Garching:Die Stadt-Partei

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Übervater der Garchinger SPD: der frühere Bürgermeister Helmut-Karl, nach dem ein Platz benannt ist. (Foto: Florian Peljak)

In den 75 Jahren ihres Bestehens hat die SPD den Ort und die spätere Stadt geprägt

Von Irmengard Gnau, Garching

Die Garchinger SPD hat sich herausgeputzt zu ihrem Jubiläum, zumindest im virtuellen Raum. Die Corona-Pandemie verbietet derzeit große Feierlichkeiten, doch digital präsentiert sich der Ortsverein zum Jahrestag seiner Gründung freudig und mit einer runderneuerten Homepage offen für Gäste. Mit dieser wollen die Kommunalpolitiker nicht nur Besucher noch stärker über das politische Geschehen in der Stadt informieren und zur Beteiligung einladen, sie werfen auch einen Blick in die eigene Geschichte: Lange Jahre haben die Sozialdemokraten Garching geprägt, vor allem in der 30 Jahre währenden Amtszeit von Helmut Karl als Bürgermeister hat der Ort eine immense Entwicklung vom Dorf zur Universitätsstadt genommen. Heute müssen die Sozialdemokraten meist Kompromisse suchen, um ihre Ideen durchzusetzen.

Los ging es vor ziemlich genau 75 Jahren: Am 24. Februar 1946 fanden sich in Garching sieben Männer zusammen und gründeten unter der Leitung des Schreinermeisters Josef Loos den SPD-Ortsverein. In den Nachkriegsjahren wurden die "Sozis" noch skeptisch beäugt, mehr als zehn Mitglieder zählte der Verein nicht. Das änderte sich mit dem Aufbau des Forschungsstandorts Garching. Mitte der Sechzigerjahre bildete sich die erste SPD-Fraktion im Gemeinderat; Helmut Karl, mit 24 Jahren bereits Geschäftsleiter der Garchinger Verwaltung, brachte die Partei schließlich ganz nach vorn: 1965 übernahm er die Leitung des Ortsverbands, wurde 1966 prompt Zweiter Bürgermeister. 1972 kam Karl dann ins Bürgermeisteramt. Unter seiner Ägide entstanden zentrale Garchinger Punkte wie die Ortsmitte samt Bürgerhaus und der U-Bahnanschluss. Mancher SPDler denkt wohl mit ein wenig Wehmut zurück an jene Zeiten, in denen die Partei noch die absolute Mehrheit im Stadtrat innehatte und quasi ungestört gestalten konnte.

Heute ist ein solcher Politikstil kaum mehr vorstellbar. Zwar stellen die Sozialdemokraten in Dietmar Gruchmann weiterhin den Bürgermeister, doch die Fraktion muss sich mit ihren sechs Mitgliedern, die mit FDP-Vertreter Bastian Dombret eine Fraktionsgemeinschaft bilden, in dem nun 24-köpfigen Gremium gegen die CSU, die 1994 ins Leben gerufenen Unabhängigen Garchinger, die Grünen und seit 2002 die Bürger für Garching behaupten. "Es haben sich in den vergangenen Jahren viele neue politische Kräfte etabliert und das zu Recht", sagt Stadträtin Ulrike Haerendel, die seit 2016 Vorsitzende des SPD-Ortsvereins ist. Gleichwohl sieht sie ihrer Partei weiterhin eine wichtige Rolle in Garching zukommen: "Ich glaube, der SPD wird kommunal immer noch viel zugetraut, Kompetenz in verschiedenen Bereichen." Die stärkere Orientierung hin zu Kompromisslösungen sieht sie auch als Chance.

Von anfangs sieben Mitgliedern ist der Ortsverein zwischenzeitig auf gut hundert gewachsen, zuletzt ist allerdings ein leichter Schwund zu verzeichnen. Um sich für die nächsten 75 Jahre zu rüsten, hat die Partei bei der jüngsten Mitgliederversammlung im vergangenen Herbst einen Generationenwechsel eingeläutet und etwa mit Muna Kassab, Egzon Krasniqi und Florian Strunk einige junge Gesichter in den erweiterten Vorstand geholt. Wichtig ist SPD-Chefin Haerendel nach eigenen Worten eine noch engere Verzahnung zwischen dem Ortsverein und der Stadtratsfraktion, um Anregungen stärker in die politische Arbeit einfließen lassen zu können. Die SPD wolle Bindeglied zur Stadtgesellschaft sein, auch durch engen Kontakt mit den Vereinen und den verschiedenen Beiräten. Politisch liegt in der nächsten Zeit der Wohnungsbau im Fokus. Insbesondere im lange geplanten Gebiet der Kommunikationszone steht die Stadt vor der Herausforderung, Neubauten so zu gestalten, dass die Wohnungen bezahlbar werden. Die neue gegründete Garchinger Wohnbaugenossenschaft soll helfen, dieses Dilemma aufzulösen.

Zum 75. Geburtstag will die Garchinger SPD auch Vergangenheit und Gegenwart verknüpfen. Für einen Jubiläumsfilm sollen junge Mitglieder ältere Vereinskollegen zu ihren kommunalpolitischen Erfahrungen interviewen.

© SZ vom 27.02.2021 - Rechte am Artikel können Sie hier erwerben.
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