, die für einen sanften Weißton sorgen. Von der Decke beleuchten großflächige, runde Lampen den Boden, der aus feinem italienischem Granit besteht. "Einen Tag lang verbrachten wir in dem exorbitant großen Natursteine-Werk, um den passenden Stein zu finden", sagte Innenarchitektin Beigler. Damit nicht genug: Um eine einheitliche Maserung auf dem Boden des Neubaus zu erhalten, musste die ausreichende Menge eines Quaders in der Charge vorhanden sein. Eine Entscheidung, die sich jetzt auszahlt: Der Untergrund ist ausgesprochen pflegeleicht und robust - und noch dazu sehr schön anzusehen. Er harmoniert auch gut mit den Polstern der Café-Lounge-Möbel, die von dem Mikrofaserstoff Alcantara umhüllt sind, der in den Siebzigerjahren von Miyoshi Okamoto für die Firma Toyota entwickelt worden ist.

Insgesamt entsteht so im Zusammenspiel von Licht, Stoff und Farbe ein Refugium für gestresste Mitarbeiter der Swiss Life, das zurecht mit einem Kokon assoziiert werden darf. Derweil beschäftigt sich Beigler bereits mit dem nächsten Projekt. Es beinhaltet die Umgestaltung eines Bauernhofes in eine Kinderkrippe in Kirchseeon. Auch dort wird es um Rückzugsorte gehen. Für die kleinen Besucher will Beigler Fensterrahmen als Nischen gestalten, in denen sich die Knirpse geborgen fühlen können.

© SZ vom 27.06.2016 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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